- Bundestagsanalysen
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In Städten wie Berlin, München oder bei mir in Frankfurt – das wissen Sie – ist es schwer, eine Wohnung zu bekommen. Wenn Sie so einen Namen haben wie ich, ist es besonders schwer. Mir geht es gar nicht darum, über meine persönlichen Befindlichkeiten zu sprechen. Viele Kolleginnen und Kollegen, die heute hier im Haus sind, wissen, wovon ich spreche, und vor allem wissen das Millionen von Menschen in unserem Land, die nicht den Nachnamen Müller oder Schmidt haben. Wir wollen ihnen das ersparen, meine Damen und Herren.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Studien belegen, dass oft ein nicht deutsch klingender Nachname ausreicht, um nicht zum Jobinterview oder zur Wohnungsbesichtigung eingeladen zu werden. Nicht alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verhindern; aber wir können zumindest alles Mögliche versuchen, um Menschen in unserem Land vor Diskriminierung zu schützen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Diskriminierung hat viele Gesichter. Ob aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen Religion, Weltanschauung, Behinderung, Geschlecht oder der sexuellen Identität: Diskriminierung zieht sich strukturell durch unsere gesamte Gesellschaft. Diskriminierung zerstört Lebensplanungen und hindert Menschen daran, ihr Potenzial zu entfalten. Diskriminierung passiert oft geräuschlos und bleibt für andere unsichtbar. Doch Diskriminierung ist gefährlich für die Betroffenen, aber auch für unsere Demokratie; denn Diskriminierung ist ein Nährboden für Hass und Gewalt, meine Damen und Herren.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vor einigen Wochen wurde Electra Pain, eine Dragqueen aus meiner Stadt Frankfurt, brutal überfallen. Das ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen: Vielfalt ist eben noch keine Selbstverständlichkeit. Ich frage Sie: Wollen wir solche Missstände akzeptieren? Ich möchte das nicht, meine Damen und Herren.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Jessica Tatti [DIE LINKE])
Heute liegen erste Vorschläge vor, um die Antidiskriminierungsstelle in ihrer Wirkung und Unabhängigkeit zu stärken und deren Spitze zeitnah durch den Bundestag zu wählen. Ich finde, das ist gut; denn wirksamer Diskriminierungsschutz braucht auch starke Institutionen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Daran werden wir weiter anknüpfen.
In einem nächsten Schritt muss es natürlich um den rechtlichen Schutz vor Diskriminierung gehen. Wir werden deswegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz evaluieren, seine Schutzlücken schließen und den Anwendungsbereich ausweiten. Worum geht es da? Da geht es zum Beispiel um klar formulierte Pflichten für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, wenn es um den Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz geht. Dazu gehört auch, Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Rechte wahrzunehmen und auch durchzusetzen. Das beginnt bei der Aufklärung über eigene Rechte; denn Wissen ist Macht. Deswegen geht es auch darum, dass wir Beratungsstellen brauchen, die entsprechend ausgestattet sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es geht um Erleichterung und Eröffnung des Klageweges für Betroffene, aber auch für Verbände, möglicherweise auch für die Antidiskriminierungsstelle selbst.
Und es geht um Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, Zeit, die Betroffenen aufgrund kurzer Klagefristen häufig fehlt. Stellen Sie sich beispielsweise vor: Sie haben sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erfahren und müssen innerhalb von zwei Monaten rechtlich klagen. – Es braucht aber Zeit, eine erlittene Persönlichkeitsverletzung zu verarbeiten und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Das müssen wir auch im Antidiskriminierungsrecht berücksichtigen. Klagefristen müssen praktikabel sein, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Gyde Jensen [FDP])
Deswegen ist das heute ein erster Schritt, was die Stelle betrifft. Aber wir werden in einem zweiten Schritt natürlich auch über die inhaltlichen Anforderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sprechen; denn die Chancen eines jeden Menschen dürfen nicht durch Zufallslos bei Geburt bestimmt werden. Egal ob Mensch mit oder ohne Behinderung, egal welcher Familienname, ob mit oder ohne Kopftuch, ob hetero oder queer: Alle Menschen haben die gleichen Chancen verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die Verwirklichung echter Chancengleichheit, das ist der Gradmesser für eine starke freiheitliche Demokratie, für eine Respektgesellschaft; daran müssen wir uns messen lassen. Dafür reichen keine bunten Fahnen, dafür reichen keine Lippenbekenntnisse – dafür brauchen wir ein starkes Antidiskriminierungsrecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)