Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Das ist jetzt eine Ansage an meinen eigenen Laden. Wenn wir nicht mal mit Kanada ein Freihandelsabkommen machen können, mit wem dann?“ Das war ein Zitat von Winfried Kretschmann, einem weisen Mann, der Sie schon seit Monaten dazu auffordert, CETA, dem Handelsabkommen mit Kanada, endlich zuzustimmen. Sie folgen uns nun endlich, indem Sie einen Gesetzentwurf zu CETA hier zur ersten Lesung einbringen. Sie folgen Winfried Kretschmann endlich. Es ist gut, dass Sie an dieser Stelle sich endlich bewegen. Insgesamt sechsmal – sechsmal! – haben wir unseren übrigens wortgleichen Gesetzentwurf hier bereits vorgelegt, wollten ihn hier behandeln. Sie haben ihn sechsmal von der Tagesordnung genommen. Wir sind nicht nachtragend. Sie tun das Richtige mit der Einbringung in die erste Lesung, und deswegen beglückwünschen wir Sie zu dieser Wende. Aber wir haben auch Sorgen, Sorgen mit Blick auf die nächsten Schritte, sowohl konkret was CETA angeht als auch was die Handelspolitik ganz grundsätzlich angeht. Denn offenbar möchte Herr Minister Habeck zusammen mit dem Bundeskanzler bei dem geplanten Besuch in Kanada diese erste Lesung hier als Gastgeschenk für die Gespräche mitbringen, die dort anstehen. Wir haben im Ausschuss danach gefragt, was denn dann folgt, wann denn dann mit der Ratifizierung, der zweiten und dritten Lesung hier im Deutschen Bundestag zu rechnen ist; die erste Lesung alleine führt ja noch nicht zum gewünschten Ergebnis. Und da drängt sich der Eindruck auf: Sie verfolgen eine Hinhaltetaktik. – Herr Audretsch, da ich Ihnen genau zugehört habe, muss ich ehrlicherweise sagen: Meine Sorgen sind eher größer geworden. Das Einzige, was man heraushört, ist, dass Sie die Hürden schon wieder viel, viel höher schrauben. Ich sage es noch einmal: Der Gesetzentwurf, den Sie hier in erster Lesung vorlegen, hat eins zu eins die gleiche Wortwahl wie unserer. Und deswegen wird sich die Frage stellen, ob Sie bereit sind, in der zweiten und dritten Lesung nach der Sommerpause im Deutschen Bundestag – so wie Winfried Kretschmann es fordert, so wie es richtig ist, so wie es gut ist für Deutschland, die Europäische Union und unsere Handelsabkommen mit Kanada – diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Wir werden es jede Woche weiter zur Abstimmung stellen. Wenn man Ihnen zuhört: Ja, es geht auch um die Frage, wie Handelspolitik dann generell in und für Deutschland weitergeht. Man hat ja den Eindruck: Es hat viel politische Kraft gekostet, Sie sind von diesem Kompromiss in der Handelspolitik geradezu erschöpft, zumindest politisch. Die Frage ist nur, wie es danach weitergeht. CETA ist ja nicht der Endpunkt dessen, was gerade nötig ist, auch angesichts der Abhängigkeiten von Russland und China, die wir viel zu stark spüren und auch in der Pandemie gespürt haben. Die Ratifizierung von CETA ist nicht der Endpunkt, sondern der Startpunkt für mehr Handelsabkommen mit anderen Regionen auf der Welt, die für die Europäische Union und für Deutschland wichtig sind. Dafür sprechen drei Gründe. Handel und wirtschaftliche Stärke: Deutschland ist eine Handels-, eine Exportnation. Fast ein Drittel unserer Bruttowertschöpfung und jeder vierte Job in Deutschland hängen vom Handel ab. Und in Ihrem handelspolitischen Eckpunktepapier finde ich weder das Wort „Wachstum“ noch die Worte „Wettbewerb“ noch „Wohlstand“. Man findet allerlei Anforderungen und Hürden, die Sie aufbauen wollen; man findet aber wenig darüber, wofür Handel eigentlich dient. Handel ist dazu da, den Wohlstand der beteiligten Partner zu mehren. Und das ist das eigentliche Ziel, gerade auch für die Handelsnation Deutschland. Es geht um das Verhältnis – aktueller denn je – von Handel und Inflation. Denn Inflation bekämpft man vor allem dadurch, dass man das Angebot weitet. Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Deswegen ist in diesen Zeiten wichtiger denn je, dass wir eben mehr Handel treiben, auch mit anderen Regionen auf der Welt, dass wir das Angebot weiten, es auch für Produkte leichter machen, auf den europäischen Markt zu kommen. Aber das ist der blinde Fleck, das Thema Inflation in Ihrer Ampelpolitik generell. Sie reden viel darüber, wie Sie die Menschen vernünftig entlasten können, vor allem die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen. Aber Sie entscheiden nicht. Es gibt viele Vorschläge, aber wenige Entscheidungen. Sie weiten nicht das Angebot. Und – da sind wir bei dem, was Sie gesagt haben, Herr Audretsch – es geht auch um Geopolitik. Es ist gut, dass die Handelsstrategie auch die Regionen Mercosur, Südamerika, Chile, Mexiko, aber eben auch den indopazifischen Raum, Indien und andere Länder, in den Blick nimmt. Aber etwas sollten Sie in der Lage, in der wir sind und in der die Welt ist, nicht machen, nämlich Handelsabkommen immer weiter mit zusätzlichen Standards und Anforderungen zu befrachten. Es wartet nämlich ein Land darauf, dass wir es immer schwerer machen, zum Partner Europas beim Handel zu werden. Das ist einmal mehr China. China fängt an, mit den südamerikanischen Ländern über Handelsverträge zu verhandeln. Es macht sich immer mehr im indopazifischen Raum mit Handelsverträgen breit. Und Sie werden irgendwann die Entscheidung treffen müssen, ob Sie jedes der Ziele, die in der westlichen Welt Standard geworden sind, in Handelsverträge packen wollen, die eigentlich vor allem zuerst einmal dem Handel dienen sollen, oder ob Sie am Ende zuschauen wollen, wie vor allem China dann immer mehr zum Partner anderer Regionen wird. Diese Frage werden Sie beantworten müssen, und diese Frage werden wir Ihnen notfalls Woche für Woche hier stellen.