Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wollen die Verkehrsleistungen im öffentlichen Verkehr bis 2030 verdoppeln. Und nicht nur deshalb steht der ÖPNV in Deutschland vor großen Herausforderungen. Dichtere Takte, attraktivere und digitalere Angebote, moderne klimaneutrale Fahrzeuge, aber auch explodierende Energiepreise, Fachkräftemangel – das sind die größten Herausforderungen derer, die jeden Tag dafür sorgen, dass Millionen von Menschen schnell, ökologisch, günstig und sicher in Deutschland zur Schule, zur Arbeit oder auch in den Urlaub kommen. Auf die Frage, wie die Bundesländer und die Branche diese Herausforderungen meistern sollen, liefert die Regierungskoalition mit dem vorliegenden Entwurf zum Regionalisierungsgesetz eine klare Antwort, nämlich gar keine. Sie machen es lieber billig nach dem Motto „Verramschen statt verbessern“. Das ist der attraktive ÖPNV, den Sie sich offensichtlich vorstellen. 2,5 Milliarden Euro Steuergeld für das 9‑Euro-Ticket – das ist ein Viertel dessen, was der Bund jedes Jahr für den gesamten ÖPNV der Länder zur Verfügung stellt. Was könnte man mit diesem Geld in dem Bereich nicht alles gestalten: neue On-Demand-Verkehre, neue attraktivere Busse und Bahnen, ein deutlich besseres Verkehrsangebot auf dem Land. Aber stattdessen: Status quo für 9 Euro im Monat. Wenn Sie damit den treuen Kunden im öffentlichen Nahverkehr in diesen Zeiten etwas zukommen lassen wollen, okay. Das gönne ich jedem Abokunden von Herzen. Aber mir fehlt der Glaube an die nachhaltigen Effekte. Meinen Sie denn wirklich, Kollege Abel, dass der passionierte Autofahrer, der sich das Schnäppchen gönnt und tatsächlich am Wochenende mit der Familie von Berlin an die Ostsee oder von Reutlingen an den Bodensee fährt, nach der Erfahrung im vollgestopften Nahverkehrszug oder Bus sagen wird: „Mann, war das ein tolles Erlebnis, wie die Sardine in der Ölbüchse zu stehen und durchs Land zu gondeln!“? Ist das die attraktive Erfahrung im ÖPNV, die einen Autofahrer nachhaltig zum Umstieg animiert? Zumal das Schnäppchenticket auf diesen Strecken dann auch noch das Potenzial hat, die langjährigen treuen Kunden zu verärgern; denn für mehr Angebot, für mehr Fahrer, für mehr Material ist kein Geld vorgesehen. Und was sagen Sie den Busunternehmern, deren Familienunternehmen eigenwirtschaftliche Verkehre im ÖPNV betreiben und die schon jetzt wegen der Dieselpreise am Existenzminimum sind? Auch für die gibt es keine Antwort. Sie lassen sie im Regen stehen. Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Für einen Marketinggag verpulvern Sie, werter Herr Minister, 2,5 Milliarden Euro und riskieren für den ÖPNV in Deutschland den Stillstand, wenn nicht sogar eine Rolle rückwärts.