Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der ersten Lesung hatten wir schnell Gewissheit, dass das Werbeverbot für Abtreibung nur aufgehoben werden soll, um das Verbot der Abtreibung selbst infrage stellen zu können. Nach feministischen Phrasen wie der, dass man Frauen die Hoheit über ihren Körper zurückgebe, hat es Familienministerin Paus unverblümt ausgesprochen – Zitat –: Im Klartext: grundsätzliche Straflosigkeit für alle Abtreibungen. Ohne Not zerstört die Koalition einen für viele Menschen ohnehin nur schwer erträglichen Kompromiss; denn angesichts von rund 100 000 offiziell gemeldeten Schwangerschaftsabbrüchen pro Jahr stellt sich doch allenfalls die Frage, wie das Lebensschutzkonzept verbessert werden kann, und nicht die, wie man es zerschlägt. Wenn klar ist, dass die Aufhebung des § 219a nur ein Vorwand ist, dann versteht man plötzlich den Sinn dieser Debatte, bei der es gerade nicht um Aspekte wie Rechtssicherheit, Informations- oder Beratungsdefizite oder eine eingeschränkte Versorgung geht. Das ist nur Ihr Vorwand. Bei der Anhörung im Ausschuss hat mich die Sachverständige Frau Professorin Angela Köninger beeindruckt: einerseits Lehrstuhlinhaberin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, andererseits Direktorin eines Perinatalzentrums mit über 3 500 Geburten pro Jahr. Sie hat überzeugend dargelegt, dass es eben gerade kein Informationsdefizit gibt, vielmehr ein Wegfall von § 219a ein Dammbruch wäre. Und sie hat auch erklärt, warum viele Ärzte keine Abtreibungen durchführen: nicht aus Angst vor dem Strafrecht, sondern weil es ihnen schwerfällt, gesunde und lebensfähige Kinder im Mutterleib zu töten, während sie in anderen Fällen darum kämpfen, Kinder zu retten, die gerade einmal 300 Gramm wiegen. In rechtlicher Hinsicht gibt es zunächst keinen verfassungsrechtlichen Handlungsbedarf. Möglich wäre es, den Anwendungsbereich einzuschränken, nicht aber die Vorschrift völlig aufzuheben, weil der Gesetzentwurf zu einem unauflösbaren Wertungswiderspruch führt. Es gibt außerdem auch einen Zusammenhang zwischen Werbeverbot und Beratungskonzept; denn dieses ergebnisoffene, aber auf das Leben gerichtete Beratungskonzept wird durch den Wegfall des Werbeverbots unterminiert. Richtig ist, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung § 219a nicht erwähnt hat. Der Grund liegt jedoch darin, dass diese Vorschrift auch nicht Gegenstand des Verfahrens war. Es handelt sich auch nicht um ein kontaminiertes Relikt aus der NS-Zeit; denn anderenfalls hätte 1976 die sozialliberale Koalition diese Vorschrift bei der Verschiebung von damals § 219a zu § 219b wohl kaum mit nur geringfügigen Änderungen inhaltlich aufrechterhalten. Aber es braucht dieses Märchen, um die Aufhebung aller hierzu ergangenen Urteile scheinbar zu rechtfertigen, in Wahrheit aber die Gewaltenteilung in verfassungswidriger Weise zu durchbrechen. Zum Recht der Frau auf sexuelle Selbstbestimmung gehört auch, eigenverantwortlich Sorge dafür zu tragen, dass sie nicht schwanger wird, wenn sie das nicht will. Aber das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung in dieser Diskussion als Rechtfertigung für die vorsätzliche Tötung gesunden, ungeborenen Lebens heranzuziehen, macht deutlich, dass für Sie der Schutz des ungeborenen Lebens überhaupt keinen Stellenwert hat. Niemals hat Deutschland eine Willkommenskultur für ungeborene Kinder dringender gebraucht als unter dieser Regierung. Vielen Dank.