Denn sie machen uns unabhängiger. Sie machen uns unabhängiger von Pflanzenschutz; sie machen uns unabhängiger von Düngemitteln. Das ist die Herausforderung, die wir jetzt bewältigen müssen. Das ist der Paradigmenwechsel, den wir brauchen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier heute Nachmittag über ein ernstes Thema. Seit 77 Tagen kämpfen die Menschen in der Ukraine für die Freiheit; seit 77 Tagen ist die Welt eine andere. Es wird nicht nur ein Land angegriffen, das demokratisch, das freiheitlich leben wollte. Mit der Ukraine hat Russland die Kornkammer Europas angegriffen, und die Folgen sind weltweit dramatisch. Die Preise für Agrarrohstoffe haben ein Rekordniveau erreicht. Das merken wir bei uns an der Kasse im Supermarkt. Die Ärmsten und die Armen spüren das direkt in ihren Mägen in Form von Hunger. Russland schottet seine Märkte zudem ab und verschärft die Situation dadurch. Was wir alle schon vor dem Krieg gemerkt haben, ist doch, dass die Klimaveränderungen die Agrarproduktion verändern. Das spüren wir auch aktuell; denn die Prognosen der Erntemengen weltweit werden im Moment wöchentlich nach unten korrigiert, weil in vielen Regionen der Welt Dürre herrscht. Auch bei uns hier in Deutschland ist es sehr trocken; das wird in der allgemeinen Debatte immer gerne übergangen. Deshalb ist es ja richtig, wenn Sie sagen, liebe Union, Sie beantragen diese Aktuelle Stunde aus einem guten Grund; Sie wollen nicht Klimaschutz und Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Produktivität gegeneinander ausspielen. Aber genau das tun Sie doch. Genau das tun Sie doch an der Stelle! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie beklagen hier in dieser Aktuellen Stunde heute die Folgen einer Politik, die Sie in den letzten 16 Jahren selbst zu verantworten hatten. Ja, haben Sie vergessen, wer die Landwirtschaftsminister gestellt hat in den letzten Jahren? Ich kann Ihnen sagen – und davon bin ich fest überzeugt; davon ist meine Fraktion fest überzeugt –: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Agrarpolitik. Aber die letzte Bundesregierung hat uns mit der GAP ein schweres Erbe hinterlassen. Da wird belohnt, wer stilllegt; da wird belohnt, wer nichts tut. Da wird belohnt, wer extensiviert. Da wird auf Kosten des Steuerzahlers Subventionsoptimierung für die Betriebe geradezu angereizt. Das ist doch nicht die richtige Politik. Glauben Sie wirklich, dass diese Politik den aktuellen Herausforderungen angemessen ist? Ich glaube das nicht. Ich habe Landwirtschaft gelernt; ich habe Landwirtschaft studiert. Ich bewirtschafte bis heute einen Betrieb mit meiner Familie. Ich kann Ihnen sagen, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Wir dürfen Nachhaltigkeitsziele nicht gegeneinander ausspielen. Deshalb kann ich Ihnen sagen: Wir Freien Demokraten unterstützen den Landwirtschaftsminister, gerade in der aktuellen schwierigen Situation, bei allem, was Produktivität erhöht. Ich muss Ihnen an der Stelle aber auch sagen: Wer nur Debatten führt wie „Tank gegen Teller“, der gefährdet Nachhaltigkeitsziele, der gefährdet die Kreislaufwirtschaft, der erschwert Fruchtfolgen und der erweist damit der Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft einen Bärendienst. Um die Stabilität Europas zu sichern, müssen wir uns hier im Deutschen Bundestag mit der Frage der Produktivität von Landwirtschaft ganz neu beschäftigen; davon bin ich fest überzeugt. Wir sind Technologiestandort Deutschland, wir sind Industriestandort Deutschland. Ich persönlich und auch meine Fraktion sind davon überzeugt, dass genau das die Stärke ist, die uns helfen kann, aus diesen Krisen herauszukommen. Moderne Bio- und Züchtungstechnologien sind auch Freiheitstechnologien, um mal im Bild dieser Koalition zu bleiben. Wir müssen unabhängiger werden von Düngerimporten aus Russland. Wie macht man das denn? Düngerproduktion ist energieintensiv. Die Energie, die uns allen zur Verfügung steht, ist die der Sonne. Die Sonne viel mehr für Photosynthese nutzen, um Pflanzen zu züchten, um mit neuen Züchtungsmethoden auch schneller neue Sorten in der Fläche zu haben, die meinetwegen auch Luftstickstoff synthetisieren können – Versuche dazu gibt es –, die Knöllchenbakterien auch an die Pflanzen züchten, um Luftstickstoff in Energie, in Wachstum, in Nahrungsmittel und auch in Energie für Treibstoffe umzuwandeln: Das ist Teil der Lösung, und davon bin ich fest überzeugt. Deshalb nutze ich diese Aktuelle Stunde auch, dafür zu werben, dass Paradigmenwechsel aus Krisen heraus eingeleitet werden müssen. Und damit bin ich nicht alleine. Der IPCC hat das gesagt. Studien, die auch gerade die Zielerreichung der Farm-to-Fork-Ziele, die uns die Europäische Union im Rahmen des Green Deal vorgibt, untersuchen, besagen das. Biotechnologie in der Landwirtschaft ist ein Punkt, den wir bei der Neubetrachtung unserer Ziele nicht vergessen dürfen. Ich sage Ihnen aber auch eins ganz ehrlich: Wir müssen mit diesem Entweder-oder und auch mit dem Sowohl-als-auch aufhören. Wir brauchen alles. Wir brauchen Nachhaltigkeit und Produktivität. Wir brauchen weniger Ideologie und mehr Technologie. Die Zukunft der Landwirtschaft ist ökologisch und produktiv; davon bin ich fest überzeugt. Und ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie trotz der Verfehlungen und trotz der falschen Ausrichtungen der Agrarpolitik in den letzten Jahren – – heute hier diese Debatte anstoßen, damit wir darüber reden können, wie wir die Herausforderungen in der Zukunft besser bewältigen, als wir das in der Vergangenheit getan haben. Vielen Dank.