Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! 2022 – so erleben wir es wohl alle – ist das Jahr der großen Schlagzeilen und das Jahr der großen Veränderungen, vor allem solcher, mit denen wohl keiner gerechnet hatte. Zeitenwende in fast allen Lebensbereichen, auch im Bereich der Lebensmittelerzeugung, der Verarbeitung, aber auch im Vertrieb. So titelt der „Focus“ heute Morgen „Menschen können sich weniger leisten – Stärkster Umsatzeinbruch aller Zeiten im Lebensmittelhandel“. Und tatsächlich: Das war absehbar. Nachdem in den letzten Jahren das Wohnen in den eigenen vier Wänden immer teurer geworden ist, erleben wir nun, dass sich die Lebensmittelpreise teilweise exorbitant entwickeln. Über die vielfältigen Ursachen haben wir auch hier im Bundestag viel und lange geredet. Wenn wir heute hier über den Bundeshaushalt sprechen, dann will ich an dieser Stelle aber auch über die Haushaltslage der Menschen in unserem Land reden. Inflation war lange nicht mehr als ein technischer Begriff: Das Geld verliert seinen Wert. Das lernt jedes Kind in der Schule. Aktuell müssen wir aber feststellen: Inflation ist viel mehr als das. Es ist das Unsozialste, was einem Land passieren kann. Gerade die Einkommensschwachen sind am schlimmsten und überproportional betroffen; denn es sind die Lebensbereiche Wohnen, Heizen, Mobilität und vor allem Ernährung, in denen wir die höchsten Teuerungsraten zu verzeichnen haben. Wer als Durchschnittsverdiener vor etwa einem Jahr nach Abzug von Miete, Ausgaben für Auto und Lebensmittel von seinem Nettolohn noch circa 200 Euro übrig hatte, schaut jetzt bestenfalls in ein leeres Portemonnaie. Das ist leider die bittere Realität. Zeiten von Inflation sind auch Zeiten von geringem Angebot. Wir sehen jeden Tag, wie knapp zum Beispiel Weizen, Sonnenblumenöl und Düngemittel sind. Da begrenzte Ressourcen ein Teil des Problems sind, müssen wir genau hier ansetzen. In jedem anderen Wirtschaftsbereich ist es selbstverständlich, dass der effiziente Einsatz von vorhandenen Ressourcen ein Mehr an Nachhaltigkeit bedeutet. Nur in der Landwirtschaft gibt es das weitverbreitete Dogma, dass Nachhaltigkeit nur mit Extensivierung zu erreichen ist, und darüber müssen wir unbedingt reden. Hier müssen wir zu einem Umdenken kommen, Herr Minister. Wir müssen dem Preisauftrieb und dem damit eng verbundenen Hunger in der Welt etwas entgegensetzen. Deshalb brauchen wir auch eine offene Diskussion darüber, wie wir unsere Nachhaltigkeitsziele effizient erreichen können. Flächenstilllegungen, Behinderungen bei der Zulassung neuer umweltverträglicher Pflanzenschutzmittel oder das Verteufeln neuer Züchtungstechnologien gehören in die Mottenkiste und sind gewiss nicht Teil einer zukunftsorientierten Landwirtschaft. Wenn ich mir den Haushalt des BMEL anschaue, habe ich wirklich nicht den Eindruck, dass dort überhaupt ein Problembewusstsein vorhanden ist. Mit 156 Millionen Euro weniger plant die Ampel gegenüber den Vorschlägen der CDU/CSU; 0 Euro zusätzliche Mittel im Ergänzungshaushalt, und man geht auch mit minus 244 000 Euro aus der Bereinigungssitzung. Herr Minister, Ihr Haushalt geht aus jeder Verhandlungsrunde kleiner heraus, als er reingegangen ist. Ich glaube, da haben Sie offenkundig ein Problem. Viel schlimmer als diese Tatsache, wie Sie mit dem Haushalt umgehen, ist aber die Tatsache, wie Sie das Geld ausgeben. Den landwirtschaftlichen Betrieben streichen Sie die Zuschüsse für die landwirtschaftliche Unfallversicherung zusammen, die Hilfen für die deutschen Fischereibetriebe fließen in dieser ganz dramatischen Zeit einfach viel zu spät – andere Ländern waren viel schneller als die Bundesrepublik Deutschland –, aber auch die Kürzung um 4 Millionen Euro im Investitions- und Zukunftsprogramm Landwirtschaft sendet das völlig falsche Signal an die Landwirte. Dabei hat die Union doch sehr gute Vorschläge gemacht. Wir wollten die Landwirte um rund 200 Millionen Euro entlasten. Zusätzlich zu den Geldern aus dem EU-Krisenpaket wollten wir bei den Agrardieselkosten eine Entlastung – das wurde gerade ja auch noch mal angedeutet – von 120 Millionen Euro ins Spiel bringen. Das hätte die Betriebe bei den Dieselkosten um 10 Cent je Liter entlastet. Das war oder ist mit Ihnen höchstwahrscheinlich nicht zu machen. Aber auch mit der geplanten Absenkung des Bundeszuschusses zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung – das haben Sie jetzt einfach zurückgedreht – können wir überhaupt nicht leben. Wir wollen, im Gegenteil, wieder auf das alte Niveau zurück; wir wollen die 77 Millionen Euro wieder in diesen Bereich investieren, um landwirtschaftliche Familienbetriebe zu entlasten. Ganz wichtig: Unsere Landwirte dürfen nicht zur Spardose der Ampelkoalition werden. – Sie sind dabei, genau das zu implementieren. Unsere heimischen Landwirte stehen vor Schicksalsjahren. Auch wir als Gesellschaft brauchen jetzt Maßnahmen, die die Ernährungssicherheit mit Artenvielfalt und Klimaschutz zusammenführen. Wir brauchen die Umsetzung des Borchert-Plans jetzt, bevor es zu spät ist. Ohne frisches Geld wird das nicht funktionieren. Gestern hat die FDP hier ja leider den ersten Sargnagel gesetzt. Das hat mich sehr mit Trauer erfüllt. Von der Ampel gibt es bis heute nicht einen neuen hilfreichen Impuls im Bereich der Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik, keine Antwort auf die aktuelle Rekordinflation bei den Lebensmitteln, keine erkennbaren Schritte für Investitionen in eine moderne Landwirtschaft. Der zweite Entwurf zum Haushaltsgesetz 2022 ist eine Verschlechterung und wird den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht. Deswegen lehnen wir Ihren Haushaltsvorschlag ab. Vielen Dank fürs Zuhören.