Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort zum Antrag der AfD-Fraktion. Der Antrag zeigt, dass Ihre Fraktion entweder das Instrument des Untersuchungsausschusses nicht verstanden hat oder dass Ihre Fraktion es missbräuchlich einsetzt. Im Zentrum eines Untersuchungsausschusses steht die Beweisaufnahme. Es geht um Sachverhaltsermittlung; allein darum geht es. Es geht um Sachverhaltsermittlung, Tatsachenermittlung und nicht Agitation. Die können Sie hier betreiben; die können Sie sonst wo betreiben. Aber dafür ist nicht das Instrument des Untersuchungsausschusses da. Insofern kann ich mich noch nicht mal der Empfehlung des Kollegen Stegner anschließen, dass Sie Ihre Fragen, die Sie dort formuliert haben, im Untersuchungsausschuss stellen. Denn all diese Fragen wären unzulässig – das sage ich –, weil der Untersuchungsausschuss eine ganz spezifische, einzigartige Funktion hat: Er kann wie ein Richter mit richterlichen Befugnissen Beweise erheben; er kann sogar vereidigen. Das heißt, dort muss vorgegangen werden wie zu Gericht. Es müssen die Beweisanträge gestellt werden nach den Anforderungen der Strafprozessordnung. Das Typische an Ihren Fragen ist, dass Sie mit Ihren Fragen immer gleich die Wertung und Bewertung vornehmen. Kein Richter in diesem Land dürfte, könnte, würde solche Fragen stellen; sie sind unzulässig. Darum ist schon formal Ihr ganzer Antrag unzulänglich, und er zeigt, dass es überhaupt kein Bemühen gibt, sich mit dieser dramatischen Lage auseinanderzusetzen. Das möchte ich in der verbleibenden Zeit kurz tun; denn ich bin davon überzeugt, dass es aus dem Afghanistan-Einsatz Lehren zu ziehen gibt. Wir als Fraktion sind wie auch andere Fraktionen der Auffassung, dass etwas aufzuarbeiten ist. Ich möchte mich hier auf eine Lehre und einen Gegenstand der Aufarbeitung beziehen, den ich auch benennen möchte und der mich umtreibt. Ich nutze die Gelegenheit, hier zu sagen, dass mich bis dahin selten in der Politik etwas so wütend und traurig gemacht hat wie das Ergebnis des Abzuges der NATO-Truppen aus Afghanistan. Denn seitdem die NATO nicht mehr in Afghanistan ist, ist in dieses Land Terror, Chaos und Elend zurückgekehrt; das ist die Folge des Abzugs der NATO. Die Taliban sind zurückgekehrt. Es herrscht eine fürchterliche Hungersnot – fürchterlich! –, der Unfähigkeit und dem Chaos des Talibanregimes geschuldet. Mädchen können eben nicht mehr in die Schule gehen. Frauen können kein selbstbestimmtes Leben mehr führen. Die Scharia wird angewendet in dem Chaos dieses Landes. Das ist das Ergebnis der Entscheidung, dass die NATO abgezogen ist. Als die NATO da war, war eine Zeit von Freiheit, Selbstbestimmung und Stabilität, die Afghanistan seit Langem und seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hatte. Das war die Realität. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir diesen – – – Genau das ist wieder die gewohnte Übereinstimmung von AfD und Linksfraktion in der Außenpolitik; absolute Übereinstimmung. Sie sind der Meinung, die NATO ist schuld. Ich bin der Meinung: Das Problem ist, dass die NATO nicht mehr da ist – das ist ja empirisch bewiesen –, weil vorher in einem großen Maß Stabilität, Freiheit und Selbstbestimmung möglich waren, und jetzt ist es wieder wie zuvor. Also müssen wir doch fragen: Was ist falsch gelaufen? Wie konnte es dazu kommen? Sie meinen: Es ist, weil die NATO da war. Ich sage: Es ist, weil die NATO nicht mehr da war. Warum ist die NATO nicht mehr da? Die NATO ist nicht mehr da, weil Präsident Trump so entschieden hat. „America first!“, das ist nicht mehr unser Interesse. Er hat mit den Taliban verhandelt und selbst diese Verhandlungen dadurch obstruiert, dass er einen Abzugstermin genannt hat. Die Taliban mussten nicht mal verhandeln, sie mussten nur abwarten. Dann kam der Amtswechsel zu Präsident Biden. Er hat im Wesentlichen mit einer viermonatigen Verzögerung diese Politik, dieses desaströse Erbe nur fortsetzen können; und die Amerikaner sind abgezogen. Die Europäer wussten: Es ist falsch. Aber wir wussten auch: Wir sind nicht in der Lage, unsere Interessen zu vertreten, außenpolitisch das zu tun, was wir für richtig halten, weil wir die militärischen Möglichkeiten dazu nicht haben. – Das ist die Lehre und die Erfahrung daraus. – Wenn Sie mal Ihr dummes Gerede für eine halbe Minute einstellen könnten, wäre ich Ihnen dankbar. Sie haben außer dummen Sprüchen hier nichts beizutragen. Es stört mich auch deshalb, weil ich hier über das Elend von Menschen rede und Sie nichts anderes im Sinn haben als Ihre dummen parteipolitischen Sprüche. Es ist eine Beleidigung und Verhöhnung der Opfer. Damit bin ich bei der Lehre. Wir müssen uns mit der europäischen Ohnmacht beschäftigen, die wir erlebt haben. Der amerikanische Rückzug hat europäische Ohnmacht sichtbar gemacht. Für die Amerikaner ist das einen Ozean weit entfernt. Diese Region wird auch nicht mehr Priorität der Interessen der Amerikaner werden. Aber es ist aufs Engste und untrennbar mit der Sicherheit und Stabilität in Europa verbunden, wie es in der Region in Zentralasien und im Nahen und Mittleren Osten aussieht. Das ist die Lehre, die wir ziehen müssen – um unserer Sicherheit willen und um willen unserer Verantwortung für die Menschen dort. Wir dürfen wegen unserer eigenen Interessen und wegen unserer Verantwortung europäische Ohnmacht nicht weiter dulden. Wir müssen entschieden uns selber befähigen, unsere eigenen Interessen zu vertreten, meine Damen und Herren. Das Zweite ist die Art und Weise des Rückzugs. Unsere Ohnmacht hat sich bis in die Art und Weise des Rückzugs, ja am Ende fast des fluchtartigen Abzugs aus Afghanistan gezeigt. Ich selber bin angerufen worden von Eltern und Schulleitungen von Kindern und Schülern, die in Afghanistan waren, deutsche Schüler afghanischer Abstammung, zu denen es keinen Kontakt gab. Wir haben Menschen zurückgelassen, mit denen wir kooperiert haben. Und das muss aufgeklärt werden. Warum waren wir auf den schlechten Verlauf der Dinge nicht vorbereitet? Wer hat wie agiert? Wie lief die Koordination? So etwas darf nicht mehr passieren. Und bevor wir zu den Wertungen kommen, müssen wir den Sachverhalt und die Tatsachen ermitteln – allerdings seriös; das ist unsere Verantwortung. Wir wollen dieser Verantwortung gerecht werden. Die CDU/CSU-Fraktion ist in guten Gesprächen mit den Koalitionsfraktionen, um den Sachverhalt zu ermitteln, um zu ermitteln: Was ist falsch gelaufen? Es ist unsere Verantwortung, Lehren und Konsequenzen zu ziehen. Das ist das Gebot der Stunde; dem wollen wir folgen. Vielen Dank.