Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Make friends, not art“, das postulierte das indonesische Kuratorenkollektiv Ruangrupa zur diesjährigen Documenta fifteen. Dass dieser Slogan aufgegangen ist und sich die Beteiligten der größten internationalen Kunstausstellung viele Freunde gemacht haben, wage ich hier zu bezweifeln. Das monumentale Wimmelbild „People’s Justice“ des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi, das eindeutig antisemitische Stereotype darstellt, ist inzwischen abgebaut. Es wurde zuvor verhängt. Ein symbolischer Akt? Oder bloße Reaktion auf die vehementen Antisemitismusvorwürfe, die bereits lange im Vorfeld angebracht wurden und wegen derer nun auch die Staatsanwaltschaft in Kassel ermittelt. Hinzu kommt: Das Kunstwerk existiert bereits 20 Jahre. Das bedeutet: Auch die antisemitischen Motive im Werk sind nicht neu. Dennoch will niemand etwas davon gewusst haben. Wer übernimmt nun die Verantwortung für dieses Kontrolldesaster? Tatsächlich niemand, weder die Veranstaltenden der Documenta noch das Künstlerkollektiv, das die Ausstellung dieses Jahr kuratiert. Aber damit nicht genug. Das indonesische Kollektiv Ruangrupa, dem die künstlerische Leitung der Documenta übertragen wurde, hat weitere Kollektive ausgewählt, die ihrerseits weitere Kollektive ermächtigten, in Kassel ihre Kunst zu vertreten. Zu sehen sind viel Verschwisterungen und Zusammenarbeit, die zum Schneeballsystem ausgeartet sind und, wie es scheint, keine Überprüfungsinstanzen mehr durchlaufen haben. Das ist das nächste Problem. Frei nach dem Motto „Wir kennen welche, die welche kennen und denen wir vertrauen und vielleicht auch was Gutes tun wollen“ muss niemand Rechenschaft über die Auswahl geben. Externe Qualitätssicherung und Kontrolle finden nicht statt, Stichwort „Kunstfreiheit“. Dieses Schneeballsystem hat dazu geführt, dass bis heute niemand genau sagen kann, wie viele Kulturschaffende wirklich auf der Documenta ausstellen. Ich frage mich: Wie ist das möglich? Vermutlich wäre dies von der Öffentlichkeit bestenfalls zur Kenntnis genommen worden, wäre es nicht zum Eklat gekommen. Erst die eklatant antisemitische Darstellung auf dem Kunstwerk Taring Padis machte die zuvor bestehenden Vorwürfe zu Tatsachen. Dies führte zu einem Skandal mit Ansage und zu der Debatte, die wir heute führen müssen. Und wir führen sie zu Recht; denn Antisemitismus können und dürfen wir nicht dulden. Deutschland kommt durch seine Geschichte eine besondere Verantwortung zu. Die Übernahme dieser Verantwortung ist Teil der Kunstfreiheit, meine Damen und Herren. Diese Verantwortung hätte dazu führen müssen, dass kultursensibel in alle Richtungen agiert wird. Fakt ist: Die Documenta kann nicht ohne Skandale. Die deprimierende Erkenntnis der Documenta fifteen in diesem Jahr ist aber neu: Alle ihre Teilnehmer werden die Documenta beschädigt verlassen. Diesmal haben die Veranstalter sich selbst übertroffen. Was als Versuch startete, dem Globalen Süden eine Stimme zu geben, hat eine desaströse Wendung genommen. Es ist ein großer Schatten auf die Documenta gefallen; denn die Menschenwürde wurde hier kollektiv mit Füßen getreten. Jetzt gilt es, schnellstens Licht ins Dunkel zu bringen. Die Documenta muss sich erneuern und Strukturen schaffen, die sie wieder ins rechte Licht rücken. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Union, wie Sie am Mittwoch verfolgen konnten und wie Sie, Frau Connemann, selbst in Ihrer Rede gerade ausgeführt haben, stand die Documenta bereits auf der Tagesordnung des Kulturausschusses. Zusammen mit Staatsministerin Roth, dem Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herrn Botmann, der hessischen Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Frau Dorn-Rancke, sowie Herrn Darmawan aus dem kuratierenden Kollektiv Ruangrupa wurde lange diskutiert, und man hat sich über die Antisemitismusvorwürfe ausgetauscht. – Es war deutlich länger. Folgen wurden beraten. Hierbei möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass zu unserem großen Bedauern die Documenta-Chefin Sabine Schormann und Oberbürgermeister Christian Geselle als Vorsitzender des Aufsichtsrates nicht zu den Gesprächen erschienen. Dennoch kann ich hier sagen: Die Aufarbeitung der Vorgänge ist aktiv im Gange. Da war die CDU/CSU mit ihrem Antrag schon nicht mehr auf dem Laufenden. Die Forderungen, die Sie proklamieren, verschieben die Debatte. Daher werden wir Ihren Antrag ablehnen. In den Auseinandersetzungen, die wir hier führen, geht es um Kultursensibilität, es geht um Verantwortungsdiffusion, und es geht um ein desaströses Krisenmanagement seitens der Veranstaltenden und Kuratoren. Auch dem Antrag der AfD werden wir nicht zustimmen. Mit Ihren Forderungen führen Sie nämlich lediglich eine Scheindebatte. Es geht Ihnen hier nicht um die Antisemitismusproblematik. Und erst recht spreche ich Ihnen keine Sensibilität für die Ausstellungspraxis auf der Documenta zu. Was Sie in Ihrem Antrag machen, ist Instrumentalisierung, und die werde ich hier ganz sicher nicht unterstützen. Der Documenta fehlt es in diesem Jahr an Zuständigkeiten und internationaler Expertise; darauf können wir uns einigen. We have to talk, we need to talk. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.