Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ja nicht das Einzige, was bei der Koalition durcheinandergeht. Mal schauen, was Sie tatsächlich gebacken bekommen. Wir werden sehen. Ich jedenfalls bin aus der Sommerpause sehr besorgt zurückkehrt. Ich war über den Sommer im Gespräch mit vielen Forschern, mit Verantwortlichen an Hochschulen. Ich kann Ihnen sagen: Da herrscht eine riesengroße Verunsicherung. Die Verunsicherung hat auch konkrete Gründe. Diese will ich gerne nennen in der Hoffnung, dass diese Koalition aktiv etwas dagegen unternimmt; denn sie ist auch der Grund für die Verunsicherung. Grund Nummer eins: das Förderchaos. Thomas Jarzombek hat es bereits angesprochen: Etliche Professoren und Mitarbeiter an Hochschulen haben auf ihre Förderbescheide gewartet. Das Kommunikationschaos dieses Hauses war wirklich enorm. Das war kein gutes Signal. Das war verheerend für die ganze Community. Das hat für sehr viel Verunsicherung gesorgt. Der zweite Grund: die Kürzungen. Daran sind Sie nicht allein schuld, Frau Stark-Watzinger. Ein Beispiel: Das Auswärtige Amt und Sie haben die Mittel bei Projekten unter anderem beim DAAD drastisch gekürzt. Es geht um internationale Studenten, und solche die ins Ausland gehen wollten. Das sind genau die Studenten, die unter Corona gelitten haben und die wegen der Kürzungen – so viel zum Thema Chancengerechtigkeit – nicht ins Ausland gehen können. Sie können zwar sagen: Daran bin ich nicht schuld. Das ist Frau Baerbock. – Aber das kann Ihnen ja nicht gleichgültig sein. An den Hochschulen fehlen die Mittel, um die ukrainischen Studenten oder andere ausländische Studenten zu integrieren. Das ist ein fatales Signal, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und angesichts der ukrainischen Flüchtlingsbewegungen. Auch das hat für massive Verunsicherung gesorgt und tut es immer noch. Grund Nummer drei: die Perspektiven. Wir reden hier quasi von einem Stillstand in Ihrem Etat. Ich habe mich gerade gefragt: Was war denn das für eine seltsame Attacke, Frau Ministerin, auf die Vorgängerregierung mit der Aussage, wir hätten die Mittel zurückgefahren? Ich will nur mal die Zahlen nennen: Wir haben von 2010 bis 2020 eine Haushaltssteigerung um 80 Prozent gehabt. Sie haben jetzt von 2023 bis 2026 ein Plus von 4 Prozent geplant. Wir haben inzwischen eine Inflation von 7 bis 8 Prozent. Sie planen in den nächsten zwei Jahren ein kleines Plus und sagen, wir hätten gekürzt. Dabei gab es bei uns in zehn Jahren eine Steigerung von 80 Prozent, in der ganzen Regierungszeit von 150 Prozent. Der Vorwurf, der hier am Rednerpult des Deutschen Bundestages von einer Ministerin erhoben wurde, ist wirklich völlig absurd. Ich bin völlig fassungslos! Zum Thema 65‑Milliarden-Paket ist schon einiges gesagt worden. Die Wissenschaft und die Forschung gehen völlig leer aus, die Studenten bekommen immerhin 200 Euro. Nur, ich frage mich: Wissen Sie denn schon, wie das Geld zu den Studenten kommt? Christian Lindner hat ja erklärt, Hunderttausend Überweisungen pro Tag seien der Verwaltung möglich. Vorausgesetzt, die Kontonummer liegt vor. Da bin ich auf eine Antwort aus Ihrem Haus gespannt. Die Studenten brauchen das Geld jetzt, nicht irgendwann. Damit komme ich auch schon zum vierten Punkt, der für die Verunsicherung an den Hochschulen und Instituten sorgt. Das sind die fehlende Kommunikation und auch die Planlosigkeit. Jeder, der eins und eins zusammenzählen kann, weiß, dass Sie all das, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag aufgeschrieben und versprochen haben, nicht halten können. Wie auch? Sie planen mit einem Aufwuchs von 4 Prozent. Wir haben auf der anderen Seite die Inflation. Wir haben steigende Energiepreise. Und wir haben im Koalitionsvertrag Versprechungen in einer wahnwitzigen Größenordnung. Das passt nicht zusammen. Sagen Sie entweder, wo Sie bei den bisherigen Ausgaben kürzen wollen, um die neuen Leuchttürme zu finanzieren, oder sagen Sie, auf welche Leuchttürme Sie verzichten wollen, damit das, was es schon gibt, auch kontinuierlich weitergeführt werden kann. Alles wird nicht gehen. Hier fehlt jegliche Kommunikation, hier fehlt jegliche Ehrlichkeit. Sagen Sie den Menschen im Land, woran sie sind. Das wäre vernünftiger. Das wäre ehrliche Politik. Ich verstehe nicht, dass man auf der einen Seite noch von Leuchttürmen sprechen kann und auf der anderen Seite diesen Realitäten nicht ins Auge sieht. Das ist wirklich unehrliche Politik. Wenn Sie sagen, wir sollten Vorschläge machen, dann kann ich nur sagen: Wir machen Vorschläge. Unsere Anträge haben Sie bisher alle abgelehnt. Wenn ich in Ihre Vorhabenplanung schaue, dann kann ich darüber nur sagen: Verzichten Sie einfach auf die DATI! Das ist eine Schnapsidee, die bisher noch keinen überzeugt hat. Stattdessen sind auch hier an den Hochschulen alle verunsichert, weil jeder sich fragt: Wo kratzen Sie das Geld zusammen, damit Ihr Lieblingsprojekt, die DATI, finanziert werden kann? Zum Startchancen-Programm. Das ist ja gut gemeint. Aber denken Sie wirklich, dass Sie strukturell etwas ändern, wenn Sie jede zehnte Schule im Land irgendwann in den nächsten Jahren – es gibt noch nicht mal ein Konzept – unterstützen? Ich finde, Sie sollten lieber dafür sorgen, dass das, was der Bund begonnen hat, nämlich die Länder und die Kommunen bei der Nachmittagsbetreuung zu unterstützen, vernünftig ausfinanziert wird. Ich bin der Meinung, dass Sie eher die Lehrkräftegewinnung unterstützen sollten, die Digitalisierung der Schulen, die wir angefangen haben, und den Kampf gegen den Fachkräftemangel. Hier würden Sie Chancengerechtigkeit schaffen. Deshalb meine Bitte: Beenden Sie die Verunsicherung an unseren Hochschulen! Verzichten Sie auf ideologische Projekte! Lassen Sie mehr Ehrlichkeit einkehren!