Und nein, es ist nicht das Gleiche, ob man irgendwo nicht reinkommt, weil man keine Maske trägt und nicht geimpft ist, oder ob man irgendwo nicht reinkommt, weil man eine andere Hautfarbe oder eine andere Religion hat. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit einigen Tagen haben die Klubs wieder auf. Wir alle können wieder tanzen gehen. Manche machen es nicht, weil sie wegen Corona noch vorsichtig sind. Andere können es aber auch nicht, weil sie an der Tür abgewiesen werden. Ihre Herkunft, ihre Nationalität oder ihr Aussehen entscheiden darüber, ob sie tanzen oder nicht. Ähnlich ist es bei der Wohnungssuche. Wer anders aussieht oder einen andersklingenden Namen hat, hat es viel schwerer. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes belegt, dass jeder dritte Wohnungssuchende mit Migrationshintergrund schon einmal rassistische Diskriminierung erfahren hat. Jeder Dritte! Das macht auf erschreckende Art und Weise deutlich: Diskriminierung ist kein Randphänomen. Es begleitet uns Tag für Tag immer und fast überall. Sie passiert oft da, wo Macht ungleich verteilt ist oder Menschen in Konkurrenz stehen: bei der Arbeitssuche, der Wohnungssuche, auf dem Amt oder eben vor dem Klub. In diesen Situationen zeigt sich: Wer nicht weiß, männlich, heterosexuell, jung und gesund ist, erlebt mehr Hürden im Leben, nach dem Motto: Wer nicht ins Raster passt, der fällt eben durch. Die Diskriminierung hat aber auch ganz konkrete Konsequenzen. Nehmen wir als Beispiel die 32‑jährige Frau, die den Job nicht bekommt, weil vermutet wird, sie könnte sich bald für eine Familiengründung entscheiden, oder die 56‑jährige Frau, die den Job nicht bekommt, weil man ihr unterstellt, dass sie weniger leistungsfähig ist. Wir als SPD-Bundestagsfraktion setzen uns für Respekt, Solidarität und Wertschätzung ein. Wir kämpfen für eine gerechtere Gesellschaft, für eine Gesellschaft, die nicht nur formelle Gleichheit festschreibt, sondern auch materielle Gleichheit schafft. Dafür brauchen wir ein Umdenken in der Gesellschaft. Aber solange dieses Umdenken noch nicht in allen Köpfen angekommen ist, brauchen Menschen, die Diskriminierungen erleben, eine starke Antidiskriminierungsstelle des Bundes; denn Antidiskriminierung ist unsere Antwort auf Ungleichheit. Dazu gehört auch eine starke Leitung der Antidiskriminierungsstelle, die politisch unabhängig, fachlich kompetent und öffentlich sichtbar ist. Sie muss sich im politischen Prozess einbringen, mit am Tisch sitzen und für die Belange von Betroffenen kämpfen können. Den vorliegenden Gesetzentwurf, hinter dem wir als SPD-Fraktion voll stehen, bringen wir als Ampelkoalition hier ein. Wir hätten auch gerne schon in der letzten Legislaturperiode etwas getan, aber wir konnten das nicht. Frau Wulf, das können Sie nicht wissen; da waren Sie noch nicht dabei. Wir haben aber auch in der letzten Legislaturperiode schon daran gearbeitet. Wir erreichen mit diesem Gesetz eine klare Stärkung dieser Position und damit eine Stärkung der Belange von vielen Betroffenen. Der oder die unabhängige Beauftragte wird dann zukünftig vom Parlament gewählt. Das ist auch ein wichtiges demokratisches Signal. Außerdem entkoppeln wir die Amtszeit mit fünf Jahren von der Legislaturperiode. Damit stärken wir die fachliche Unabhängigkeit und vergrößern wir die Distanz zu Regierungsmehrheiten. Der Gesetzentwurf ist also ein wichtiger erster Schritt, der für das Auswahlverfahren um die Leitung der Antidiskriminierungsstelle Rechtssicherheit schafft. Aber weitere Schritte müssen folgen. Dazu gehört für uns als SPD-Bundestagsfraktion, dass wir auch andere Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zügig umsetzen: dass wir der Antidiskriminierungsstelle mehr Ressourcen geben, dass wir die Beratung in Zusammenarbeit mit den Ländern flächendeckend ausbauen, dass wir den Rechtsschutz verbessern und dass wir Schutzlücken schließen. Denn für mich ist klar: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes darf kein zahnloser Tiger sein. Ich möchte mich natürlich auch dem Dank an Herrn Franke anschließen; das ist der kommissarische Leiter, der mich mit seiner Arbeit in den letzten vier Jahren total beeindruckt hat. Ich möchte mich aber auch explizit bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die trotz des steigenden Bedarfs an Beratungen während der Pandemie einen sehr engagierten Job gemacht haben. Sie zeigen uns, dass die Antidiskriminierungsstelle auf einem sehr guten Weg ist. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der nicht Konkurrenz und Machtkämpfe zählen, sondern das Miteinander zählt, das Miteinander von allen, ein Miteinander, das immer wichtiger wird, wenn man sich die öffentlichen Äußerungen mancher Kolleginnen und Kollegen aus anderen Parteien anhört. Wer Hass schürt, wer zum Beispiel von Spreu und Weizen spricht, wenn es um Menschen geht, die auf der Flucht sind, der legt den Nährboden für Diskriminierung. Genauso falsch und gefährlich ist es, wenn Kinder nicht über Vielfalt aufgeklärt werden. Kinder sind durchaus in der Lage, Mehrdeutigkeiten zuzulassen, besser als manch Erwachsener hier im Hohen Haus. Kinder verstehen ganz selbstverständlich: Unsere Welt ist nicht weiß und schwarz, sondern bunt. Wer solche verqueren Vergleiche zieht, hat weder Diskriminierung noch unsere Geschichte richtig verstanden und sollte sich schämen. Wer solche Vergleiche zieht, der relativiert das Leid, welches von Diskriminierung Betroffene täglich spüren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir eine Kraft gegen Diskriminierung in Deutschland, die nicht still ist, sondern laut, eine Kraft, die Menschen Mut macht und zum Mitmachen einlädt, und nicht zuletzt eine Kraft, die dem Recht des Stärkeren klare Grenzen setzt, damit allen das Tanzen ermöglicht wird und niemand vor der Tür bleibt. Vielen Dank.