Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Das ist heute wirklich ein guter Tag für Deutschland. Wir haben heute früh mit der Bildung begonnen – wir haben die 27. Novelle des BAföG beschlossen –, und wir sind zum Abend hin wieder beim Thema Bildung, und zwar bei der beruflichen Bildung. Wir haben heute früh sehr oft den Satz gehört: Die akademische Ausbildung ist der beruflichen Ausbildung gleichgestellt. – Ich frage mich immer wieder: Ist das wirklich so? Können wir das in Deutschland so sagen? Ich glaube, angesichts der aktuell niedrigen Zahlen von neuen Ausbildungsverträgen, des Fachkräftemangels in einigen Bereichen und leider auch der zunehmenden gesellschaftlichen Geringschätzung für Lehrberufe kann der Satz nicht uneingeschränkt bestätigt werden. Neue Einflussfaktoren wie die Unsicherheiten durch gestörte Lieferketten, Betriebsschließungen aufgrund der Pandemie sowie konjunkturelle Unsicherheiten und Auswirkungen unter anderem durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine stellen und stellten das duale Ausbildungssystem vor neue Herausforderungen. Daher ist es gut, dass wir heute im Bundestag über den Stand der beruflichen Ausbildung und Bildung diskutieren. Über 400 Empfehlungen hat die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ im Abschlussbericht im vergangenen Jahr vorgelegt. Wenn ich in den Koalitionsvertrag der Ampel blicke, sehe ich den starken Willen, ein klares Signal an das Land zu senden: Wir updaten die berufliche Bildung und schaffen moderne, attraktive Ausbildungsmöglichkeiten. Denn sie sind die unverzichtbare Grundlage für die Sicherung des Fachkräftenachwuchses, für den Wettbewerb der deutschen Wirtschaft und damit für die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft. Das arbeitsmarkt- und bildungspolitische Ziel der Ampelkoalition ist es, Entwicklungsimpulse zu setzen und individuelle Ausbildungs- und Arbeitschancen zu eröffnen. Wir müssen die Frage beantworten: Kann man mit einer beruflichen Ausbildung in Deutschland gut leben? Denn die Antwort auf diese Frage ist möglicherweise auch die Antwort auf die Frage, warum sich immer weniger Menschen in den vergangenen Jahren für einen Ausbildungsberuf entschieden haben. Fragt man Handwerker oder Facharbeiter, sagen die einem: „Ja, man kann. Das ist möglich“, doch der gesamtgesellschaftliche Eindruck erzeugt eine andere Wahrnehmung. Ich war in der vergangenen Woche auf Einladung des QualifizierungsCentrums der Wirtschaft in Eisenhüttenstadt, einer Stadt in Brandenburg. In einer Expertenrunde aus Bildung und Unternehmen beschrieb man die aktuelle Entwicklung Brandenburgs. Doch bevor man in die Einzelbetrachtung einstieg, forderte man von mir eine Kampagne zur gesellschaftlichen Anerkennung der Lehrberufe. Wenn ich sage „von mir“, meinte man natürlich den Bundestag und die Bundesregierung. Zwar wissen wir alle, auch die Menschen vor Ort, dass es nicht mit einer Vorgabe der Regierung getan ist, doch es muss für uns Parlamentarier – sowohl im Bund als auch im Land – eine Selbstverpflichtung sein: Wenn wir etwas für das Hochschulstudium tun, müssen wir auch die berufliche Bildung immer mit im Blick haben. Diese klare und unmissverständliche Linie brauchen wir heute, und die Ampelkoalition macht damit den Anfang. Zurück nach Eisenhüttenstadt. Hier fördert die Bundesregierung über InnoVET – den Innovationswettbewerb für exzellente berufliche Bildung – die Schaffung einer Modellregion Ostbrandenburgs für neue Bildungswege, die individuelle Fachkarrieren ermöglichen und mit einem Studium auf Augenhöhe sind. Es geht darum, Karrieremöglichkeiten der beruflichen Bildung sichtbar zu machen und über neue Kooperationsformen Ausbildungen attraktiver auszugestalten. 17 Projekte werden bundesweit finanziert, um ein neues vernetztes Denken und Arbeiten in der beruflichen Bildung zu fördern und Hands-on-Ergebnisse vorweisen zu können. Wir werden dieses Programm weiter ausbauen. Ostbrandenburg setzt aber auch auf die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung, die im kommenden Jahr eine noch stärkere Wirkung erzeugen muss. Über den DigitalPakt hinaus müssen Länder und Sozialpartner Modelle finden, um Berufsschulen zu modernisieren und mit digitalen Angeboten die Lehre flexibler zu gestalten. Das ist ein wichtiger Baustein, um die duale Ausbildung in der Fläche attraktiver zu machen. Das ist, glaube ich, ein großes Problem; denn wir müssen die regionalen Unterschiede auf dem Ausbildungsmarkt berücksichtigen. Strukturschwache Regionen wollen wir von der Koalition stärken. Ein wichtiges Feld dabei ist die Berufsorientierung an Schulen. Die Länder müssen ihren Fokus schärfen und dürfen sich nicht, wie es in Brandenburg passiert, aus der Finanzierung zurückziehen und sich auf die Gelder der Bundesagentur verlassen. Das ist ein falsches Signal. Zum Abschluss möchte ich noch auf ein Potenzial hinweisen, das wir noch nicht genügend nutzen. Ich spreche von den Menschen, die ohne Berufsabschluss, ohne ausreichende Grundbildung im Erwerbsleben stehen, denen aber beruflicher Aufstieg verwehrt wird. Diese Ungelernten sind meist Menschen ohne Schulabschluss, Menschen mit eigener Migrationserfahrung, mit Migrationshintergrund, Menschen, die zum Teil funktionale Analphabeten sind. Sie verdienen ihren Unterhalt durch eine harte Arbeit. Jawohl. – Diese Menschen gilt es besonders zu fördern. Das sollten wir uns zur Aufgabe machen. Ich kann nur immer wieder sagen: Jede Diskussion zur beruflichen Bildung ist eine gute Diskussion. Deshalb ist das heute ein guter Tag. Danke.