Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat auf der Kabinettsklausur in Meseberg die Neugestaltung der Erinnerungspolitik zu ihrem zentralen Vorhaben erklärt. Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat das Konzept für ein neues Dokumentationszentrum „Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“ vorgelegt. Ich finde spannend, dass das von einschlägigen Wissenschaftlern öffentlich noch nicht so kommentiert wurde, wie ich es damals erwartet hätte. Deshalb ist es vielleicht auch kein Zufall, wenn die „FAZ“ heute in einem Beitrag dazu ein Fragezeichen hinter das Zentrum in der Überschrift setzt und es auch um das Austarieren von zwei Sollbruchstellen geht. Als die Errichtung des Zentrums beschlossen wurde, war die Situation eine andere als jetzt. In der Tat steht die deutsche Erinnerungskultur vor einem Neuanfang. Denn es stellt sich schon die Frage: Wie begehen wir ein Kriegsende, wenn mitten in Europa wieder Krieg herrscht? Wie gehen wir damit um, wenn die Geschichte des Zweiten Weltkrieges von Russland für die Legitimierung des Ukrainekrieges missbraucht wird? Wir sehen, dass die Auswirkungen und die Folgen des Zweiten Weltkriegs Europa bis heute sehr stark prägen. Es gibt immer noch Themen, die vernachlässigt oder verdrängt worden sind, wie beispielsweise das Schicksal und die Geschichte der Kriegsgefangenen. Laut der aktuellen Ausgabe von „Spiegel Geschichte“ sagt immer noch ein Großteil der Deutschen in einer Umfrage, dass sie einen Vater, Großvater oder Urgroßvater haben, der selbst Kriegsgefangenschaft erlebt hat, mich eingeschlossen. Deswegen soll in Berlin im Sinne eines strategischen Überbaus eine Begegnungs- und Bildungsstätte zur Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges errichtet werden. Das haben wir beschlossen. Aber die Frage, die sich mir, die sich uns stellt, ist: Wie machen wir es richtig? Wie knöpfen wir von Beginn an die Jacke richtig ein, damit wir keinen historischen Fehler machen? Es ist eine einmalige Chance bei einem Projekt dieser Dimension, von Anfang an darauf zu achten, nicht sehenden Auges irgendwo reinzulaufen, was danach vielleicht nicht mehr eingefangen werden kann. Dieses Zentrum soll Raum sein, Raum geben, Raum spenden für ein würdiges Gedenken. Das war auch die Intention des Beschlusses des Deutschen Bundestages im Oktober 2020. Ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass – erstens – die Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs einen umfassenden Ansatz haben muss, dass – zweitens – Erinnerung nicht nationalisiert und vor allen Dingen nicht fragmentiert werden darf und dass wir – drittens – darauf achten müssen, dass keine Parallelstrukturen entstehen. Wir müssen genau hinschauen, wo Aufarbeitung schon ausreichend stattgefunden hat, aber auch, wo es noch Orte des Erinnerns bedarf. Frau Roth, Sie haben in Meseberg auch betont – ich darf Sie zitieren – : Ich habe im Konzept nachgeschaut, wo der europäische Zusammenhang und die gemeinsame Erinnerung vorkommen. Von den 65 Seiten bin ich auf maximal 3 Seiten fündig geworden. Die Dauerausstellung richtet den Fokus vor allem auf Gewaltphänomene der deutschen Besatzungsherrschaft. Die besetzten Länder Europas kommen als eigenes Thema gar nicht vor; sie werden nur in der Einführung auf den Seiten 8/9 erwähnt. Auf Seite 42 steht, dass der richtige Ort für zeremonielles Gedenken an den historischen Leidensorten in Deutschland und Europa gesehen wird. Der Bundestag hat aber gefordert, den Nachkommen der Opfer – Zitat – Raum für Gedenken und Erinnerung im Dokumentationszentrum zu geben. Ich finde wichtig, das zu betonen. Wenn ich zusammenfassen darf: Ich bin der festen Überzeugung: Das, was hier konzeptionell vorliegt, ist noch nicht genau das, was wir uns beim Einsetzungsbeschluss vorgestellt haben. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie am Schluss Ihrer Rede gesagt haben, Sie freuen sich auf den Dialog. Den würde ich mir nämlich wirklich wünschen. Denn wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sehen noch intensiven Beratungsbedarf. Ich würde mir wünschen, ohne Analogien zu wählen zu Vorgängen, die wir gerade im Moment erleben, dass wir nicht noch mal Fehler machen und dass wir nicht sehenden Auges in ein Konzept reingehen, in eine Umsetzung reingehen, über die wir später sagen: Das war nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben. Denn bei einem Projekt von dieser Dimension – nicht nur, was die Millionen oder die Quadratmeter oder die Mitarbeiter betrifft, sondern hier geht es um Erinnerungskultur – dürfen wir wirklich von Anfang an keine Fehler machen. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion stehen bereit. Wir sagen: Wir wollen daran mitarbeiten, dass das Ergebnis genau so ist, wie wir alle es uns 2020 vorgestellt haben. Vielen Dank.