Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich habe ich gedacht, wir sprechen heute über § 219a und nicht über § 218. Aber anscheinend habe ich das falsch verstanden. Ich möchte auch festhalten: Es ist heute kein großartiger Tag für alle Frauen. Ich weise das von mir. Wenn wir über die Abschaffung des § 219a sprechen und damit über die Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche, dann gilt es im Auge zu behalten: Wir haben im Kern immer zwei Rechtssubjekte, die in diesem Fall konkurrieren; beide sind von der Verfassung geschützt. Das ist einerseits die schwangere Frau mit ihrem Recht auf Selbstbestimmung, und das ist andererseits das ungeborene Kind, das noch nicht für sich selbst sprechen kann, mit seinem Recht auf Leben. Auch das hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt. Diese Rechte gilt es zu achten, und die Schutzbedürftigkeit ist gegeneinander abzuwägen. Weder darf der Schutz des ungeborenen Lebens völlig negiert noch das Selbstbestimmungsrecht der Frau in einer Ausnahmesituation verneint werden. § 219a ist Teil der bestehenden und durch das Bundesverfassungsgericht bestätigten Lösung bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs. Es ist Teil eines hart errungenen Kompromisses, der auch zur Befriedung des gesellschaftlichen Konflikts rund um das Thema beigetragen hat. Des Weiteren schafft § 219a Rechtssicherheit. Er regelt nämlich ganz klar, welche Informationen zu einem Schwangerschaftsabbruch gegeben werden dürfen. Wir sind daher der Meinung, dass Verbesserungen der derzeitigen Rechtslage – und die stellen wir nicht in Abrede – nur innerhalb der bestehenden Regelung erfolgen können. Ein Argument für die Streichung des Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch, das die Ampel immer bringt, ist, dass dies den Ärztinnen und Ärzten Rechtssicherheit gibt und Ärztinnen und Ärzte würden mehr Schwangerschaftsabbrüche vornehmen mit dieser Streichung. Ich sage Ihnen: Genau das Gegenteil ist der Fall. Entgegen der ursprünglichen Pläne, § 219a komplett zu streichen, wird die Regelung nun ins Heilmittelwerbegesetz aufgenommen. Es macht den Eindruck, als hätten Sie im letzten Moment kalte Füße bekommen und Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der ersatzlosen Streichung. Mit der Aufnahme in das Heilmittelwerbegesetz wollen Sie nach den Anmerkungen im Gesetzentwurf verhindern, dass in Zukunft „unsachliche oder gar anpreisende Werbung“ betrieben wird. Das Gesetz selbst verwendet aber nur den Begriff der „irreführenden Werbung“. Können Sie mir vielleicht verraten, was unter dem Begriff „irreführend“ zu verstehen ist? Welche Informationen können Ärztinnen und Ärzte denn in Zukunft rechtssicher geben und veröffentlichen? Ich gehe davon aus, dass Sie mir keine Antwort darauf geben können. Sie verweisen also auf einen unbestimmten Rechtsbegriff, und über die genaue Auslegung, also darüber, was angemessene Aussagen und Informationen zum Schwangerschaftsabbruch sind, werden wohl die Gerichte entscheiden müssen. Ich wage die Prognose, dass wir dann wieder an dieser Stelle stehen, die gleiche Diskussion führen und Sie die komplette Streichung dieses neuen Paragrafen fordern werden. Rechtssicherheit, meine Damen und Herren, sieht anders aus. Darüber hinaus sieht das Heilmittelwerbegesetz bei einem Verstoß gegen die irreführende Werbung eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor. Ihr Ziel, die Ärztinnen und Ärzte vor dem Strafrecht zu schützen, haben Sie damit also nicht erreicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampelkoalition, wie viele Ihrer anderen Gesetzesvorhaben stellt sich der vorliegende Entwurf als ein ideologisch getriebenes und schlecht durchdachtes Stückwerk dar. Wenn ein Tankrabatt fehlschlägt, weil Sie die Auswirkungen Ihrer Gesetzentwürfe nicht bis zum Ende bedenken, dann ist das ärgerlich, verbrennt im schlimmsten Fall aber „nur“ viel Steuergeld. Aber im vorliegenden Fall experimentieren Sie mit einem höchst sensiblen Thema, das auch in der Gesellschaft sehr kontrovers gesehen wird, und riskieren, dass die alten Gräben wieder aufreißen. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, wie Sie das gerne hätten. Da will jede Gesetzesänderung wohlüberlegt sein, da sollte Ideologie niemals Vorrang vor Vernunft haben. Und vor allem sollte die neue Regelung mehr Rechtssicherheit schaffen als die vorherige. Stimmen Sie für einen verantwortungsvollen Rechtsrahmen zur Abwägung der Interessen der schwangeren Frauen und des Embryos, für Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte und für ein verbessertes Informationsangebot. Stimmen Sie unserem Antrag auf Änderung des § 219a zu! Danke schön.