Rede von Ingmar Jung in 30. Sitzung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben in der letzten Wahlperiode schon relativ viel über § 219a diskutiert und am Ende gemeinsam mit CDU/CSU und SPD eine Reform beschlossen.
Zuruf von der SPD: Leider!)
Die Regierungsfraktionen haben jetzt angekündigt, das Thema erneut auf die Tagesordnung zu bringen, mit dem Ziel der Streichung des 219a. Deswegen diskutieren wir wieder darüber. Das ist legitim bei einer neuen Regierung in einer neuen Wahlperiode, gar keine Frage. Ich will Ihnen gleichwohl sagen, warum wir der Auffassung sind, dass das richtig ist, was wir in der letzten Periode beschlossen haben, und warum wir es auch heute noch für richtig halten.
Die §§ 218 bis 219b versuchen ja das schier Unmögliche, nämlich zwei Rechtspositionen in Einklang zu bringen, die sich gegenüberstehen und die schwierig in Einklang zu bringen sind: auf der einen Seite das Selbstbestimmungsrecht, das Freiheitsrecht der betroffenen Frau, auf der anderen Seite das Schutzrecht des ungeborenen Lebens, das, wie vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, auch mit Verfassungsrang ausgestattet ist. Nun machen viele den Fehler, fangen eine Diskussion an und versuchen, die Frage zu entscheiden, welches dieser beiden Rechte denn höher zu stehen hat. – Die Frage können wir nicht beantworten, weil beide Rechte mit Verfassungsrang ausgestattet sind und somit sich grundsätzlich zunächst einmal gleichrangig gegenüberstehen oder gleichrangig nebeneinanderstehen.
Deshalb versuchen die §§ 218 f., in einem schwierigen, sehr klar ausgetüftelten Konzept diese beiden Rechte irgendwie so in Einklang zu bringen, dass sie beide so gut wie möglich gewährleistet werden. Und natürlich können sie sich dann gegenseitig beschränken. Und sie können sich sogar nach geltender Rechtslage am Ende so weit beeinflussen und beschränken, dass es im Falle der Abtreibung auf der Seite des Schutzrechts des ungeborenen Lebens zum Totalverlust des Rechts kommt. Das kann in besonderen Fällen dann zulässig sein, aber das zeigt auch, dass es natürlich besonderer Voraussetzungen bedarf, die in den §§ 218 f. angelegt sind, die ich Ihnen aus Zeitgründen nicht referieren kann, aber die Sie kennen.
Dann haben wir in der letzten Wahlperiode gemeinsam etwas festgestellt, nämlich dass zum einen, wenn die Architektur der §§ 218 f. bestehen bleiben soll, Werbung – und ich meine echte Werbung – durch diejenigen, die den Abbruch vornehmen, verboten bleiben muss – ich glaube, das wird auch niemand so bestreiten –, dass aber auf der anderen Seite zum Selbstbestimmungsrecht und zum Freiheitsrecht der betroffenen Frau, die insbesondere in einer so schwierigen Situation ist, die sich sicher nur jemand vorstellen kann, der sie selbst erlebt hat, eben dazugehört, dass sie ein volles Informationsrecht und die volle Informationsmöglichkeit hat.
Da haben vier Ministerinnen und Minister in der letzten Periode eine Lösung zu finden versucht und haben sie gemeinsam formuliert. Frau Lambrecht ist, wenn ich es richtig im Kopf habe, die Einzige, die auch jetzt noch in der Bundesregierung ist. Und da waren wir gemeinsam der Überzeugung: Es schafft die zutreffende Abgrenzung, auf der einen Seite den Teil, den wir für unzulässige Werbung hielten, den gleichwohl 99 Prozent aller Ärztinnen und Ärzte sicher nicht ausnutzen würden – aber es bleibt doch etwas übrig –,
Dürfen sie gar nicht! Das ist standesrechtlich nicht möglich!)
nicht zuzulassen – strafrechtlich nicht möglich –, auf der anderen Seite aber gleichwohl die Information für die betroffenen Frauen in der Situation so gut wie möglich zu gewährleisten. – Das war der Kompromiss, den wir da gefunden haben und von dem wir auch glaubten, dass er pragmatisch ist und sich vernünftig umsetzen lässt.
Und wenn jetzt die SPD – und das sage ich ganz offen an Sie, auch als Angebot – der Auffassung ist, dass diese Lösung misslungen ist, dann lassen Sie uns doch die gemeinsam gefundene Formulierung jetzt nach zwei Jahren in die Hand nehmen, lassen Sie uns schauen, ob sie funktioniert hat, lassen Sie uns schauen, ob es noch Informationsdefizite gibt, und lassen Sie uns gemeinsam darüber beraten, wie wir sie denn vielleicht beseitigen und lösen können. Aber einfach zu sagen, wir lösen dieses Abgrenzungsproblem dadurch, dass wir § 219a einfach komplett abschaffen, das bringt die Gesamtarchitektur der §§ 218 f. vollständig durcheinander.
Sagen Sie mal was zu dem Antrag!)
Da werden Sie uns nicht an der Seite haben. Wir sind gemeinsam mit Ihnen für volle Information, aber nicht für eine vollständige Abschaffung des Werbeverbots.
Herr Kollege.
Und wenn Sie dabei mit uns gemeinsam zu einer vernünftigen Lösung finden wollen, haben Sie uns voll an Ihrer Seite.
Herzlichen Dank.
Beifall bei der CDU/CSU)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Bayram das Wort.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)