Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit 78 Tagen tobt der Vernichtungskrieg Putins gegen ein Land, dem er die Existenzberechtigung – übrigens anders als Stalin – abspricht. Ich nehme es Ihnen ab, dass Sie gesagt haben: Sie sind dagegen, Sie möchten, dass er abzieht. Aber warum legen Sie dann einen Antrag mit dem Titel vor: „Kein Eintritt Deutschlands in den Ukraine-Krieg“? Das ist doch eine infame Unterstellung. Wer will denn in diesen Krieg eintreten? Niemand, kein deutscher, kein europäischer, kein NATO-Soldat wird dort eingreifen. Was tun Sie damit? Sie verbreiten das Narrativ von Wladimir Putin, genau das Narrativ, mit dem er seinen Vernichtungskrieg betreibt. Dann berufen Sie sich auf den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages. Mit dem kann man so umgehen wie der Scheuer Andi. Der hat gesagt: Die haben nichts auf dem Kasten. – Er hat nicht auf ihn gehört, dann hat er verloren, und wir müssen jetzt die Millionen dafür bezahlen. Oder man kann das so machen wie Sie: Sie nehmen das Gutachten, zitieren einen Satz, machen es zum Kronzeugen und beantragen dann das Gegenteil von dem, was da drinsteht. Das Gutachten erklärt ausdrücklich, dass die Lieferung von Waffen einen Staat nicht zur Kriegspartei macht. Unberührt von dieser Feststellung beantragen Sie in Ziffer 3 Ihres Antrags, dass man das sofort beenden soll. Das Gutachten geht noch weiter. Es hält fest, dass Staaten, die der Ukraine bei ihren Rechten nach Artikel 51 UN-Charta helfen, auf der Seite des Völkerrechts stehen, dass diese Hilfe zur Selbsthilfe legal ist. Und das Gutachten unterstreicht, dass auch die Ausbildung an Waffen durch das Völkerrecht gedeckt ist. Kann man alles in diesem Gutachten nachlesen. Und es unterstreicht: Der Aggressor, also Putin, hat kein Recht, solche Maßnahmen selber zum Anlass für kriegerische Maßnahmen gegen die Unterstützer zu nehmen; das wäre völkerrechtswidrig. All das sparen Sie einfach aus, weil es Ihnen nicht passt. Bei Ihnen wird das ius belli zum iocus belli. Sie verleugnen damit ein Stück weit auch Ihre eigene Geschichte. Meine Generation ist ja im Kampf gegen den Vietnamkrieg sozialisiert worden. Wir alten Linken wissen – das zitiere ich jetzt mal –: „Als die USA (Atommacht) – Vietnam bombardierten und mit 500 000 Soldaten dort Krieg führten, lieferten die Volksrepublik China und die Sowjetunion Waffen, Militärberater und Bautrupps für Vietnams Verteidigung. Hätten sie das lassen sollen, weil das möglicherweise einen Atomkrieg provoziert hätte?“ Die Antwort bei uns war eindeutig: Nein, das hätten sie nicht lassen dürfen. Ich will Ihnen auch sagen, wo dieses Zitat her ist. Es stammt von Stefan Liebich, unserem ehemaligen Kollegen, aber auch Mitglied Ihrer Partei. Er hat übrigens, liebe Frau Nastic, ausführlich aufgelistet, warum Ihr Satz, dass Waffenlieferungen noch nie einen Krieg beendet hätten, falsch ist. Er hat dafür Beispiele genannt. Angefangen beim Vietnamkrieg bis zur Gründung des Staates Israel – in all diesen Fällen haben Waffenlieferungen von Verbündeten zu einer Beendigung dieser Kriege beigetragen. Es kommt wohl doch, wenn man konkrete Lagen betrachtet, auf den Einzelfall an. Aber man muss eben mehr machen, als nur falsche Prinzipien zu reiten. Vielleicht hat Bodo Ramelow Sie gemeint, als er sagte – ich zitiere aus dem „Morgenmagazin“ –: „Wir können das Völkerrecht nicht individuell anpassen, wie gerade unsere Stimmungslage ist.“ Ich finde, treffender kann man Ihren Antrag nicht kritisieren. Bodo Ramelow hat noch einen allgemeineren Satz hinzugefügt: „Es geht nicht, dass wir dann erst mit der Ethik anfangen, wenn ein Überfallener sich verteidigen will.“ Deshalb ist er für Waffenlieferungen. Ich finde, Bodo Ramelow hat recht.