Herr Bilger, Sie haben 16 Jahre regiert, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erst einmal möchte ich mich bedanken, Frau Präsidentin, für unsere Gedenkstunde hier und Ihre Worte für Michail Gorbatschow. Vielen Dank dafür. Ich glaube, es war wichtig und notwendig, dieses Signal an diesem Tag zu senden und damit die Parlamentsdebatte zu eröffnen. Meine Damen und Herren, ja, wir streiten und ringen heute im Parlament zwischen den demokratischen Kräften über die Fragen: Was sind die richtigen Maßnahmen? Was sind die Lösungen? Die einen sehen Versäumnisse, und die anderen sehen: Wir tun etwas. Aber eines eint uns an diesem Morgen: dass nämlich klar ist, dass wir als Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen gegen die Rattenfänger von rechts. Und wenn es eines Beweises bedurft hätte, dann wären es der Beitrag von Alice Weidel und das Video, das gerade in den Social-Media-Kanälen läuft. Da wünscht sich nämlich ein Teil der Fraktion der AfD, dass es noch härter kommt, dass es noch schlimmer wird, dass sich die Krise manifestiert. Darin sehen Sie als AfD mit Ihren Lügen, Ihrer Propaganda und Ihrer Menschenfeindlichkeit eine Chance für das Anwachsen der AfD. Meine Damen und Herren, egal wo Herr Merz, Herr Scholz oder Britta Haßelmann stehen: Das werden die demokratischen Kräfte im Land verhindern, und darüber bin ich froh. Meine Damen und Herren, wir führen hier eine inhaltliche, sehr kontroverse Debatte in Krisenzeiten. Herr Merz, ich wünsche mir, dass Sie einen Blick auf die Wirklichkeit werfen – der ist zwingend notwendig – und sich ihr auch stellen. Wer, meine Damen und Herren, hat uns in diese zementierte Abhängigkeit geführt? Der Krieg Putins gegen die Ukraine dauert an. Heute, nach 196 Tagen, ist die Situation für die Menschen so schrecklich, so dramatisch, so zerstörerisch, dass für uns feststehen muss, dass unsere Solidarität uneingeschränkt gilt, dass wir als Deutscher Bundestag unsere Unterstützung, humanitär, wirtschaftlich und auch mit Waffen, die sie dringend brauchen, garantieren und die Ukraine wissen lassen: Ihr seid nicht allein, wir lassen euch nicht im Stich. Das ist das Signal, das wir senden müssen. Und der Krieg Putins gegen die Ukraine ist die Krise, aus der viele andere Krisen erwachsen. Ich denke oft an das Leid, die Folgen der Zerstörung für die Menschen in der Ukraine. Aber wer hat uns in diese zementierte Abhängigkeit von Russland, von fossilen Energien geführt? – Da sagt doch gerade einer: „Rot-Grün!“ Ich glaube, ich spinne. Leute! und wir wissen, dass Sie es waren, die den Ausbau der erneuerbaren Energien blockiert haben, wo Sie nur konnten. Sie haben auf Bundesebene und auf Länderebene, da wo Sie Regierungsmehrheiten hatten, alles getan, um dem Ausbau der Erneuerbaren, um Energieeffizienz, Energieeinsparung, modernen Technologien, die uns daran hindern, weiterhin CO2 auszustoßen und in die Atmosphäre zu schleudern, entgegenzuwirken. Das ist Ihre Verantwortung und das Ergebnis von 16 Jahren unionsgeführter Regierung. Und da Sie das nie glauben wollen, helfe ich Ihnen mit einer Gedankenstütze: Wer hat eigentlich dafür gesorgt, dass der größte Gasspeicher in Deutschland 2015 an Gazprom ging? Es war Ihr Bundeswirtschaftsminister, der uns dahin geführt hat; das war die Verantwortung von Peter Altmaier. Die letzte Bundesregierung hat bis zuletzt an Nord Stream 2 festgehalten. Auch diese große Fehlentscheidung haben Sie gemeinsam zu verantworten, während wir davor gewarnt haben; auch daran erinnert sich heute nicht wirklich gerne jemand. Jetzt zu den Rufen für ein Gasembargo aus Ihrer Fraktion. Soll ich Ihnen die Presseberichte zeigen? Herr Merz, Sie standen doch in der ersten Reihe. Ich bin froh, dass wir das nicht getan haben. Wo wären wir denn heute in der Krisenbewältigung? Was müssten wir den Menschen zumuten, wenn wir uns auf diese Fehlentscheidung eingelassen hätten? Nein, ich lasse keine Zwischenfragen zu. Ihre ideologische Debattenführung im Hinblick auf Atomenergie ist doch entlarvend. Da sagt hier einer mit großen Augen: Nein, wir sind auch nicht für die Verlängerung der Nutzung von Atomenergie. – Gleichzeitig kommt im fünften Satz: Aber vielleicht für drei bis vier Jahre oder bis zum Ende der Energiekrise. Herr Merz, wissen Sie eigentlich, was das heißt? Das bedeutet die längere Nutzung der Atomenergie. Das heißt Ausstieg vom Ausstieg. Den hatten Sie doch schon einmal; das haben Sie hinter sich. – Nein, das ist Fakt. – Sie sollten sich einmal damit beschäftigen; denn drei bis vier Jahre halten die Brennstäbe überhaupt nicht. Sie müssten neue Brennstäbe besorgen. Und damit sind wir beim Ausstieg aus dem Ausstieg, und der ist uns schon einmal teuer gekommen, gerade wegen Ihnen und Ihrer Fehlentscheidungen in der Regierungszeit 2009 bis 2013. Meine Damen und Herren, kaum eine Debatte wird so faktenfrei geführt wie diese. Der vorliegende Stresstest zeigt ganz eindeutig: Eine Verlängerung der Nutzung der Atomenergie ist nicht gerechtfertigt. Und das ist gut so, meine Damen und Herren. Es handelt sich um eine Hochrisikotechnologie. Wir haben den Auftrag, und zwar gesetzlich – auch vom Bundesverfassungsgericht –, dass wir uns um die Gefahren für die Bürgerinnen und Bürger Sorgen machen müssen. Und was nicht geht, ist, dass Sie weiterhin lamentieren und polemisieren und solche primitiven Formeln wie „Drei plus drei plus drei“ von Andi Scheuer aus Bayern ernsthaft hier in die Debatten einführen. Ihr Andreas Scheuer aus der CSU ist dafür, dass wir drei neue Kernkraftwerke bauen. Das soll ein Beitrag zur Krisenbewältigung im Hier und Jetzt sein? Wissen Sie, wie lange der Bau eines Atomkraftwerkes dauert? Offenbar nicht. Bis Bayern hat sich das nicht herumgesprochen. Der Mann hat ja auch nur Verantwortung dafür, irgendwelche Dinge in die Welt zu pusten, aber für sonst nichts. Auf die Endlagerfrage gibt es keine Antwort, gerade nicht von CDU und CSU außer dem Satz „Nur nicht in Bayern“, meine Damen und Herren. Und deshalb lassen Sie uns zu den Fakten zurückkommen. Wir holen jetzt nach, was jahrelang versäumt wurde, dass nämlich die Priorität auf dem Ausbau der Erneuerbaren, der Energieeinsparung, der Energieeffizienz liegt, und daher reicht es auch mit Ihrem Polemisieren gegen Robert Habeck; denn er hat, allen voran an der Spitze, gerade verdammt viel zu tun und leistet vieles. Es spricht doch aus jeder Pore der Neid. Wenn ich höre, dass manche sagen, es täte manchem gut, so finde ich, es täte manchem von Ihnen gut, erst zu denken, dann zu sprechen. Meine Damen und Herren, wir haben jetzt drei Entlastungspakete auf den Weg gebracht. Das ist doch wirklich wichtig und notwendig; denn wir können doch nicht sagen, wie weit wir jetzt sind, wie sich die Krise weiter entwickeln wird. Es wird viele Menschen in unserem Land hart treffen. Das wissen wir. Und wir sind längst nicht am Ende mit unseren Unterstützungspaketen. Wir sind im Krisenmodus – ja –, und wir werden vieles tun müssen: sozial abfedern, in erneuerbare Energien investieren und die ökologische und soziale Transformation der Wirtschaft weiter begleiten. Wer heute so tut, als wäre die eine Maßnahmen die Richtige und damit wäre alles getan, streut den Menschen doch Sand in die Augen. Wir können doch nur das Signal ausgeben: Wir nehmen eure Sorgen und Ängste wahr. Wir wissen, viele Menschen haben Angst vor Abstieg und vor Armut. Und wir federn das ab. Ob wir in zwei Monaten mehr tun müssen, weitere Dinge auf den Weg bringen müssen, das wird sich zeigen, das weiß heute noch niemand, weil noch niemand weiß, wohin die Krise noch geht und wie tief sie greifen wird. Deshalb ist es wichtig, das Signal auszusenden: Wir bauen mit Kraft an der sozial-ökologischen Transformation, am Ausbau der Erneuerbaren. Wir machen uns in Sachen Energieversorgung unabhängig, was jahrelang versäumt wurde. Wir versuchen, gemeinsam mit Wirtschaft, Handwerk und dem Mittelstand – – – Ja, ja, ja. – Wir tun alles dafür, in dieser Krise zu stabilisieren. Darum geht es im Moment. Wir haben in dieser Woche die Haushaltsplanberatungen, die ein klares Signal geben in Bezug auf die Frage: Wo wollen wir investieren? Da geht es nicht nur um die nationalen Fragen. Es geht auch um die internationale Verantwortung, die wir haben. Klimaschutz, Umwelt, Natur, Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfen für die Krisen – all das ist notwendig. Hier ist jede Kraftanstrengung notwendig. Wenn wir nach Pakistan sehen, wenn wir die Hitzeentwicklung in Europa in diesem Sommer, auch hier bei uns, ansehen, dann wissen wir, was Sie uns hinterlassen haben, nämlich lauter Baustellen, die wir jetzt im Hinblick auf die Bekämpfung der Klimakrise angehen müssen. Sie zeigen sich in so einer Dramatik, dass wir auch im Rahmen des Haushaltes Akzente setzen müssen, die unsere internationale und nationale Verantwortung deutlich unterstreichen. Das ist wichtig. Gleichzeitig ist mit dem dritten Entlastungspaket ein Signal gesendet worden, dass wir die Menschen hier im Land, die wenig haben, zielgenau unterstützen wollen. Gehen Sie nicht so darüber hinweg. Ja, ich höre Kritik – allgemein – am Entlastungspaket. Wo sind Sie denn mit Ihrer Verantwortung beim Thema Bürgergeld, bei den Menschen, die wenig haben? Wir machen gerade die größte Regelsatzerhöhung, die es seit Einführung von Hartz IV gibt. Das ist der erste Schritt. Wir behandeln gleichzeitig das Wohngeld, den Heizkostenzuschuss, die Frage der Energiepreispauschale; alles wichtige soziale Abfederungen. Sie werden dazu beitragen, dass sich Not lindert. Natürlich bleibt es dabei, dass viele Menschen in einer kritischen Situation sind. Wir werden immer wieder überlegen, ob die Maßnahmen, die wir auf den Weg bringen, reichen oder ob wir noch nachsteuern müssen, wie zum Beispiel beim kleinen Handwerk, den Bäckereien, den Fleischereien oder der Kulturszene. Wir müssen doch gemeinsam als Parlament das Signal aussenden: Wir lassen euch nicht im Stich. Wir überlegen uns immer wieder: Wo können wir ansetzen? Was können wir tun? Das ist verantwortliches Handeln, meine Damen und Herren. Weil ich gerade über diejenigen gesprochen habe, die wenig haben. Ich finde es infam, wie Markus Söder für Beifall im Bierzelt beim Gillamoos über Menschen gesprochen hat, die wenig Geld haben und in Grundsicherung leben. Mein Eindruck ist: Sie kennen die Lebenswirklichkeit von Menschen, die arm sind, überhaupt nicht. – Ja, ich glaube schon. Ich habe lange genug als Sozialarbeiterin gearbeitet. Ich glaube, dass Markus Söder damit ein Zeichen ausgesendet hat. Ihm ist jedes Mittel recht zur parteipolitischen Profilierung, und sei es auf dem Rücken von Menschen, die arm sind, die wenig haben. Ich finde es infam, dass mit so etwas der Wahlkampf eingeläutet wird, den Sie im nächsten Jahr vor sich haben. Ich finde das unzulässig, aber vielleicht muss jeder für sich verantworten, was er tut. Aber die Abwertung von Menschen ist ein Mittel, bei dem wir gemeinsam sagen sollten: Das ist nicht unser Ding. Das tun wir nicht, meine Damen und Herren. Ich glaube, wir sind gerade in wirklich schwierigen Zeiten. Niemand wird sagen: Durch die eine oder andere Maßnahme ist die Krise vorbei. – Wir versuchen alles. Wir geben alles zur Krisenbewältigung, um den Ausbau der Erneuerbaren voranzubringen und uns unabhängig zu machen. Wir nehmen unsere internationale Verantwortung wahr, weil wir wissen: Nur gemeinsam sind wir stark in dieser Zeit. Die Zeitenwende sozial und nachhaltig zu gestalten, darum geht es jetzt, meine Damen und Herren. Vielen Dank.