Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kollegen von der Unionsfraktion, wenn Sie hier fordern, die Nahrungsmittelversorgung sicherzustellen und die Landwirtschaft krisenfest zu gestalten, dann wissen Sie auch, dass es die Probleme schon viel länger gibt und die Ursachen tiefer liegen. Die Defizite sind durch den Krieg in der Ukraine wie durch ein Brennglas sichtbar geworden. Und ja, sie wurden auch verschärft. Aber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – wir haben es eben gerade auch gehört – haben vor wenigen Tagen fachübergreifend in einem offenen Brief festgestellt: Das ist Fakt, und das wissen Sie. Jahrzehntelang haben Sie die Möglichkeit zur Veränderung verschlafen. Davon wollen Sie jetzt nichts wissen. Unsere Forderung nach einer sozial gerechten und ökologischen Landwirtschaft national und international haben Sie immer abgelehnt. Dieser Antrag der Union ist ein Rundumschlag, mit dem ganz viel auf einmal angepackt werden soll. Ja, es gibt auch gute Ansätze, zum Beispiel die Forderung nach einem Sonderprogramm zur Abfederung der gravierendsten Folgen steigender Nahrungsmittelpreise oder Ihr Ruf nach einer internationalen Preiskontrolle. Aber ich bezweifele, ob Sie das auch wirklich wollen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass auch mit Ihnen – quasi in einer ganz großen Koalition – das 100‑Milliarden-Euro-Rüstungspaket im Raum steht. Dadurch werden Mittel für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft und auch der Agrarpolitik auf Jahre fehlen. Ja, auch wir wollen die Mittel für die Entwicklungshilfe aufstocken. Ich habe gerade in der letzten Sitzungswoche an dieser Stelle massiv kritisiert, dass die Entwicklungshilfegelder im Haushalt gekürzt wurden. Es muss mehr und nicht weniger Geld für eine echte Entwicklungsarbeit in den Ländern eingesetzt werden. Aber solange wir durch Dumpingpreise und Exportgüter den heimischen Bauern die Erwerbs- und Lebensgrundlage zerstören, haben wir nichts gelernt. Entwicklungshilfe muss dazu beitragen, den Binnenmarkt wieder aufzubauen für Dinge, die in den Ländern auch selbst produziert werden können. Und auch hier gilt: Regionale Wirtschaftskreisläufe sind zu stärken, anstatt die Profitgier von Konzernen zu bedienen – national und international. Wir brauchen in den Entwicklungsländern und auch hierzulande endlich eine Rückbesinnung auf die eigene Ernährungssouveränität, zum Beispiel durch den Aufbau von regionalen Wirtschaftskreisläufen, die Verhandlung auf Augenhöhe zwischen Produzenten und Abnehmern, die kostendeckende Produktion, bezahlbaren Boden und die ausreichende Honorierung von Agrarumweltmaßnahmen. Hierdurch würden die kleinen und mittleren Unternehmen gestärkt. Heute bleibt der größte Teil des Gewinns bei der Vermarktung hängen; das wissen wir. Der Reibach wird in der Mitte gemacht bei Handelsketten und Konzernen. Auf der Strecke bleiben an einem Ende die Produzenten und am anderen Ende die Konsumenten. Ändern Sie das mit uns! Liebe Unionsfraktion, von einer Begrenzung der Marktmacht im Handel ist bei Ihnen nicht die Rede. Sie setzen sogar noch einen drauf: Die ohnehin zu kritisierende 70‑Tage-Regelung für Saisonarbeiter und Saisonarbeiterinnen als kurzfristig Beschäftigte ohne soziale Absicherung wollen Sie auf 115 Tage ausweiten. Das ist der falsche Reflex. Wir sehen den Schraubstock, in dem sich die Landwirte als Erzeuger befinden. Aber der Druck darf nicht nach unten, an die Beschäftigten, weitergegeben werden. Das ist der falsche Weg. Wir fordern eine faire Bezahlung und vor allem vollen sozialen Schutz. Meine sehr verehrten Damen und Herren, um die nationale und europäische Landwirtschaft krisenfest zu machen, ist bedeutend mehr nötig als das Herumdoktern an Symptomen und das blinde Vertrauen in die nicht vorhandenen sogenannten Selbstheilungskräfte des Marktes. Das System gehört vom Kopf auf die Füße gestellt. Vielen Dank.