Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürger/-innen! Die Streichung des § 219a StGB ist längst überfällig. Wer anders als die Schwangeren sollte entscheiden, ob sie ein Kind austragen möchten oder können? Wer anders als Frauen sollte darüber entscheiden, wann und in welchen Abständen sie Kinder bekommen? Und wer anders als Mediziner/-innen sollte diesen Frauen beistehen und sie über einen Abbruch informieren? Es geht um fundamentale, um existenzielle Fragen: um das Menschenrecht auf reproduktive Selbstbestimmung, um das Recht von Frauen, über ihren Körper zu entscheiden. Selbstverständlich ist auch das Recht des Kindes auf Leben ein Menschenrecht. Spielen wir beide Rechte doch nicht gegeneinander aus! Alle Statistiken zeigen: Es ist die gute Beratung, die Frauen Mut macht für ein Leben mit einem Kind, nicht die Androhung von Strafe und erst recht nicht die Aktionen von Abtreibungsgegnern, die schwangere Frauen vor Beratungsstellen belästigen und zu Kriminellen erklären. Das sogenannte Werbeverbot untergräbt das Recht von Frauen auf körperliche Selbstbestimmung und ihr Recht, sich über Abtreibungen zu informieren. Es ist schlicht zynisch, dass Ärztinnen und Ärzte dafür Strafverfolgung fürchten müssen. Es ist gut, dass wir den § 219a StGB nun aufheben. Frauen, aber auch unsere ganze Gesellschaft, brauchen rechtssichere Lösungen für alle Lebenswirklichkeiten. Als Bundesfamilienministerin freue ich mich riesig über den Erfolg der Frühen Hilfen, der Bundesstiftung Mutter und Kind oder auch unserer Bundesinitiative „Hilfe und Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit“. Reproduktive Rechte sind leider nicht selbstverständlich. Sie geraten immer wieder unter Druck. Das zeigt der aktuelle Entwurf des US Supreme Court; auch in europäischen Nachbarländern deuten sich geschlechtspolitische Rollbacks an. – Der Fraktion rechts von uns allen scheint das zu gefallen, wie wir gerade hören konnten. Dieses Gesetz und die Debatte heute haben eine wichtige Signalwirkung: Diese Bundesregierung steht an der Seite der Frauen und zu ihrem Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Deshalb wollen wir auch einen zweiten Schritt gehen und eine Regelung für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des StGB treffen. Um diese hochkomplexen juristischen Fragen zu klären, setzen wir eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung ein. So wie sich Frauen auf medizinische Leistungen verlassen dürfen, wenn sie sich für ein Kind entscheiden, sollen sie künftig auf medizinische Leistungen vertrauen können, wenn sie sich gegen ein Kind entscheiden. Der Schwangerschaftsabbruch gehört einfach nicht ins Strafrecht, meine Damen und Herren. Ich bin sicher: Gemeinsam mit Expertinnen und Experten und meinen Kollegen vom Bundesjustizministerium und vom Bundesgesundheitsministerium werden wir gute Antworten finden. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung. Ganz herzlichen Dank.