Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach über 90 Jahren wird der Naziparagraf 219a, mit dem Frauen sowie Ärztinnen und Ärzte entmündigt und drangsaliert werden, bald endlich der Vergangenheit angehören. Dafür sorgen wir jetzt. Die Bezeichnung „Werbeverbot“ ist dabei einfach nur widerwärtig und untergräbt noch heute den Kampf der Frauen für körperliche Selbstbestimmung. Das ist doch der Kern, um den es hier geht: Es geht nicht um Werbung, es geht um neutrale und umfassende Informationen über einen medizinischen Eingriff. Sehr gern. Sehr geehrter Kollege, ich nehme Ihren Redebeitrag gerne zur Kenntnis. Ich finde, meine Kollegin von der SPD hat schon sehr gut dargestellt, wie der historische Verlauf war. In meiner letzten Rede, der Sie ja sehr interessiert gelauscht haben – ich erinnere mich an Ihre Zwischenrufe –, habe ich auch noch mal ganz genau dargestellt, in welchem Geist dieser Paragraf umgesetzt wurde; Sie können sich die gerne noch mal anhören. Aber gut, ich mache dann mal weiter. Wenn ich höre, liebe CDU/CSU – das sind Zitate von Ihnen –: „Man muss ja nicht jede Mode mitmachen“ und: „Abtreibungskliniken werden dann so wie Schönheitskliniken“ oder wie gerade eben wieder: „Dann gibt es die zielgruppenspezifische Werbung“, dann frage ich mich: Welches Frauenbild haben Sie eigentlich? Denken Sie wirklich, dass irgendeine Frau sagt: „Mensch, das ist ja mal eine spannende Erfahrung, so eine Abtreibung. Das mache ich jetzt“ oder: „Mensch, was für eine schöne Broschüre! Dann mache ich eine Abtreibung“? Glauben Sie, dass Frauen so denken? Sie merken doch selbst, wie absurd das klingt. Die aktuelle Kompromissregelung der Großen Koalition ist ein Elend. Wenn die CDU/CSU dieses Elend jetzt mit ihrem Antrag auch noch festklopfen will, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann sage ich stellvertretend für die Mehrheit des Hauses und für die Gesamtgesellschaft: Nö. Die Streichung von § 219a – ja, das ist richtig – ist nur der erste Schritt, den wir gehen müssen. Schwangerschaftsabbrüche, die auf Wunsch der Schwangeren durchgeführt werden, müssen endlich entkriminalisiert werden. Auch das EU-Parlament und die Weltgesundheitsorganisation fordern exakt das. Deswegen muss auch § 218 endlich weg. Wir brauchen eine Kommission, die nicht nur darüber diskutiert, ob § 218 fällt, sondern wie; und wir brauchen diese Kommission sofort. Doch aktuell steht nicht mal fest, wer darin wie arbeiten soll, von der Einrichtung ganz zu schweigen. Deswegen fordern wir in unserem Antrag auch, dass reproduktive Gerechtigkeit zum Regierungsziel erklärt wird, damit wir endlich vorankommen. Zum Thema „nachgelagerte Verhütung“, wie es gerade von der AfD benannt wurde – ich sage dazu wenig –: Stellen Sie sich mal vor, wir würden erwarten, dass jeder Mann, der keine Kinder will, eine Vasektomie durchführen lässt. Das wäre doch mal was, ne? Scheint aber auch ein bisschen absurd, absolut übergriffig. Aber man erwartet ja schließlich von Frauen auch, dass sie Hormone schlucken, die massive Nebenwirkungen haben. Man erwartet von Frauen, dass sie für die Pille danach eine demütigende Beratung über sich ergehen lassen. Und ehrlicherweise erwartet man von Frauen auch, dass sie noch die Kondome dabeihaben, um dann am Ende mit irgendeinem Typen darüber diskutieren zu müssen, dass sich das ja nicht so toll anfühlt. – Ja, Sie sollten vielleicht auch mal was rauchen. Vielleicht sind Sie dann ein bisschen entspannter. Ach, nee. Verhütung ist doch schon die komplette Verantwortung der Frau, während es kaum Forschung zu Verhütungsmethoden für Männer gibt. Nach alldem kriminalisieren wir Frauen auch noch und machen ihnen den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen so schwer und teuer wie möglich? Frauen mit Geld, ja, die können zu einer weit entfernten Praxis fahren, sich ein Hotel leisten; sie fahren notfalls für eine Abtreibung über die Grenze. Aber stellen Sie sich mal vor: 200 Kilometer Anfahrt, Eingriff, Rückfahrt, am nächsten Tag wieder arbeiten, weil Urlaub einfach nicht drin ist; die Kinder müssen auch noch betreut werden. Dann ist der Eingriff auch noch teuer; vor der Praxis gibt es dann noch die Beschimpfungen und Bedrohungen. Das ist und bleibt Realität, wenn wir nicht endlich dafür sorgen, dass Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden, wenn wir nicht endlich dafür sorgen, dass sie flächendeckend und kostenfrei zur Verfügung stehen. Das ist auch eine soziale Frage. Worauf warten wir eigentlich noch? Wir als Linksfraktion haben die Streichung hier im Parlament bereits 2017 auf den Weg gebracht und stehen weiter Seite an Seite mit all jenen, die schon jahrzehntelang den Kampf für sichere und kostenlose Schwangerschaftsabbrüche führen, die beleidigt, bedroht und verurteilt wurden und werden. Ich möchte jeder einzelnen Person danken, – – die uns hierhergebracht hat. Wir werden nicht aufhören, jetzt erst recht nicht. Es gibt noch viel zu tun.