Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Nichts ist gut in Afghanistan“, so könnte man fast wieder sagen. Im Schatten des Ukrainekrieges verschlechtert sich die Lage für die Menschen täglich. 95 Prozent der Bevölkerung können sich nicht mehr ausreichend ernähren. Besonders dramatisch ist die Situation für Kinder. Hinzu kommen massive Gewalt gegen Frauen, schwerste Menschenrechtsverletzungen, geduldet oder veranlasst durch die Machthaber der Taliban. Es ist unsere Verantwortung, hier sofort und unbürokratisch humanitäre Hilfe zu leisten. Es wundert mich kein bisschen, dass der Antrag der AfD die Situation der Menschen mit keinem Wort erwähnt. Der AfD geht es nie um Menschen, nie um internationale Zusammenarbeit und schon gleich gar nicht um Friedenssicherung. Ihr Leitstern bleibt der Nationalismus des vergangenen Jahrhunderts. Mit dieser rostigen Ideologie haben Demokraten in diesem Hause nichts gemeinsam. Wir haben, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, eine Verantwortung dafür, dass das deutsche Engagement in Afghanistan aufgearbeitet wird. Fehler haben alle gemacht: die internationale Gemeinschaft, die afghanische Regierung und auch wir. Nach sage und schreibe 20 Jahren Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und deutscher Entwicklungszusammenarbeit müssen wir daraus für zukünftige Auslandseinsätze lernen und diese neu ausrichten. Dass es mit dem Denken bei Ihnen von der AfD nicht so weit her ist, habe ich ja schon ausgeführt. Leider klappt es nicht mal mit dem Lesen. Hätten Sie den Koalitionsvertrag der SPD mit Grünen und FDP gelesen, wüssten Sie nämlich: Wir werden einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss sowie eine Enquete-Kommission einsetzen. Wir werden im Juni gemeinsam mit der demokratischen Opposition den Untersuchungsausschuss auf den Weg bringen. Dafür brauchen wir Ihren Antrag nicht. Dass es ein bisschen länger gedauert hat, ist der Kriegssituation in der Ukraine geschuldet, was jeder nachvollziehen kann, der über ein bisschen Urteilsvermögen verfügt; das tun Sie ja bekanntermaßen nicht. Ihrer heldenhaften Aufklärerpose bedarf es also auch diesmal nicht. Übrigens kann Ihr Antrag auch nicht verdecken, dass die politische Rechte kein Konzept für eine zeitgemäße europäische Außen- und Sicherheitspolitik hat. Wenn Sie Ihren Fragenkatalog, auf den Sie so stolz sind, nicht wegwerfen wollen, ein kleiner Tipp von mir: Stellen Sie die Fragen im Untersuchungsausschuss, den wir einrichten, dann werden sie beantwortet. Wer wirklich etwas lernen will, verzichtet besser auf vorgezogene Schlussfolgerungen. Auch das disqualifiziert übrigens die heutige Debattengrundlage. Die Ampelkoalition bekennt sich zu ihrer Verantwortung, die deutsche Außenpolitik an unseren Werten von Frieden und Freiheit, der europäischen Zusammenarbeit und den Prinzipien des Völkerrechts auszurichten. Dazu gehört immer auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Auslandseinsätzen unserer Parlamentsarmee hier im Deutschen Bundestag. In seiner Zeitenwende-Rede hat der Bundeskanzler angekündigt, dass wir mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro endlich für die anständige und zeitgemäße Ausrüstung unserer Soldatinnen und Soldaten bei der Landes- und Bündnisverteidigung, aber auch bei den Auslandseinsätzen sorgen werden. Menschen dürfen niemals beliebige Figuren auf dem Schachbrett von Großmacht- oder Ressourceninteressen werden. Daher müssen Auslandseinsätze, an denen die Bundeswehr sich beteiligt, immer dem Ziel dienen, den Frieden zu sichern oder zu schaffen und humanitäre Hilfe zu leisten. Außenpolitische Konflikte lassen sich am Ende niemals militärisch lösen. Die Zeitenwende verlangt eine Neuordnung unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Wir werden in den nächsten Monaten über komplexe Fragen von Sicherheit, Demokratie, globaler Gerechtigkeit, Rüstungskontrolle, einer neuen Friedensordnung, die dem Völkerrecht entspricht, und der Humanität reden müssen. Lassen Sie mich im Namen der SPD-Bundestagsfraktion noch einmal unseren Soldatinnen und Soldaten, den zivilen Entwicklungsexpertinnen und ‑experten und den vielen Menschen vor Ort danken. Sie haben im Auftrag des Deutschen Bundestages mit ihren Partnern viele Jahre dafür gesorgt, dass zeitweise sehr wohl beträchtliche Fortschritte eingetreten sind: bei der Rechtsstaatlichkeit, bei den Bildungschancen für Mädchen, bei Frauenrechten, bei Infrastrukturaufbau, bei Terrorismusbekämpfung. Gerade von unserem Programm für berufliche Bildung haben viele Tausend Menschen profitiert. Die gelernten Fähigkeiten werden noch in Jahrzehnten für Afghanistan von Bedeutung sein, auch wenn der Einsatz unrühmlich zu Ende gegangen ist. Das bleibt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die furchtbaren Bilder vom Abzug aus Afghanistan sind uns allgegenwärtig. Die Willkür der Taliban, die Unterdrückung vieler Menschen, vor allem von Frauen und Mädchen, ist unerträglich. Täglich erreichen uns auch Anfragen verzweifelter Menschen, die das Land aus Angst um ihr Leben verlassen müssen. „Nichts ist gut in Afghanistan“ bleibt trotzdem nur ein Teil der Wahrheit. Das Ende der Afghanistan-Mission bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass unser Einsatz für Frieden mit anderen Partnern umsonst oder falsch gewesen wäre. Einfache Antworten sind nie richtig. Eine moderne Außen- und Sicherheitspolitik ist anspruchsvoller als die Schwarz-Weiß-Debatten in Social-Media-Blasen. Der Untersuchungsausschuss und die Enquete-Kommission bieten uns die Gelegenheit, gemeinsam mit den demokratischen Parteien dieses Hauses konstruktiv daran zu arbeiten und aus Fehlern zu lernen. – Sie reden mehr, als Sie denken. Sie sollten es mal umgekehrt halten. – Wir werden unserer Verantwortung gerecht werden und es zukünftig besser machen. Den Antrag der Rechtsradikalen lehnen wir ab. Vielen herzlichen Dank.