- Bundestagsanalysen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Botschafter! Meine Damen und Herren! Ich war im Jahr 2008 zum ersten Mal in Kroatien. Ich war damals zu Gast im Osten des Landes, in Vinkovci, der Partnerstadt der Stadt Kenzingen in meinem Wahlkreis. Schon 2008 habe ich gerade bei der jungen Generation in Kroatien den Wunsch und den Willen erlebt, nicht nur Teil Europas zu sein, sondern auch Teil der Europäischen Union zu werden. Wir haben damals in unserer Gruppe vereinbart, dass wir, wenn Kroatien der EU beitritt, wieder nach Vinkovci kommen werden, um den EU-Beitritt gemeinsam mit unseren kroatischen Freunden zu feiern. Und so war ich dann in der Nacht zum 1. Juli 2013 wieder dort und habe zum einen die Freude und auch den berechtigten Stolz der Kroaten erlebt, dass sich die Anstrengungen des Landes gelohnt haben, um in die Europäische Union zu kommen. Gleichzeitig war aber auch damals schon klar, dass die Anstrengungen Kroatiens weitergehen würden und das nächste Etappenziel der volle Beitritt des Landes zur Währungsunion und zur Eurozone sein wird.
Heute, fast auf den Tag genau neun Jahre später, hat Kroatien auch diese Anstrengungen gemeistert und die Anforderungen in einem beachtlichen Tempo erfüllt. Das Land erfüllt die Konvergenzkriterien in Sachen Preisstabilität, bei der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und mit stabilen Wechselkursen. Und, meine Damen und Herren, in Anbetracht des dauerhaften Abbaupfades der Verschuldung, in Anbetracht auch der Bemühungen, die Empfehlungen des Moneyval-Prüfberichts umzusetzen, kann und – da bin ich mir sicher – wird Kroatien ein Stabilitätsfaktor und damit eine Bereicherung für die gesamte Eurozone werden.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kroatien erfüllt die Beitrittskriterien zum Euroraum und darf darum stolz sein, ab 2023 der Eurozone vollständig beitreten zu können. Gleichzeitig ist eine solche Erweiterung der Eurozone auf dann 20 Länder ein fundamentaler, ja ein historischer Schritt für den Euroraum. Darum muss eine solche Erweiterung der Eurozone auch Anlass sein, die Zukunft der Währungsunion insgesamt in den Blick zu nehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Diskussion um die Zukunft der Währungsunion ist in vollem Gange. Was mir dabei Sorge macht, ist, dass die Bundesregierung an dieser Diskussion bislang so gut wie überhaupt nicht teilnimmt.
Zur Aussetzung der Schuldenbremse auf europäischer Ebene ab 2023 war keine klare Position der Bundesregierung vernehmbar und ist es bis heute nicht.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vor dem EU-Gipfel in der letzten Sitzungswoche kein Wort zur Zukunft der Währungsunion verloren.
Unglaublich!)
Der Finanzminister hat seine konkreten Vorstellungen, wie es mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt in der zweiten Jahreshälfte weitergehen soll, bislang nicht formuliert, sondern bleibt in seinen Interviewäußerungen maximal vage.
Die Diskussion um die künftigen europäischen Fiskalregeln läuft bislang ohne eine spürbare Beteiligung und ohne einen spürbaren Einfluss Deutschlands. Stattdessen sind es die Europäische Kommission und andere Mitgliedstaaten, die mit sehr konkreten Vorschlägen die Debatte um die Zukunft von Stabipakt und Währungsunion prägen. Meine Damen und Herren, diese Passivität kann und darf nicht der Anspruch, diese Passivität kann und darf nicht die Rolle sein, die Deutschland in der Diskussion darüber spielt, wie es mit der Währungsunion weitergeht.
Beifall bei der CDU/CSU
Sehr richtig!)
Darum: Verstecken Sie sich nicht weiter hinter der Europäischen Kommission, sondern sagen Sie uns und unseren europäischen Partnern, ob Sie die Aussetzung der europäischen Schuldenregeln auch in 2023 begrüßen oder nicht, ob Ihre Koalition an den Maastricht-Kriterien dauerhaft festhalten will oder nicht, ob Sie an der Definition des strukturellen Defizits, wie es jetzt ist, festhalten wollen oder ob Sie zusätzliche Verschuldung erlauben wollen. Andere Mitgliedstaaten machen das längst und prägen so die Debatte. Es wird allerhöchste Zeit, dass die Bundesregierung mit dem Fokus auf finanzielle Stabilität diese Debatte spürbar und auch hörbar mitprägt.
Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie konkrete Vorschläge machen, die auf Stabilität und Solidität in Europa setzen, dann haben Sie uns an Ihrer Seite. Meine Befürchtung ist aber gerade, dass Sie durch das Vagebleiben, das Verzögern, das Verstecken Ihrer Position in Wahrheit nicht nur die deutsche, sondern perspektivisch auch die europäische Schuldenbremse verwässern möchten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Währungsunion ist bei allen Schwierigkeiten und Schwächen, die wir in den letzten Jahren diskutiert haben, ein, wenn nicht eines der größten Erfolgsprojekte Europas.
Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
Darum sind die Reformdiskussionen zur Währungsunion so zentral für die Zukunft Europas. Gerade dann, wenn der Euroraum ab 2023 um ein wertvolles Mitglied reicher sein wird. Ich bin mir sicher: Mit Kroatien bekommt die Währungsunion ein neues Vollmitglied, das den Euro ökonomisch bereichern wird und das das Ziel einer stabilitätsorientierten Währungsunion teilt und unterstützt. Nehmen Sie darum den historischen Schritt der Euroeinführung Kroatiens zum Anlass, endlich auch in die Debatte einzusteigen, wie wir die Währungsunion stabilitätsorientiert weiterentwickeln. Die ganze Eurozone und heute ganz besonders Kroatien haben das verdient.
Vielen Dank.
Beifall bei der CDU/CSU
Sehr gut!)
Vielen Dank, Herr Kollege Bury. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Josip Juratovic, SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)