Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde debattieren wir heute in erster Beratung das Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts. Das klingt nicht nach einem Gassenhauer, und – ganz ehrlich – das ist es auch nicht. Aber wir kommen der Verpflichtung nach, bis zum 31. Juli die neue Nachweisrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. So sperrig der Name klingt, so überschaubar sind die Anpassungen, die wir an unserem bestehenden Recht tatsächlich vornehmen müssen. Das ist gut so; denn das zeigt – Frau Staatssekretärin Kramme hat darauf hingewiesen –, dass wir in Deutschland ein weit entwickeltes Arbeitsrecht mit hohen Standards haben. Für den weit überwiegenden Teil unserer 40 Millionen Beschäftigten sind gute Arbeitsbedingungen nicht nur ein Versprechen, sondern bereits heute Realität, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die EU hat gute Gründe, die Nachweisrichtlinie zu überarbeiten. Die europäischen Arbeitsmärkte haben seit 1991 fundamentale und tiefgreifende Veränderungen erfahren. Noch nie war Arbeit mobiler, innovativer und digitaler als heute. Deshalb begrüßen wir, dass die Richtlinie neben ihrem Kernziel – der Verbesserung der Arbeitsbedingungen – bereits in Erwägungsgrund 4 ebenso die Aufwärtskonvergenz in den Mitgliedstaaten, die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes und die Digitalisierung in den Blick nimmt. Genauso wie es nicht sein darf, dass in Mitgliedsstaaten unlautere Wettbewerbsvorteile durch das Unterschreiten von Mindeststandards möglich sind, darf es eben auch nicht passieren, dass durch wohlgemeinte, aber überzogene Schutzvorschriften neue Handelsbarrieren errichtet werden und der Binnenmarkt geschwächt wird. Es kommt, wie so oft, auf die richtige Balance an. Genau das respektiert die Richtlinie, liebe Kolleginnen und Kollegen. In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrücklich, dass die Richtlinie Tariföffnungsklauseln vorsieht. Das ist im Sinne von Tarifautonomie und Subsidiarität rich-tig. Die Sozialpartner wissen besser als der Staat, wie man einvernehmlich ausgewogene Arbeitsbedingungen schafft. Deshalb ist es unser Job, dafür die notwendigen Spielräume offenzuhalten. Damit stärken wir die Tarifbindung, und das haben wir im Koalitionsvertrag auch so vereinbart, liebe Kolleginnen und Kollegen. Gestatten Sie mir noch zwei Anmerkungen als Familienunternehmer und als Familienvater. Meine Kinder kommen jetzt in ein Alter, in dem sie ihren ersten Job antreten. So hat unser Sohn mir auf Nachfrage heute bestätigt, dass er seinen Arbeitsvertrag mit allen wesentlichen Bedingungen in elektronischer Form mit elektronischer Signatur bekommen hat, und er findet das völlig normal. O-Ton: Das machen doch alle so. – Nein, bei uns im Unternehmen zu Hause im Sauerland machen wir das nicht so. Aber, ganz ehrlich: Ich habe mich nicht getraut, ihn auf § 2 Absatz 1 Satz 3 Nachweisgesetz hinzuweisen: „Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist ausgeschlossen.“ Er hätte entweder an der Seriosität seines Arbeitsgebers gezweifelt oder mich für verrückt erklärt, oder beides wäre geschehen. Beides ist nicht gut. Die junge Generation macht alles digital, bis hin zu Bankgeschäften. Ich habe Zweifel, ob meine Kinder überhaupt einmal in der Woche den Briefkasten leeren. Wenn ich denen mit Tinte auf Papier komme, laufen die weg. Als Unternehmer habe ich schon viele Menschen eingestellt. Onboarding ist immer eine sensible Zeit, eine spannende Zeit für beide Seiten. Es geht ganz viel um Unternehmenskultur und Vertrauenskultur. Machen wir möglich, dass sich die Betriebe so digital präsentieren dürfen, wie die neuen Beschäftigten – ob jung oder weniger jung oder ob Fachkraft aus dem Ausland – das von ihren Arbeitgebern erwarten. Dazu gehören heute eben auch elektronische Arbeitsverträge. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen. Vielen Dank.