- Bundestagsanalysen
Frau Bundestagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Libanon befindet sich in einer ausgesprochen prekären wirtschaftlichen Lage. Seit 2019 herrscht die größte Wirtschafts- und Finanzkrise in der Geschichte des Landes, und das zeitigt massive Spuren. Die Inflation liegt bei über 200 Prozent. Das libanesische Pfund hat mehr als 90 Prozent seines Wertes verloren. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben drei Viertel aller Menschen im Libanon an der Armutsgrenze. Viele können schlicht ihre Familien nicht mehr ernähren. Der massive Verlust an Kaufkraft beeinträchtigt auch die Versorgung der libanesischen Sicherheitskräfte. Dazu kommen die schon angesprochenen 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien, die noch immer im Land sind und die angesichts von 6 Millionen Einwohnern des Libanon noch immer die höchste Flüchtlingsquote weltweit bedeuten.
Wenn wir heute eine Verlängerung des UNIFIL-Mandats auf den Weg bringen, dann müssen wir schon klar benennen, wer für die Verelendung weiter Bevölkerungskreise im Libanon die Verantwortung trägt: Es ist eine politische Klasse, die offenbar in einer anderen Realität lebt als die eigene Bevölkerung, für die sie sorgen sollte. Deswegen ist schon anzumahnen, dass dringend nötige Reformen endlich auf den Weg gebracht werden, woran es seit Monaten und Jahren mangelt. Die politischen Kräfte blockieren sich gegenseitig und reißen ihr eigenes Land in den Abgrund. Die Wahlen am vergangenen Wochenende haben offengelegt, wie wenig das libanesische Volk seinen Regierenden vertraut: 41 Prozent haben sich an den Wahlen beteiligt, 59 Prozent nicht. Das ist ein glattes Misstrauensvotum der Bevölkerung gegen die eigenen politisch Verantwortlichen.
Das Proporzsystem in Regierung und Parlament lässt tiefgreifende Veränderungen wohl kaum erwarten. Aber das Wahlergebnis, insbesondere der unerwartet große Dämpfer für die Hisbollah, sollte doch Anlass zum Umdenken sein. Die Entscheidungsträger im Libanon müssen ihrer eigenen Verantwortung nachkommen, meine Damen und Herren.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die libanesischen Streitkräfte sind in allen Teilen der Bevölkerung anerkannt. Sie leisten einen unverzichtbaren Dienst, um Frieden und Stabilität im Libanon zu bewahren; denn sie sind im ganzen Land im Einsatz, was wir in Deutschland und Europa oft wenig wahrnehmen. Mit der Unterstützung der libanesischen Armee und mit der Präsenz im Land tragen die Vereinten Nationen deshalb erheblich zur Stabilität des Libanon bei.
Die Beteiligung der Bundeswehr an der maritimen Komponente von UNIFIL hat sich bewährt. Unsere Soldaten und Soldatinnen leisten ebenfalls einen wertvollen Beitrag zur Stabilität des Libanon, der sowohl vom Libanon als auch von Israel ausdrücklich anerkannt wird. Deswegen haben die Angehörigen der Bundeswehr, die im Libanon und an allen dazugehörenden Standorten ihren Dienst tun, einschließlich Limassol auf Zypern, unser aller Dank und unsere Wertschätzung für ihren Einsatz verdient, meine Damen und Herren.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dass im Rahmen des neuen Mandates eine Korvette zur Maritime Task Force zurückkehren soll, macht durchaus Sinn. Zielsetzung unseres Engagements ist allerdings immer, dass wir die libanesischen Streitkräfte so ausbilden, so unterstützen, so beraten, dass sie die Verantwortung für ihre Sicherheit schrittweise in den eigenen Händen halten können. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus hilfreich, wenn wir mit Partnern der Vereinten Nationen gelegentlich rotieren: Wir waren schon mit einer Korvette im Einsatz und sind momentan raus; jetzt gehen wir wieder rein. Das macht durchaus Sinn.
Aber zur Verantwortungsübergabe in libanesische Hände gehört eben auch, dass neben Ausbildungs- und Beratungsleistungen die materiellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Weder wir noch unsere Partner in den Vereinten Nationen konnten dazu signifikante Beiträge leisten. Dafür gibt es Gründe. Es gibt auch eine hohe Eigenverantwortung der libanesischen Streitkräfte, ihre Marine entsprechend auszustatten. Aber es ist gut, dass wir im Rahmen dieses UNIFIL-Mandats auf die Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung hinweisen, die für die materielle Ausstattung der libanesischen Streitkräfte bereits eingesetzt wird. An dieser Stelle kann man in der Tat mehr tun. Die Radarüberwachung der Küste, die wir mit geschaffen und für die wir ausgebildet haben, ist dafür ein gutes Beispiel.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zurück zum Tagesordnungspunkt 30 und mache darauf aufmerksam, dass die Zeit für die namentliche Abstimmung gleich vorbei ist. Die Urnen werden um 12.17 Uhr geschlossen. Sollten Sie noch nicht Gelegenheit gehabt haben, an der Abstimmung teilzunehmen, dann wäre jetzt die Zeit.
Das Wort hat der Staatsminister Dr. Tobias Lindner.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)