- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland übernimmt international Verantwortung. – Dieser Satz ist für die Bundesregierung keine leere Phrase. Er ist Teil unseres staatlichen Selbstverständnisses mit Blick auf Europa und die Welt. So war es die rot-grüne Bundesregierung, die auf Beschluss des Bundestages im Jahr 1999 erstmals deutsche Soldatinnen und Soldaten in das Kosovo entsandte. Es ging damals um nicht mehr und nicht weniger als die Verhinderung eines weiteren blutigen Bürgerkriegs in der Region. Es war der erste bewaffnete und robuste Einsatz der Bundeswehr in der Geschichte der Bundesrepublik, und er war damals wie heute verbunden mit der eindeutigen Bestätigung an unsere Freunde und Partner: Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, auch und gerade in bedrohlichen Situationen.
Seither ist viel Zeit vergangen – über 20 Jahre. Seither hat sich sehr viel zum Positiven gewandelt, im Westbalkan und besonders auch im Kosovo. Und dennoch: Unsere Mission ist noch nicht beendet. Rund 130 000 deutsche Soldatinnen und Soldaten haben seit dem erstmaligen Beschluss des Bundestags vom 11. Juni 1999 über eine deutsche Beteiligung ihren Dienst im Kosovo geleistet. Unsere Soldatinnen und Soldaten haben Stück für Stück Sicherheit und Stabilität in eine instabile Region gebracht und dabei nicht selten Leib und Leben riskiert. 29 unserer Soldatinnen und Soldaten sind im Rahmen des Einsatzes ums Leben gekommen. Man kann es daher nicht häufig genug sagen: Ihnen, den deutschen Kosovoveteraninnen und ‑veteranen, genauso wie den momentan vor Ort stationierten Soldatinnen und Soldaten, gebührt unser außerordentlicher Dank und große Anerkennung.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Heute blicken wir auf eine Republik Kosovo, die mit dem Kosovo des Jahres 1999 nicht zu vergleichen ist. Die paramilitärische UCK wurde längst aufgelöst und entwaffnet. Das Land hat sich eine demokratische Verfassung gegeben, und das Recht des Stärkeren wurde sukzessive von der Stärke des Rechts verdrängt. Es ist daher ein großer Erfolg der Mission, dass die NATO ihre Kräfte im Lauf der Zeit schrittweise reduzieren konnte. Von anfangs etwa 6 000 deutschen Soldatinnen und Soldaten sind nunmehr noch rund 70 vor Ort. Verantwortlich für die Sicherheit des Kosovo sind in erster Linie die kosovarischen Polizistinnen und Polizisten sowie die Bereitschaftspolizei der Rechtsstaatsmission EULEX Kosovo. Die KFOR-Kräfte stehen allerdings weiterhin bereit, falls die Sicherheit vor Ort nicht mehr gewährleistet werden kann. Hierfür sind sie auch weiterhin unverzichtbar.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dennoch sehen wir: Unser Engagement trägt Früchte, gerade weil wir mit Geduld und einem langen Atem konsequent im Rahmen eines vernetzten sicherheitspolitischen Ansatzes vor Ort wirken. Unser Engagement vor Ort bei den Menschen im Kosovo sowie generell bei den Menschen in der Westbalkanregion ist in diesen Tagen wichtiger denn je; denn wir sind Zeugen eines brutalen Krieges mitten in Europa. Der völkerrechtswidrige russische Angriff auf die Ukraine ist in der europäischen Nachkriegsgeschichte beispiellos. Das ist ein Krieg, der zuallererst und vor allem auf dem Rücken der Ukrainerinnen und Ukrainer ausgetragen wird. Das ist aber auch ein Angriff auf unsere Freiheit, unsere Werte und unsere Lebensweise. Er hat eben auch Auswirkungen hier im westlichen Europa und insbesondere auf den multiethnisch geprägten Westbalkan.
Russland hat seit jeher ein erhebliches Interesse an der Destabilisierung der Region,
Lachen bei Abgeordneten der AfD)
auch, um hierüber Druck auf die Europäische Union auszuüben. Insbesondere der serbische Teil der Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina ist kulturell und historisch eng mit Russland verbunden und bietet Russland Möglichkeiten zur weiteren Destabilisierung. Die anhaltenden Spannungen im Land sind heute allgegenwärtig.
Aus diesem Grund haben wir uns als Bundesregierung vorbehaltlich der Zustimmung des Deutschen Bundestages entschieden, uns auch bei EUFOR Althea in Bosnien und Herzegowina weiter zu engagieren; denn es ist unabdingbar, dass wir die Sicherheit und die Stabilität in der gesamten Region des Westbalkans weiter stützen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir werden nicht dabei zusehen, dass Zwietracht und Konflikte dort entstehen, wo wir uns für Frieden und Sicherheit einsetzen. Wir stehen zu unseren Verpflichtungen im Bündnis und stehen besonders an der Seite der Menschen im Kosovo und in Bosnien und Herzegowina.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat es bei seiner Balkanreise vor zwei Wochen deutlich gemacht: Wir werden eine dauerhafte Stabilität in der Westbalkanregion nur erreichen, wenn der EU-geführte Normalisierungsdialog Erfolg hat, wenn die Republik Serbien und die Republik Kosovo ihre historisch belasteten Beziehungen normalisieren. Dies ist gewiss eine Herkulesaufgabe, aber keine unlösbare Aufgabe.
Wir sind derzeit noch nicht in der Situation, Kolleginnen und Kollegen, unser militärisches Engagement durch eine Verkleinerung des Mandats reduzieren zu können. Insbesondere im Norden des Kosovo bleibt die Lage hierzu schlicht zu fragil. KFOR bleibt der Garant für die lokale Sicherheit. Unsere deutschen Kräfte genießen in der Republik Kosovo einen hervorragenden Ruf, übrigens quer durch alle Bevölkerungsgruppen.
Kolleginnen und Kollegen, wir wollen daher auch weiter unseren Beitrag zur Erhaltung der Stabilität und des Friedens leisten. Mit einer Obergrenze von bis zu 400 Soldatinnen und Soldaten ist das deutsche Einsatzkontingent flexibel genug, um bei einer kurzfristigen Verschlechterung der Sicherheitslage angemessen reagieren zu können. Unser langfristiges Ziel bleibt, dass die Republik Kosovo ihre Sicherheit nach innen und selbstverständlich auch nach außen selbstständig wahrnehmen kann. Dazu gehört auch die tatkräftige Unterstützung des Fähigkeitsaufbaus der Kosovo Security Force. Dies geschieht durch ein eigenständiges Beratungs- und Verbindungsteam. Zudem beteiligen wir uns an der multinationalen Aufklärungskomponente sowie mit Stabspersonal im Hauptquartier.
Kolleginnen und Kollegen, eine friedliche, sichere und multiethnische Republik Kosovo, geachtet und geschätzt von ihren Nachbarländern, ist das realistische langfristige Ziel verantwortungsbewusster deutscher Außen- und Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert. Hierzu leistet die Bundeswehr einen wichtigen Beitrag. Ich freue mich, wenn der vorliegende Antrag der Bundesregierung nach der Befassung in den Ausschüssen und in den weiteren Lesungen im Plenum die Unterstützung von Ihnen allen findet.
Vielen herzlichen Dank.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat Dr. Marlon Bröhr für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)