Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Volksvertreter! Was bedeutet eigentlich Demokratie? Demokratie bedeutet Volksherrschaft, bedeutet, dass das Volk was zu entscheiden hat und über die Zukunft des Landes weiter mitentscheidet. In Bezug auf die Demokratie gab es in den letzten zehn Tagen wahrlich Bemerkenswertes: Am 15. Mai stimmten die Schweizer in einem Referendum – in einer direkten Volksabstimmung mit Ja, Nein – über eine weitere Frontex-Beteiligung ab, übrigens positiv, aber alle waren sie informiert. Die Zeitungen berichteten. Plakate hingen überall. Die Leute gingen zu den Urnen, und sie entschieden mit. Sechs Tage zuvor, am Europatag, verspürte Emmanuel Macron den nie dagewesenen Atem der Demokratie, und zwar bei der Schlusstagung der Konferenz zur Zukunft Europas, jener Veranstaltung, die gleich am selben Tag eine Reaktion von 13 Mitgliedstaaten hervorrief, die in einer Erklärung in einem Non-Paper sagten: Die Schlussfolgerungen der Konferenz sind zwar ganz nett. Aber bitte: Wir wollen keine Vertragsänderungen, und wir wollen auch keine EU-Verfassung. – Das ist nämlich das eigentliche Ziel dieser Konferenz zur Zukunft Europas. Man kann diese Reaktion durchaus verstehen; denn die Schlussfolgerungen haben es absolut in sich. Da geht es darum, das Einstimmigkeitsprinzip abzuschaffen. Das bedeutet: Wenn ein Land gegen etwas ist, wenn ein Land sagt: „Wir möchten das nicht auf europäischer Ebene haben“, dann hat das genau null Wirkung nach diesen neuen Vorstellungen. Auch die Demokratie selbst soll kahlgeschlagen werden. Die Menschen sollen gar nicht mehr direkt Abgeordnete wählen, die sie kennen, sondern in transnationalen Listen sollen in quotierten Systemen nach Länderkategorien und Geschlechterquotierungen irgendwelche Leute einsortiert werden, und dann werden den Menschen diese Einheitslisten präsentiert. Die sollen dann eine Wahl treffen, die keine Wahl mehr ist. Das ist eine Verhöhnung der Demokratie. Diese dann nicht mehr ordentlich gewählten Abgeordneten sollen mit viel mehr Kompetenzen entscheiden; denn Brüssel will viel mehr Kompetenzen haben: Sozialpolitik, Bildungspolitik, Verteidigungspolitik, sie wollen gemeinsame Schulden aufnehmen, sie wollen gemeinsam Steuern verhängen und das alles in einer EU-Verfassung verankern – einer EU-Verfassung, die diese Koalition – und das muss man an dieser Stelle noch mal betonen – eindeutig für gut heißt. Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag stehen, Sie wollen einen föderalen europäischen Bundesstaat. Das bedeutet im Umkehrschluss: Sie wollen keine demokratischen Entscheidungen mehr auf nationaler Ebene. Sie wollen nicht, dass die Bürger in diesem Land noch etwas zu sagen haben, wie es die Schweizer zum Beispiel in ihrem Land zu sagen haben. Ein solches Projekt gab es hier schon mal. Das gab es 2005, und es ist damals – zum Beispiel in Frankreich – krachend gescheitert an, ja, just der direkten Demokratie. Deswegen gibt es auch das Konstrukt der Konferenz zur Zukunft Europas. Ursula von der Leyen hat in ihrer Agenda bereits damals ausgeführt, dass es eine Konferenz sein sollte, in der die – Zitat – eindeutigen Ziele, „die vorab von Parlament, Rat und Kommission vereinbart wurden“, umgesetzt werden sollten. Eindeutige Ziele, die vorab vereinbart worden sind, werden von der Konferenz abgestimmt, die aus – wen wundert es? – nicht ganz repräsentativen Teilnehmern besteht. Es wurden 800 Teilnehmer für die Bürgerforen ausgewählt von einer Institution, die „Kantar“ heißt, und die hat angeblich zufällig Mobilfunknummern angerufen. Daraus entstanden dann die Teilnehmer, die übrigens ein Emmanuel Macron als „Vertreter“ bezeichnet hat; aber sie vertreten ja niemanden, außer vielleicht ihre eigene Meinung. Diese Leute traten dann in Bürgerforen zusammen, wurden sofort in Ausschüsse eingeteilt, wurden vom Altiero-Spinelli-Institut für Föderalismusstudien dazu gebrieft, was denn so wünschenswert wäre, hatten schöne Thesenpapiere vor sich auf dem Tisch liegen und wurden dann direkt nach dem Briefing zu den Thesen befragt. – Das haben Teilnehmer in Ausschüssen berichtet, zum Beispiel in unserem EU-Ausschuss, wie Sie sich erinnern, Herr Kollege, und sie haben es in anderen Ausschüssen berichtet, zum Beispiel im EP oder in den Landtagen. Diese Meinungen gibt es mehrfach, werter Herr Kollege. – Die hatten dann diese Thesenpapiere und sollten daraus plötzlich unter deutlichem Einwirken auch ihrer Ausschussvorsitzenden auswählen. Daraus wurden dann Schlussfolgerungen gezogen. Es gab natürlich auch dieses Onlineforum, wo angeblich Millionen Bürger sich beteiligen konnten. 53 000 registrierte Teilnehmer waren es letztendlich. Im Migrationsbereich waren mit die häufigsten Forderungen – an zweiter Stelle beispielsweise –, dass man endlich mal keine neuen Migranten ins Land lassen sollte, und an vierter Stelle, dass man straffällig gewordene Asylbewerber endlich abschieben sollte. Aber keine dieser Forderungen fand sich in den Abschlussschlussfolgerungen. Klar, sie hätten ja nicht gepasst. Meine Damen und Herren, diese Konferenz zur Zukunft Europas hat einen wahrlich schlechten Atem; denn sie ist eine Perversion dessen, was Demokratie bedeutet. Sie ist eine Perversion dessen, was direkte oder repräsentative Demokratie sein sollte. Deswegen haben wir vier Forderungen: Erstens. Die Regierung sollte diese Forderungen ganz klar ablehnen und auch die Schlussfolgerungen. Zweitens. Wir müssen diese Finanzierung, die Kosten, offenlegen, die in Verbindung damit entstanden sind. Drittens. Auch die Liste der Teilnehmer gehört offengelegt; denn ganz viele von denen waren rein zufällig Mitglieder entsprechender NGOs. Haben Sie herzlichen Dank.