Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Union ist ja wohl ein Treppenwitz. Die Situation, die wir jetzt haben, haben Sie zu verantworten, verehrte Union! Die Chuzpe muss man erst mal haben, so einen Antrag vorzulegen. Es ist wahrscheinlich noch nicht allen bewusst: Unsere demografische Entwicklung ist eine schleichende Katastrophe mit Ansage. Unsere demografische Entwicklung hat gravierende Folgen nicht nur für unseren Arbeitsmarkt, sondern für unseren gesellschaftlichen Wohlstand insgesamt. Ohne Maßnahmen, also wenn alles so weiterläuft wie jetzt, wird das Erwerbspersonenpotenzial gemäß IAB in Deutschland bis 2035 von 47 Millionen auf 40 Millionen Menschen sinken. Wir können mit den Maßnahmen, die Ihr Antrag enthält – mehr Frauenerwerbsbeteiligung, mehr Weiterbildung, bessere Berufsorientierung usw. –, diesen Effekt etwas abmildern. Aber selbst bei deutlich erhöhten Erwerbsquoten wird die Zahl der Arbeitskräfte in Deutschland aufgrund der Demografie weiter drastisch zurückgehen. Schauen wir mal ganz konkret auf den Arbeitsmarkt: Seit 2012 hat sich die Zahl der Arbeitslosen pro offener Stelle rechnerisch von rund fünf Personen auf etwas über eine Person konstant reduziert. Wenn das so weitergeht, werden wir bereits im nächsten Jahr mehr offene Stellen als Arbeitslose haben. Es ist völlig klar: Ohne eine deutlich gesteigerte, gezielte Einwanderung in den Arbeitsmarkt geht es nicht; wir bremsen uns sonst volkswirtschaftlich aus. Wir können uns die jährlich in Deutschland fehlenden zusätzlichen 400 000 Menschen netto ja nicht backen. Was ist also die Lösung? Nutzen wir doch jetzt endlich einen dank der Union noch ungehobenen Schatz, nämlich den Schatz der Erkenntnis, dass wir, und zwar schon längst, ein Einwanderungsland sind. Machen wir uns frei von ideologischem Ballast, von dem auch der Antrag der Union zeugt, indem er nämlich das Thema Migration konsequent ignoriert. Die Fortschrittskoalition hat vereinbart, das Einwanderungsrecht um ein Punktesystem zu ergänzen; wir nennen das „Chancenkarte“. Die Chancenkarte ermöglicht Menschen die Einreise zur Stellensuche in Mangelberufen. Die Chancenkarte legt die Entscheidung über die Eignung potenzieller Mitarbeiter vor allem in die Hände künftiger Arbeitgeber. Die Chancenkarte wird strikt bedarfsbezogen ausgestaltet. Arbeitsmarktexperten werden das engmaschig beobachten. Die Chancenkarte ist integrationsorientiert und wird Aspekte wie Sprache – Deutsch und Englisch – sowie praktische Berufserfahrung und berufliche Kompetenzen in den Mittelpunkt rücken. Mit der Chancenkarte werden wir im internationalen Wettbewerb – und in dem stehen wir – um motivierte und talentierte Arbeitskräfte wieder attraktiver. Vollziehen wir endlich auch migrationsrechtlich den Schritt zum Einwanderungsland, das wir schon längst sind. Nutzen wir diese Chance für unser Land! Vielen Dank.