Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schrodi, Sie haben gerade gesagt, Sie wollten gezielt entlasten. Was Sie gemacht haben, ist eine 300-Euro-Pauschale für fast jeden, nur für Rentnerinnen und Rentner nicht, für Eltern in Elternzeit nicht, für Studentinnen und Studenten nicht. Was Sie gemacht haben, ist ein 9‑Euro-Ticket – übrigens das Superspreading-Event dieser Wochen – für drei Monate in der Sommerzeit. Da geht es eher um Urlaub als um Arbeit. Die Pendler, die bei uns daheim im ländlichen Raum mit dem Auto zur Arbeit fahren, und diejenigen, die nach dem Urlaub wieder mit Bahn und Bus fahren müssen, haben davon gar nichts. Sie haben mit der Gießkanne entlastet. Sie haben sich damit selbst Frieden in der Koalition geschaffen. Den Menschen geholfen haben Sie mit viel Geld nicht; das muss man schon nach wenigen Tagen konstatieren. Weil Sie gerade gesagt haben, man solle umsichtig, vorsichtig kommunizieren: In den letzten Tagen haben wir viele Vorschläge gehört – aus jeder der Regierungsfraktionen mindestens drei –, wie man richtig entlastet. Gestern Abend tagte der Koalitionsausschuss. Alle erwarten, dass in diesen Zeiten höchster Inflation endlich eine Entlastung kommt, dass es zusätzliche Maßnahmen gibt. Übrigens: Das ist die vorletzte Sitzungswoche vor der Sommerpause. Wenn Sie den Menschen noch zeitnah eine Entlastung geben wollen, dann müssen Sie eigentlich jetzt, in dieser Woche, gesetzgeberisch damit beginnen, anstatt hier Reden darüber zu halten, was man angeblich alles erreicht hat. Das war Gießkanne. Bei keinem ist richtig was angekommen. Wir hätten erwartet, dass wir diese Woche mal konkrete Vorschläge bekommen, wie Sie in der Breite, in der Tiefe entlasten wollen, etwa über eine Senkung der Stromsteuer, über den Abbau der kalten Progression. Sie reden nur; viele Vorschläge, viel durcheinander. Wir machen einen konkreten Vorschlag, was nötig ist, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Ich will auch zur aktuellen Lage etwas sagen. Die Energiepreise haben Anteil an dieser Inflation. Der Bundeswirtschaftsminister hat gerade bezogen auf die Gasversorgung in Deutschland – das hat Auswirkungen auf die Preise und die Inflation – die Alarmstufe ausgerufen. Ich will sagen, dass das natürlich grundsätzlich richtig ist, wenn die Lage nach Einschätzung der Bundesregierung das notwendig macht. Wir haben die Änderungen des Energiesicherungsgesetzes teilweise auch mitgetragen, weil wir mit dem Überfall Putins auf die Ukraine hinsichtlich der Energieversorgung in einer Krisenzeit ungeahnten Ausmaßes sind. Deswegen gibt es – ja – in solch einer Krisenzeit einen Vertrauensvorschuss für und in die Regierung. Aber wir haben auch Fragen. Robert Habeck hat noch am 31. März gesagt: Wir sind auf alles, was Putin tun könnte, gut vorbereitet. – Noch vor sechs Wochen hat er gesagt: Wir haben uns auf alles vorbereitet. – Nun ist übers Wochenende plötzlich Alarm. Nun heißt es: Der Winter kommt. – Das war vor sechs Wochen auch schon bekannt. Wir haben schon die Frage: Was ist passiert, dass wir vor sechs Wochen vorbereitet waren und es jetzt nicht mehr sind? Wir haben die Frage, warum Sie nicht früher die Kohlekraftwerke mehr genutzt haben, um die Gaskraftwerke herunterzufahren. Wir haben das schon im März gefordert. Im März haben Sie alle noch gelacht, als ich das hier gefordert habe. Hätten Sie im März damit begonnen, wären die Gasspeicher heute voller. Wir haben die Frage, warum Sie nicht früher begonnen haben – auch diesen Vorschlag haben wir schon im März gemacht –, für die Industrie und die privaten Haushalte Anreize zu setzen, Gas zu sparen. Nicht Frieren per Gesetz, sondern den Anreiz setzen, Gas einzusparen, wäre der richtige Weg. Wir haben die Frage, warum Sie in einer solchen Alarmsituation, Notlage, Krisenlage bestimmte Maßnahmen von vornherein ausschließen. Der Bundeswirtschaftsminister hat heute Morgen die Alarmstufe beim Gas ausgerufen, aber gleichzeitig sagt Jürgen Trittin: Erdgasförderung in der Nordsee – 60 Milliarden Kubikmeter Gas – kommt auf gar keinen Fall infrage; das brauchen wir nicht. Sie sprechen von einer Notlage, aber den Streckbetrieb – wir reden hier gar nicht von fünf oder neun Jahren; reden wir einfach über drei, vier Monate Streckbetrieb –, also die Kernkraftwerke jetzt etwas weniger und im Winter mehr zu nutzen – das ist technisch einfach möglich –, schließen Sie aus. Sie sprechen richtigerweise von einer Notlage, schließen aber von vornherein bestimmte Maßnahmen aus. Das passt nicht zusammen. – Soll ich Ihnen was sagen, Herr Kurth? Es ist mir egal, was EON und RWE davon halten, weil EON und RWE alles nur durch ihre unternehmerische Brille betrachten. Natürlich wollen die das nicht, weil es ihre Unternehmensplanungen stört. Mir ist es egal, was die Unternehmen wollen. Ich will das, was richtig ist für die Versorgungssicherheit in Deutschland. Deswegen geht es auch darum, bei den Kernkraftwerken über den Streckbetrieb zu reden. Ich habe noch eine Frage zum Umgang miteinander. Ich habe gerade gesagt: Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. – Wir haben sie übrigens in der Gesetzgebung an verschiedenen Stellen übernommen, gerade auch bei der Frage der Energiesicherheit. Aber ich finde es zumindest mal eine Frage wert, warum fast parallel zu dieser Debatte im Deutschen Bundestag Journalisten in einer Pressekonferenz informiert werden, aber der Deutsche Bundestag, der sich hier auch mit Fragen im Bereich „Wirtschaft und Energie“ beschäftigt, nicht informiert wird und das Ganze im Fernsehen verfolgen darf. Sorry, auch das passt nicht zusammen. Sie, Grüne und FDP, waren es, die die letzten Jahre – manchmal vielleicht sogar zu Recht – immer wieder gesagt haben: Hier im Deutschen Bundestag spielt die Musik; hier müssen die Debatten stattfinden. – Ja, die Kommunikation über Instagram ist gut; alles richtig, alles beeindruckend. Aber ich würde mir wünschen, dass wir auch hier öfter mal informiert werden, dass der Minister sich auch hier öfter mal der Debatte stellt. Er hat sich hier noch keiner Debatte zur Inflation gestellt, und er hat sich auch in dieser Frage keiner Debatte gestellt. Er regiert per Pressekonferenz, und das ist gegenüber dem Deutschen Bundestag nicht angemessen.