Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade bin ich versucht, kurz innezuhalten, aufzuschauen und diese Situation zu genießen. Denn dies ist der Moment, für den so viele Frauen jahrzehntelang auf die Straße gegangen sind. Dies ist der Moment, für den so viele Ärztinnen und Ärzte gekämpft haben. Dies ist der Moment, in dem wir endlich in das parlamentarische Verfahren zur Streichung von § 219a aus dem Strafgesetzbuch eintreten. Dies ist der Moment, der uns Frauen ein Stück weit die Hoheit über unsere Körper zurückgeben wird. Es ist ein schöner Moment. Allen, die bis jetzt nicht nachvollziehen können, warum dies ein schöner Moment ist, denen sei Folgendes gesagt: § 219a trat am 26. Mai 1933 in Kraft und ist ein Paragraf des NS-Unrechtsregimes. Es ist eine Regelung, die, vorgeschoben nach außen, zum Ziel hatte, dafür zu sorgen, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht verharmlost und kommerzialisiert werden. Tatsächlich ist diese Regelung aber eine Manifestation des patriarchalen und frauenfeindlichen Naziregimes. Tatsächlich hatte diese Regelung zum Ziel, Frauen durch den Mangel an Informationen dazu zu bringen, nicht abzubrechen, und es ihnen deutlich zu erschweren. § 219a ist damit ein gutes Beispiel dafür, dass überall dort, wo rechte Parteien an der Macht sind, Frauenrechte eingeschränkt werden. Es ist erschreckend, dass es 89 Jahre gedauert hat, bis wir diesen Missstand beheben können. Denn schon längst ist klar, dass § 219a nur zu drei Dingen führt: erstens zur Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten, die Frauen in Notsituationen beistehen; zweitens dazu, dass die medizinische Versorgungslage in Deutschland für Frauen sehr, sehr schlecht geworden ist; und drittens dazu, dass Frauen aufgrund des Mangels an Informationen über den Abbruch keine freie und differenzierte Entscheidung treffen können. Bei § 219a geht es eben nicht um Werbung, so wie das leider immer wieder von der Union suggeriert wird, sondern um Informationen. Und nein, das ist kein kleiner, sondern ein großer Unterschied. Wir Frauen werden endlich Zugang zu allen Informationen haben, die wir benötigen, um eine Entscheidung fällen zu können. Wer führt Abbrüche durch, und welche Methoden sind dabei möglich? Das sind die relevanten Fragen, die ich als Frau in einer solchen Situation beantwortet haben möchte. Endlich dürfen mir das auch Ärztinnen und Ärzte sagen und nicht irgendwelche Youtube-Stars, für die diese Regelung nämlich nicht gilt. Wer glaubt, dass die Streichung von § 219a dazu führen wird, dass Ärztinnen und Ärzte auf einmal zu reißerischer Werbung in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche neigen werden, der kennt sich außerhalb des Strafgesetzbuches meiner Meinung nach nicht gut aus. Nicht nur das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb steht reißerischer Werbung in diesem Bereich entgegen, auch die Berufsordnung der Landesärztekammern. – Das ist die rechtliche Situation, liebe Kolleginnen und Kollegen. Um aber trotzdem jeden rechtlichen Zweifel auszuräumen, werden wir mit diesem Gesetzentwurf auch das Heilmittelwerbegesetz anpassen – das hat der Minister schon gesagt – und den Anwendungsbereich auf Schwangerschaftsabbrüche ausweiten. Dieser Gesetzentwurf ist daher über jeden Zweifel erhaben. Und dieser in den Raum gestellte Vorwurf gegenüber den Ärztinnen und Ärzten, die in Deutschland Abbrüche durchführen, ist nicht nur absurd, sondern meiner Meinung nach auch respektlos. Daher möchte ich meine Redezeit auch nutzen, um diesen Ärztinnen und Ärzten hier Danke zu sagen: Danke, dass ihr uns Frauen, die auf eure Hilfe angewiesen sind, beisteht. Stellvertretend dafür: Danke Kristina Hänel, die durch ihre Prozesse vor Gericht das Problem noch mal deutlicher in die Öffentlichkeit getragen hat, danke an Dr. Bettina Gaber und Dr. Verena Weyer aus Berlin, die klar benannt haben, dass der Kampf gegen § 219a ein feministischer Kampf ist, danke an Dr. Detlef Merchel, der sich standhaft geweigert hat, die sachlichen Informationen auf seiner Website runterzunehmen, und danke an Friedrich Stapf, der trotz seiner 75 Jahre nicht mit seiner Arbeit aufhört, weil sonst ein Drittel der Frauen in Bayern, die einen Abbruch vornehmen wollen, nicht mehr versorgt wären. Danke dafür! Es ist folgerichtig, dass das Unrecht, das ihnen durch die Kriminalisierung zugefügt worden ist, wiedergutgemacht werden muss. Es ist folgerichtig, dass wir durch den heute vorliegenden Gesetzentwurf alle Urteile, die auf Grundlage von § 219a gefällt worden sind, aufheben werden. Es ist folgerichtig, zu sagen: In dem Zurverfügungstellen von Informationen kann kein Unrecht liegen. Es tut uns leid. Nein, danke, weil ich zu meinen letzten Sätzen komme. Die sind mir sehr wichtig. Heute ist ein guter Tag. Das ist ein schöner Moment. Gewöhnen Sie sich dran: Wir gehen vorwärts, niemals zurück. Vielen Dank.