Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Am kommenden Sonntag ist der Tag der Arbeit, der 1. Mai, ein Feiertag mit wirklich stolzer Tradition, ein Tag, auf den ich mich als Arbeitsminister, aber auch ganz persönlich freue, ein Tag mit großer Tradition, an dem es aber auch um hochaktuelle Themen geht. Am Sonntag werden viele Millionen Menschen auf der Welt auf die Straße gehen, für Werte wie Frieden, für Freiheit, für soziale Gerechtigkeit und für Solidarität. Am 1. Mai geht es natürlich aber immer wieder auch um den Wert und die Würde der Arbeit. Es geht darum, meine Damen und Herren, dass Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das bekommen, was ihnen zusteht: anständige Arbeitsbedingungen und faire Löhne. Dazu gehört eben auch die Erhöhung des Mindestlohns. Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir sind heute hier, um eine Zusage, ein Versprechen einzulösen: Mehr Respekt! Auch dafür ist diese Bundesregierung angetreten: mehr Respekt für diejenigen, die Tag für Tag dafür sorgen, dass der Laden läuft, die Großes leisten, und das oftmals für kleines Geld. Die Rede ist ganz konkret von Verkäuferinnen, die in einer Bäckerei arbeiten, von denjenigen, die als Helferinnen und Helfer in der Landwirtschaft tätig sind, oder auch von Friseurinnen. Meine Damen und Herren, es sind gerade diese Menschen mit kleineren und normalen Einkommen, die sich schon während der Pandemie in den letzten zwei Jahren große Sorgen gemacht haben und jetzt angesichts steigender Preise besonders beunruhigt sind. Die Bundesregierung hat deswegen dafür gesorgt, dass besonders diese Menschen in der jetzigen Krise entlastet werden. Deswegen haben wir Entlastungspakete auf den Weg gebracht, um Härten abzufedern. Wir entlasten damit zum Beispiel eine Familie mit normalem Einkommen – Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer mit zwei Kindern, beide Eltern berufstätig – um mehr als 950 Euro in diesem Jahr. Hinzu kommen individuelle Entlastungen, etwa beim Strom, bei Kraftstoffen, beim Nahverkehr. Das ist Politik für soziale Stabilität in unserem Land. Denn es kann nicht sein, dass gerade die Menschen mit den kleinen Einkommen die größten Lasten tragen. Sie brauchen unsere Solidarität. Herr Präsident, meine Damen und Herren, „mehr Respekt“ bedeutet auch, dass wir gerade jetzt das Gesetz zur Erhöhung des Mindestlohns auf den Weg bringen. Die Evaluation, also die Untersuchung, des bestehenden Mindestlohns aus dem Jahr 2020 hat uns zwei klare Botschaften mit auf den Weg gegeben. Erstens. Die Einführung des Mindestlohns ist ein Erfolgsmodell. Er hat sozialversicherungspflichtige Arbeit gesichert und höhere Löhne für rund 4 Millionen Menschen gebracht. Ich kann mich übrigens noch sehr lebhaft an die ideologischen Debatten aus der damaligen Zeit um die Einführung des Mindestlohns erinnern. Damals waren manche auf dem Plan, die den Untergang der sozialen Marktwirtschaft an die Wand gemalt haben; interessanterweise sind das auch diejenigen, die sich jetzt wieder zu Wort melden; insofern sollten sie ihre eigenen Worte erinnern. Die Wahrheit ist: Das Gegenteil ist richtig. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns war und ist ein sozialpolitischer Meilenstein. Ich will mich auch heute noch dafür bedanken, dass meine Amtsvorgängerin Andrea Nahles das damals durchgesetzt hat. Unser Ziel muss es in einer sozialen Marktwirtschaft doch sein, dass die, die Vollzeit arbeiten, auch davon leben können. Die zweite Botschaft dieser Evaluation aus dem Jahre 2020 war: Wir müssen dafür sorgen, dass sich der Mindestlohn angemessen weiterentwickelt. Das ist sozialpolitisch geboten, das ist sozialstaatlich geboten, auch angesichts der aktuellen Preisentwicklung, damit Millionen Menschen nicht den Anschluss an die arbeitende Mitte in diesem Land verlieren. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist es daher wichtig, dass die Erhöhung des Mindestlohns jetzt schnell kommt. Zugleich allerdings fordern die Arbeitgeber und ihre Verbände, dass es einen hinreichenden Vorlauf dafür gibt. Ich – wie auch die Bundesregierung – bin überzeugt, dass mit dem Inkrafttreten zum 1. Oktober 2022 hier ein fairer und auch schonender Interessenausgleich gelungen ist. Klar ist auch, dass die Weiterentwicklung des Mindestlohns als Instrument des Sozialstaates eine Aufgabe des Gesetzgebers ist. Gleichzeitig will ich betonen, dass das bewährte System des sozialpartnerschaftlich verhandelten Mindestlohns damit nicht grundsätzlich infrage gestellt wird. Wir wollen es nur insoweit anpassen, wo das erforderlich ist, um für einen angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sorgen. Klar ist auch, dass die Mindestlohnkommission in Zukunft weitere Anpassungen übernehmen wird. Das heißt, dass damit auch die Sozialpartnerinnen und Sozialpartner eingebunden sind. Natürlich, meine Damen und Herren, ist der Mindestlohn auch nach dieser Erhöhung immer nur eine absolute Lohnuntergrenze. Die ist notwendig. 12 Euro – das entspricht ungefähr 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland – sind eine vernünftige Lohnuntergrenze. Aber ich sage auch: Uns als Bundesregierung reicht das nicht aus. Wir wollen wieder mehr Tarifbindung in Deutschland, und dafür werden wir auch Anreize setzen. Deshalb bin ich froh, dass wir im Koalitionsvertrag verankert und vereinbart haben, dass beispielsweise öffentliche Aufträge des Bundes zukünftig nur an die Unternehmen gehen sollen, die nach Tarif bezahlen, meine Damen und Herren. Das ist ein konkreter Anreiz für mehr Tarifbindung. Mit diesem Gesetzentwurf sorgen wir dafür, dass der Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 auf 12 Euro steigt. Wer Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet, verdient bisher brutto rund 1 700 Euro, dann rund 2 100 Euro. Ich will noch mal sagen, wer vor allen Dingen davon profitiert: Millionen von Menschen, vor allen Dingen Frauen, die am Arbeitsmarkt arbeiten, die den Laden am Laufen halten, und auch sehr viele Beschäftigte in Ostdeutschland. Das ist eine Lohnerhöhung von rund 22 Prozent. Das haben wir versprochen, und wir machen das, meine Damen und Herren. Ich sage das gerade in diesen Zeiten. Wir haben am heutigen Vormittag zu Recht über Frieden und äußere Sicherheit gesprochen. Aber das ist kein Gegensatz zu sozialer Stabilität im Inneren. Im Gegenteil, meine Damen und Herren: Äußere Sicherheit und innerer sozialer Frieden sind zwei Seiten einer Medaille. Deshalb geht es nicht um Krisenmanagement oder sozialen Fortschritt; wir müssen beides schaffen in Deutschland. Unser Sozialstaat, meine Damen und Herren, und auch unsere soziale Marktwirtschaft sind stark. Der Sozialstaat sorgt für verlässlichen Schutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt, gerade auch in Zeiten der Krise. Unser Ziel – und dafür leistet die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro einen wichtigen Beitrag – ist und bleibt ein starkes und ein faires Deutschland. Herzlichen Dank.