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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesen dramatischen Zeiten bewegt sich das BMZ in stürmischem Fahrwasser. Die Entwicklungszusammenarbeit hat regelmäßig direkte Auswirkungen auf die Menschen in den krisengeschüttelten Ländern und Regionen dieser Welt. Um es einmal in aller Klarheit zu sagen: Unsere Hilfe kann für den Empfänger den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Diese Verantwortung wiegt schwer.
Liebe Frau Ministerin, Ihre Reise nach Kiew dieser Tage zeigt, dass Sie bereit sind, sich für Ihre Sache einzusetzen. Wichtig ist aber auch, dass man sein Haus hinter sich weiß, dass man weiß, dass die eigenen Leute einem folgen und dass die Mitarbeiter auch willens sind, politische Vorgaben umzusetzen, die Dinge möglich zu machen und nicht gute Ideen und ehrliche Einsatzbereitschaft durch kleinteiligste Auslegung von Verwaltungsvorschriften im Keim zu ersticken.
Dazu ein kleines Beispiel. Ich habe mich dieser Tage im Rheinland mit einem Verein getroffen, der seit Jahren in Asien aktiv ist – sehr feine, beeindruckende, engagierte Leute mit guten Ideen.
So sind die Rheinländer!)
Wer aber von einem solchen privaten Verein für eine Fördersumme von gerade einmal 4 000 Euro zum Aufbau eines Kindergartens im Gegenzug derart viele Verwendungsnachweise, Berichte und Formulare anfordert, dass am Ende des Tages mehrere Aktenordner gefüllt werden, der würgt privates Engagement ab. Der Verein will in Zukunft nichts mehr mit dem BMZ machen, sondern nur noch über Spenden agieren.
Die Förderrichtlinien hätten Sie doch ändern können!)
Das bedaure ich, aber das verstehe ich auch, und ja – ich höre den Zwischenruf –, das ist nicht erst in den letzten Wochen so gewesen. Leider ist es trotzdem eine Realität. Deshalb bin ich gezwungen, hier darauf einzugehen; denn ich kenne das BMZ ja schon eine ganze Weile.
Ich bin überzeugt, dass es dort gelegentlich auch am zielorientierten Denken fehlt. Wehe, ein Berichterstatter, selbst aus der Regierungskoalition, kommt mit einer eigenen Idee oder mit einem eigenen Projektvorschlag um die Ecke. Dann läuft der Verwaltungsapparat des BMZ auf Hochtouren, und regelmäßig lautet dann leider das Ergebnis: Das Projekt ist wirklich richtig toll, aber leider, leider gibt es dazu keine passende Verwaltungsvorschrift. – Der Wiederaufbau des Hafens in Beirut wäre ein weiteres Stichwort, welches den geneigten Kenner des BMZ mit einiger Irritation zurücklässt. Also, viel Geld im Einzelplan zu haben, ist das eine, wirklich etwas daraus zu machen, ist das andere.
In Beirut hat das mit den Strukturen vor Ort zu tun!
Maske runter! Ich höre das nicht!)
Ich wünsche Ihnen, liebe Frau Ministerin, ganz ehrlich und aufrichtig, dass Sie in der Lage sind, dass Sie die Kraft haben, dieses Haus in dem Geiste zu führen, dass es Kultur wird, dass man den Mut hat und den Mut entwickelt, auch mal neue Wege zu gehen, neue Pfade einzuschlagen, Dinge möglich zu machen und nicht zu verhindern.
Der Etat des BMZ ist in diesem Jahr bei einer Rekordsumme von circa 13,3 Milliarden Euro angelangt.
Das ist der derzeitigen Lage in der Welt geschuldet. Das war aber nicht das Verdienst der Bundesregierung. Es brauchte in den Haushaltsverhandlungen erst das Engagement der Koalitionsberichterstatter, um hier die dringendst erforderlichen Akzente zu setzen. In Afrika droht die größte Ernährungskatastrophe seit Jahrzehnten. Und was macht die Bundesregierung? Sie streicht dem UN-Welternährungsprogramm 20 Millionen Euro. Die Ampelhaushälter haben dann zu guter Letzt den Etatansatz um 42 Millionen Euro gestärkt, ein erster entscheidender Schritt – um nur ein Beispiel aus den Verhandlungen zu nennen. So wurde erst in der Bereinigungssitzung verhindert, dass Deutschland hier versagt und seine internationale Verantwortung missachtet.
Aber – Sie ahnen es, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel – auch die Weitsicht der Ampelberichterstatter wurde leider nicht überall gepflegt. So hatte die UN-Organisation für Industrielle Entwicklung, UNIDO, unter ihrem neuen Generaldirektor Gerd Müller um eine vergleichsweise bescheidene Mittelerhöhung für ihren Kernhaushalt gebeten. Insgesamt handelt es sich dabei um 3 Millionen Euro.
Hätte er ja selber einstellen können!)
Müller, immerhin unser ehemaliger Minister im BMZ, will UNIDO grundlegend reformieren und auch von negativem chinesischem Einfluss befreien. Müller hat sich auch inhaltlich viel vorgenommen, Stichwort „Technologiekooperation beim Thema Klimaschutz, Kooperation beim Thema Wasserstoff“. Das wäre doch in unserem ureigensten Interesse, ihn hier zu unterstützen. Was tut die Ampel? Nichts, sie lässt ihn hängen.
Insgesamt – so mein Eindruck – haben die Berichterstatter der Ampel in den Haushaltsberatungen zu mutlos und unambitioniert agiert, so als begriffen sie sich als Sachwalter der Ministerien. Das aber, liebe Freundinnen und Freunde, ist nicht Sache und Aufgabe der Haushälter. Hier geht es um Kontrolle und nicht um Applaus.
Erlauben Sie mir bitte eine Bemerkung zum Schluss. In den letzten Jahren haben sich die Haushaltsmittel in den Einzelplänen des Auswärtigen Amtes und des BMZ mehr als verdoppelt. Insgesamt haben beide Häuser zusammen bereits fast 20 Milliarden Euro zur Verfügung. Aber die Bundesregierung ist bis heute leider nicht in der Lage, zeitnah mitzuteilen, welche Ressorts, zum Beispiel in unserem Reformpartnerland Ghana, mit welchen Programmen, mit welchen Partnern und mit welchen Geldern unterwegs sind. Das gilt leider nicht nur für Ghana, sondern auch für alle übrigen Länder. Das ist schlicht und ergreifend ein Unding. Ich glaube, wir sollten uns fraktionsübergreifend darüber einig sein, dass das abzustellen ist.
Bereits 2020 hat die Große Koalition dem BMZ Personal zum Aufbau einer Länderdatenbank bewilligt. Diese sollte auf Knopfdruck die Information bereitstellen: Wo in der Welt fördert Deutschland welche Projekte? Neulich habe ich im BMZ nachgefragt, wie es denn so läuft in Sachen Datenbank. Ich habe eine wortreiche Antwort erhalten: Vielleicht gibt es im dritten Quartal ein neues Transparenzportal. – Das war nicht so verheißungsvoll.
Das Auswärtige Amt hingegen hat sich willens gezeigt, eine solche Datenbank in kürzester Zeit auf die Beine zu stellen. Mein Eindruck in den Verhandlungen war, dass die Koalitionsberichterstatter für den Haushalt des Auswärtigen Amts gleichfalls willens waren, hier was zu bewegen. Wir als Opposition hätten da parat gestanden. Dennoch unterblieb leider ein solcher Beschluss. Der geneigte Beobachter könnte jetzt natürlich spekulieren, woran es denn gelegen hat. Aber das nützt alles nichts. Uns allen geht es schließlich um die Sache; das Thema ist dafür zu wichtig. Deshalb wünsche ich mir mehr ampelkoalitionären Weitblick in den Beratungen zum 2023er-Haushalt.
Beifall bei der CDU/CSU)
Für die Bundesregierung hat das Wort die Bundesministerin Svenja Schulze.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)