Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem heute zu diskutierenden § 219a handelt es sich um einen Paragrafen, der unter der Herrschaft der deutschen Faschisten eingeführt wurde. Fast 90 Jahre, viel zu lange, steht er schon im Strafgesetzbuch; doch jetzt gibt es endlich Bewegung im Parlament: Die Abschaffung vom § 219a, für die sich meine Partei schon lange einsetzt, steht kurz bevor. Nächste Woche werden wir das diskutieren. Und wer klammert sich natürlich verzweifelt an dieses überholte und traurige Überbleibsel aus der Zeit des deutschen Faschismus? Die AfD. Daher ein kurzer Rückblick in die Geschichte. Der § 218, der Abtreibungen grundsätzlich unter Strafe stellt, entstand 1871. Es gab aber seit Entstehung dieses Paragrafen immer wieder Kämpfe, um ihn zu reformieren oder ganz abzuschaffen, vor allem natürlich von linken Kräften – zumindest bis 1933 die NSDAP an die Macht kam. Sie verschärfte nicht nur das Abtreibungsverbot unter § 218, sondern schuf kurz nach ihrer Machtergreifung § 219a, ein „Werbeverbot“ für Abtreibungen – allein der Name ist irreführend und abscheulich. Der verschärfte § 218 galt zudem unter der NSDAP nur noch für – ich zitiere – „rassisch reine“ Frauen. Bei – ebenfalls Zitat; ich möchte mich dieser Sprache nicht annehmen – „minderwertigen Volksgruppen“ war die Abtreibung straflos. Beides waren also Instrumente einer widerwärtigen, menschenverachtenden Politik, einer Politik, die darüber entscheiden will, welches Leben überhaupt einen Wert hat. Und die AfD, die sich jetzt hier als Lebensschützerin aufspielen will, führt genau diese Ideologie fort, und zwar nahtlos. Denn welches Leben schützenswert ist, dazu haben Sie ja ganz interessante Maßstäbe. Das zeigte sich auf besonders ekelhafte Weise vor vier Jahren, als Sie hier eine Anfrage zu Schwerbehinderten in Deutschland stellten, in der Sie versucht haben, einen Zusammenhang zwischen Inzucht, Behinderung und Migrationshintergrund zu finden. Nicht weniger als 18 Sozialverbände haben Sie geschafft gegen sich aufzubringen, weil Sie in Ihrer Anfrage suggeriert haben, dass eine Behinderung ein zu vermeidendes Übel sei. Und das ist nur die Spitze des Eisberges. Auch das Leben von – nach Ihrer Definition – Nichtdeutschen finden Sie nicht ganz so schützenswert. Sie und Ihre Parteifreundinnen und ‑freunde reden von „Gesindel“, wollen Leute „entsorgen“, wollen „das Pack erschießen“ lassen – alles Zitate von Ihnen – oder „zurückprügeln“, und Sie verurteilen niemanden, der ein bewohntes Asylbewerberheim anzünden möchte. – Ja, ich sehe schon: Sie fühlen sich da richtig angesprochen. Es widert mich an, wie Sie sich vor dem Hintergrund dieser Aussagen wirklich die Dreistigkeit herausnehmen, sich als Schützerin von Leben aufzuspielen. Was bilden Sie sich ein? Sie reden von Tötung; Sie reden davon, dass Babys zerstückelt werden. Sie rufen uns „Babymörderfraktion“ zu. Wie ekelhaft können Sie sein, Frauen in so einer Notlage noch weiter zu quälen? Was wir brauchen, sind frei zugängliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche, Beratungen und flächendeckenden und kostenfreien Zugang zu einer medizinischen Leistung, die verdammt noch mal ein Grundrecht sein sollte! Darüber müssen wir diskutieren; und das werden wir nächste Woche tun. Aber Sie wollen hier nur Ihren Frauenhass und Ihre Allmachtsfantasien ausleben. Dass § 219a abgeschafft wird, ist längst überfällig. Und ja, wir müssen dafür sorgen, dass Schwangerschaftsabbrüche, die auf den Wunsch der Frau hin geschehen, endlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Das ist der nächste Schritt nach vorne, in eine Zukunft, in der es endlich reproduktive Gerechtigkeit gibt. Und das ist hoffentlich eine Zukunft ohne die AfD.