Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Im Dezember 2017 stand die angeklagte Ärztin Kristina Hänel auf der Wiese draußen vor dem Bundestag und übergab uns Abgeordneten eine Petition mit über 150 000 Unterschriften verbunden mit der Forderung, § 219a StGB zu streichen. Sie und etliche Ärztinnen und Ärzte wurden jahrelang immer und immer wieder von Abtreibungsgegnerinnen und ‑gegnern verklagt, und zwar deswegen, weil sie ungewollt schwangere Patientinnen sachlich über Schwangerschaftsabbrüche informierten. Viereinhalb Jahre und einen Regierungswechsel später lösen wir Grüne, SPD und FDP zusammen mit den Linken heute ein, worauf sehr viele warten. Wir streichen den Strafrechtsparagrafen 219a, und zwar ersatzlos. Schluss mit der Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten, die wie Verbrecher/-innen vor Gericht stehen mussten! Schluss damit, dass Frauen der Zugang zu direkten ärztlichen Informationen aus erster Hand verwehrt wird! Sie haben nämlich ein Recht darauf. Kolleginnen und Kollegen, die Streichung des § 219a schafft Rechtssicherheit für Mediziner und Medizinerinnen und stärkt die Selbstbestimmung von Frauen. Das ist überfällig und sehr richtig. Dafür so lange zu kämpfen – das sage ich sehr klar –, wäre ohne den Mut der Ärztinnen und Ärzte und ohne starke Bündnisse nicht gegangen. Wir sagen Dank euch allen, stellvertretend an Kristina Hänel, an Nora Szasz, an Natascha Nicklaus, an Bettina Gaber, an Kersten Artus, an das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, an die Medical Students and Doctors for Choice, an Alicia Baier. Danke auch dem AKF, den vielen Juristinnen und Juristen, dem djb und den Beratungsstellen. Das ist auch euer Erfolg! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Mehrheit der Menschen in unserem Land befürwortet die Streichung von § 219a. Er ist ein Symbol auch für die Selbstbestimmung von Frauen geworden. Selbst bei den Gerichtsverhandlungen in Gießen und in Kassel, bei denen ich dabei war, haderten Richter/-innen mit der Verurteilung nach § 219a. Mir ist über die ganzen Jahre in vielen Auseinandersetzungen hier im Bundestag eines sehr klar geworden: Sie von der Union fahren bei § 219a und auch bei § 218 einen gefährlichen Kurs. Sie schüren Misstrauen gegenüber Ärztinnen und Ärzten. Sie misstrauen Frauen. Einer Ärztin in die Ausübung ihres Berufes reinzureden, weil sie Abtreibungen vornimmt, ist falsch. Einer ungewollt Schwangeren ihre Selbstbestimmung abzusprechen, als wäre das normal, ist und bleibt falsch. Zu unterstellen, dass Frauen leichtfertig mit der Entscheidung gegen eine Schwangerschaft umgehen, ist falsch. Sie als leicht beeinflussbar abzustempeln – und das machen Sie immer wieder –: Was ist das bitte für ein fatales Bild, das Sie immer und immer wieder von Frauen beschreiben? In einer Anhörung 2018 habe ich eine Sachverständige der katholischen Kirche gefragt, welchen Unterschied es für eine Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch macht, ausmache, wo dieser gesetzlich geregelt sei. Sie antwortete, er müsse auch deswegen im Strafgesetzbuch geregelt bleiben, damit eine Frau sich schuldig fühlt. Genau deswegen ist das Signal heute so wichtig. Die Streichung von § 219a bricht mit einem Tabu. Die Botschaft ist: Wir trauen Frauen, wir trauen Ärztinnen und Ärzten. Darum geht es in einem Staat, der Menschen befähigt, die Versorgung ungewollt Schwangerer als gute Gesundheitsversorgung wertzuschätzen; das ist zeitgemäß. Aber, Kolleginnen und Kollegen, angesichts des drastischen Rückgangs von über 50 Prozent Ärztinnen und Ärzten, die Abbrüche durchführen können, müssen wir die Versorgungssicherheit von Frauen verbessern. Ein Schwangerschaftsabbruch gehört nicht ins Strafgesetzbuch. Ungewollt Schwangere brauchen eine gute Versorgung – überall im Land. Was sie nicht brauchen, sind Schuldgefühle. Heute ist ein guter Anfang.