Meine Damen und Herren, ich will Ihnen nur zwei sehr konkrete Punkte sagen: Dass Sie das Prinzip „Fördern und Fordern“ aufgegeben haben und nur noch fördern und nicht mehr fordern, zeigen die Arbeitsmarktdaten, die wir hier vor uns liegen haben. Erstens. Es war ein schwerer arbeitsmarktpolitischer Fehler Ihrer Koalition, auf die letzten Elemente der großen Arbeitsmarktreformen der 80er- und 90er-Jahre bis hin zu denen der Regierung von Gerhard Schröder zu verzichten. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Land steuert möglicherweise auf die schwerste Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland zu. Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, um mit der Bundesregierung über die Folgen und über politische Schlussfolgerungen daraus zu diskutieren. Auf der Regierungsbank sitzt nicht ein einziges Mitglied der Bundesregierung, und auch der Bundeskanzler hält es nicht für nötig, an dieser Diskussion teilzunehmen. Ich will hier einmal feststellen: Das ist eine wirklich grobe Missachtung des Deutschen Bundestages, und das dokumentiert zugleich ein wirklich atemberaubendes Desinteresse an den Sorgen der Menschen in unserem Land. Das ist unfassbar. Wir sehen im Augenblick alle Vorzeichen für diese ernsthafte Wirtschaftskrise. Lassen Sie mich nur einige wenige nennen: Neben der Energieversorgung, die uns noch an anderer Stelle in dieser Woche beschäftigen wird, haben wir zurzeit die höchste Inflationsrate seit 30 Jahren. Wir sehen eine Handelsbilanz, die für Deutschland immer positiv war mit großen Handelsbilanzüberschüssen, erstmalig in der Geschichte der letzten Jahrzehnte ins Negative kippen mit der Folge, dass wir in Deutschland mehr Importe haben werden als Exporte. So etwas hat es lange nicht gegeben. Der Euro verliert beständig an Wert – wir liegen mittlerweile auf einem Tiefpunkt gegenüber dem US-Dollar –, und dies hat etwas mit Wirtschaftspolitik, mit Finanzpolitik, mit Währungspolitik der letzten Jahre zu tun, was auch diese Bundesregierung heute zu verantworten hat, meine Damen und Herren. Ferner beklagen wir einen hohen Facharbeitermangel in Deutschland, und die deutsche Wirtschaft verliert international zugleich beständig an Wert und Wettbewerbsfähigkeit. – So, und jetzt habe ich genau auf diesen Zwischenruf gewartet, meine Damen und Herren. Das ist ja das Mantra, das vermutlich auch alle nachfolgenden Redner hier zum Ausdruck bringen werden. Wir haben in Deutschland 2,4 Millionen Arbeitslose. Wir haben immer noch 260 000 Menschen in Kurzarbeit, und Sie in dieser Koalition sind nicht in der Lage, den Facharbeitermangel zu beheben. Das ist Ihre Verantwortung und hat mit 16 Jahren vorher rein gar nichts zu tun. Ich nenne Ihnen einen zweiten Grund. Wir diskutieren in Deutschland seit Jahren über eine notwendige große Unternehmensteuerreform. In diesen Tagen konnten wir lesen, dass unter den 100 größten Unternehmen der Welt kein einziges deutsches Unternehmen mehr vertreten ist. Sie auf der linken Seite dieses Hauses sind von Sachverständigen, von Fachleuten aus den Unternehmen selbst seit Jahren auf die Gefahren hingewiesen worden, die insbesondere mit unserer Arbeitsmarktpolitik und die insbesondere mit der Steuerpolitik dieses Landes verbunden sind. Sie haben es hartnäckig ignoriert. Sie weigern sich bis zum heutigen Tag, dem Gedanken nahezutreten, den Solidaritätszuschlag auch für die Kapitalgesellschaften und für die Personengesellschaften aufzugeben. Das sind allein 10 Milliarden Euro jährliche Zusatzbelastung für deutsche Unternehmen und damit für Arbeitsplätze in Deutschland – jedes Jahr! Sie weigern sich hartnäckig in dieser Koalition, über eine Unternehmensteuerreform nachzudenken. Wir sind ein Hochsteuerland. Wir sind ein Land mit hohen Bürokratiekosten. Wir sind ein Land mit sehr hohen Sozialkosten. Das ist alles in Ordnung; aber jetzt droht die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen endgültig verloren zu gehen. Sie haben keine Antworten auf diese Fragen. Sie machen eine Konzertierte Aktion mit dem Bundeskanzler, die genauso ausgehen wird wie die letzten Konzertierten Aktionen: Sie dauern Jahre, sie sind endlose Gesprächsrunden, sie sind ein Alibi dafür, dass Sie keine Reformen in diesem Lande durchsetzen wollen, und Sie werden in wenigen Jahren – spätestens – mit der bitteren Wahrheit konfrontiert sein, dass diese unterlassenen Reformen und Veränderungen dieses Jahres nicht durch runde Tische zu beseitigen sind, sondern nur durch aktives Handeln in der Wirtschaftspolitik, in der Finanzpolitik und in der Arbeitsmarktpolitik. Und hören Sie auf, über 16 Jahre zu reden! Dieser Befund heute ist Ihre Herausforderung, und wenn es so bleibt, meine Damen und Herren, dann ist es allein Ihre Verantwortung, die Sie dafür in Deutschland zu tragen haben. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.