Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: Wir sind dann erst mal nur per Telefon zu erreichen. Wir zerstören die IT. Schönen Sonntag noch. Ende. – Das sind die letzten Worte, die im August 2021 aus der deutschen Botschaft ans Auswärtige Amt gekabelt wurden. Danach machte sich der stellvertretende Botschafter mit seinen verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf den Weg zum Flughafen. Es waren dramatische Stunden in Kabul, das von den Taliban überrannt wurde. Es war auch das brutale Ende eines sehr langen und schwierigen Bundeswehreinsatzes. Lassen Sie mich vorwegschicken: Als Abgeordnete, die die Einsätze der Bundeswehr in Afghanistan immer sehr kritisch gesehen hat, möchte ich zunächst allen Soldatinnen und Soldaten, Diplomatinnen und Diplomaten und zivilen Helferinnen und Helfern und all den Menschen in Afghanistan danken, die über Jahre alles gegeben haben, um das Leben der Menschen dort zu verbessern, und die in den dramatischen Stunden des Abzuges alles getan haben, um so viele Menschen wie möglich zu retten. Und den schadenfrohen, überheblichen und pseudobelehrenden Ton, den wir hier von rechts gehört haben, den finde ich absolut deplatziert in dieser wichtigen Debatte. – Ich meinte die Rede des Kollegen, der die Debatte eröffnet hat. Ja, es gab sehr viel, meine Damen und Herren, auf das wir kritisch zurückblicken müssen: zum einen auf das deutsche und internationale Engagement der letzten 20 Jahre und zum anderen auf den chaotischen Abzug und die Frage, warum eine Evakuierung von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern, von Personal, von Ortskräften und besonders gefährdeten Gruppen nicht viel sorgfältiger vorbereitet wurde, warum Menschen, die unser Engagement in Afghanistan unterstützt haben, ausharren mussten, obwohl sie schon vor Jahren Anträge gestellt haben, weil sie bedroht waren. Diesen Menschen zu helfen, bleibt nach wie vor eine sehr wichtige Aufgabe. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart – mit der Genehmigung des Präsidenten zitiere ich –: Es ist nicht gewöhnlich, dass Sie das Vorhaben eines Untersuchungsausschusses im Koalitionsvertrag von Regierungsfraktionen finden. Aber weil diese Fragen so ernst sind, weil der Abzug so dramatisch war, haben sich hier Fraktionen, demokratische Fraktionen aus Opposition und Koalition, zusammengetan, um eine ernsthafte Debatte hinzubekommen. Ich kann Ihnen versichern: Wir sind gemeinsam in sehr guten Gesprächen. Ohne den brutalen Angriffskrieg in der Ukraine wären wir schon so weit; aber ich bin gerade mit Blick auf die letzten drei Monate sehr dankbar, wie sachlich-konstruktiv wir in der Ampel und auch gemeinsam mit der Union zusammenarbeiten konnten. Das ist für mich, auch gerade in diesen ernsten Zeiten, Ausdruck eines neuen Politikstils jenseits dieser rituellen Rollen von Regierung und Opposition, die wir, glaube ich, alle satthaben; und der sollte Schule machen. Die Einzigen, die versuchen, aus dieser ernsten Debatte eine peinliche Show zu machen, sind die Rechten hier am Rand. Sie legen total überstürzt einen ganz absurden Antrag vor – er ist ja schon exzellent von Herrn Stegner und Herrn Röttgen versenkt worden; ich kann mich allem anschließen – und fordern einen Untersuchungsausschuss – ich komme zur nächsten Absurdität – über 20 Jahre. Ich war selbst Mitglied mehrerer Untersuchungsausschüsse, und ich kann Ihnen sagen: Das ist ein Mittel zur Aufklärung, nicht zur Abrechnung. Es geht darum, konkrete Fehler zu beleuchten, Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen und Verantwortung zu benennen. Sie dagegen wollen, dass sich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Deutschland unter anderem mit der Frage beschäftigt – das haben Sie dann auch zum Anlass genommen, es hier im Plenum noch mal vorzutragen –, warum – Zitat – „die Opiumproduktion während der Zeit der westlichen Präsenz in Afghanistan stets höher lag als während der Regierungszeit des Taliban-Regimes“ – Frage 22. Mir ist bewusst, dass parlamentarische Arbeit nicht Ihre Stärke ist; aber das ist selbst für die AfD weltfremd und peinlich. Nein. – Ein Untersuchungsausschuss ist zudem extrem zeit- und arbeitsintensiv; das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Kurzer Hinweis: Der Untersuchungsausschuss zur Bombardierung in Kunduz tagte knapp zwei Jahre – bei 339 Aktenordnern; da ging es um einen Zeitraum von wenigen Wochen. Ein Untersuchungsausschuss, der die von Ihnen aufgeworfenen Fragen ernsthaft bearbeiten würde, würde Jahrzehnte tagen müssen, und man muss die Akten dann auch lesen. Aber Ihnen geht es offensichtlich nicht um Erkenntnisse, sondern um Effekthascherei. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Untersuchungsausschuss zum Abzug und die Enquete zum Engagement in Afghanistan – sie stehen dafür, dass wir die Menschen in Afghanistan nicht vergessen haben, sondern auch nach dem Abzug, auch wenn die Aufmerksamkeit weniger gegeben ist, hinschauen und zu unserer Verantwortung stehen. Das sind wir auch der Bundeswehr schuldig. Gemeinsam werden wir von den demokratischen Fraktionen zeigen, dass Politik sich ihren Fehlern stellen kann, dass sie Verantwortung übernimmt, dass sie den Anspruch hat, zu lernen und Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Mit diesem Antrag von rechts sehen wir das genaue Gegenteil davon. Und deshalb freue ich mich, dass wir Ihnen bald einen sehr klugen, breit getragenen und ernsthaften Vorschlag vorlegen können. Vielen Dank.