Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, was Sie aus unserem Sozialstaat machen. Sie sind im Begriff – und das sage ich als CDU/CSU-Abgeordnete, die das damals nicht mit beschlossen hat –, eine der größten und erfolgreichsten Sozialstaatsreformen abzuschaffen bzw. abzuwickeln, eine, die sich als ausgesprochen erfolgreich herausgestellt hat. Sie haben damals mit den Reformen der Agenda 2010 dafür gesorgt, dass Bedürftige, dass Arbeitslose, dass Langzeitarbeitslose endlich aus der Sozialhilfe herausgekommen sind und dann in das Prinzip des Forderns und Förderns überführt wurden. Und was machen Sie jetzt? Sie sagen: Na ja, wir fördern und wir fordern ja auch irgendwie weiter. – Aber so ein bisschen Weiterbildung ist eben nicht das, was darunter zu verstehen ist. Meine Damen und Herren, man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Wenn jemand trotz einer schriftlichen Belehrung seiner Pflicht nicht nachkommt, wenn jemand sich weigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, oder wenn jemand sich weigert, Maßnahmen, die durch die Jobcenter angeordnet sind, anzutreten, dann wird er dafür künftig nicht mehr sanktioniert. Meine Damen und Herren, was tun wir? Wir reden eigentlich nur noch über Rechte, aber nicht mehr über Pflichten in diesem Land. Was ist das denn bitte für ein Argument, zu sagen, es sind doch nur wenige, die sich nicht an die Regeln halten, und deswegen brauchen wir keine Sanktionen mehr? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir schaffen doch auch nicht das Strafrecht ab, nur weil es vielleicht wenige sind, die sich nicht an Recht und Gesetz in Deutschland halten. Das ist doch keine Herangehensweise. Unsere Jobcenter vor Ort brauchen Sanktionen. Sie brauchen es auch als Ultima Ratio. Denn wenn wir sie nicht mehr haben, wird sich niemand mehr dazu bereit und im Stande sehen, etwas dafür zu tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Ampel, was sagen Sie denn den Hunderttausend Beschäftigten in den Jobcentern und Agenturen dieses Landes, die sich täglich wirklich viel, viel Mühe geben, den Menschen zu helfen, die sie an die Hand nehmen, die sie darin unterstützen, ihr Leben wieder auf die Reihe zu kriegen? Was sagen Sie denen, wenn die künftig nur noch ein bisschen telefonieren und ein paar Termine machen können, und ansonsten war es das? Ansonsten kann man nichts mehr machen. Ansonsten hat man keine Handhabe mehr, die Menschen wirklich in Arbeit zu bringen und am Ende auch etwas für das einzufordern, was sie bekommen. Wir halten das für falsch, und deswegen lehnen wir diese Idee auch ab. Was sagen Sie den vielen Steuerpflichtigen in Deutschland? Was sagen Sie den Menschen, die mit ihren Beiträgen, die mit ihren Steuern dazu beitragen, dass dieses System, dass dieser Sozialstaat am Laufen gehalten werden kann? Selbstverständlich. Vielen Dank, Herr Kurth, für Ihre Zwischenfrage. – Nur weil ein Jobcenter wegen seiner guten Arbeit möglicherweise keine Sanktionen mehr anwenden muss, heißt das nicht, dass es Sinn macht, diese als Ultima Ratio abzuschaffen. Der Mensch ist, wie er ist. Und wir als Politiker haben auch eine Verantwortung den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in diesem Land gegenüber. Wir müssen uns dafür rechtfertigen, was wir täglich tun. Dazu zählt in der Tat natürlich, nicht nur zu sagen: „Ich gebe dir Unterstützung“, sondern auch: „Ich fordere auch etwas dafür ein. Und wenn du dieser Aufforderung nicht nachkommst, habe ich das Recht, das zu sanktionieren.“ Es geht um eine Ultima Ratio. Sie schaffen das ab. Sie wollen das abschaffen. Sie schaffen damit den Anreiz, sich eben nicht mehr an dieses Prinzip des Forderns und Förderns zu halten; und das können wir nicht unterstützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Ende und möchte noch einmal festhalten, dass ich in diesem Vorschlag, der uns hier vorliegt, tatsächlich eine Spaltung unserer Gesellschaft sehe. Bisher hat sich unsere Solidargemeinschaft wirklich sehr gut verhalten und ist sehr gut miteinander umgegangen; ich befürchte, dass das künftig nicht mehr der Fall sein wird, weil diejenigen, die dafür aufkommen, eben keine entsprechende Gegenleistung mehr bekommen. Vielen Dank.