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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kurzarbeit und das Kurzarbeitergeld sind ein etabliertes Instrument, das wir in Deutschland haben, um Beschäftigung bei Schwankungen in der Nachfrage zu stabilisieren. Es ist auch ein dauerhaftes Instrument. Allerdings haben wir in der Finanzkrise und auch in der Coronapandemie die Zugangsregeln vereinfacht, und wir haben die Bezugszeiten deutlich erweitert, um damit sozusagen dem Schock, der den Arbeitsmarkt getroffen hat, entgegenzuwirken und zu einer Stabilisierung der Beschäftigung beizutragen. Ich glaube, das war eine richtige Entscheidung.
Jetzt muss man zur Kenntnis nehmen, dass das Kurzarbeitergeld keine Wohltat des Staates ist, sondern durch Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert wird. Anfang dieses Monats sind fast alle Maßnahmen im Zusammenhang mit Corona ausgelaufen. Deshalb sollten wir an der Stelle darüber nachdenken, ob wir aus Fairnessgründen gegenüber denjenigen, die das Ganze bezahlen, nämlich die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die Beiträge entrichten, uns dringend mit der Frage nach dem Auslaufen der Sonderregelungen auseinandersetzen müssten.
Beifall bei der CDU/CSU)
Ich glaube, das ist dringend geboten aus Fairness gegenüber denjenigen, die das Ganze bezahlen.
Der Antrag, der hier von der Fraktion Die Linke gestellt wird, bezieht sich auf den Progressionsvorbehalt nach § 32b Einkommensteuergesetz, und er bezieht sich ausschließlich auf die Jahre 2020 bis 2022. Ich habe eingangs gesagt: Das Kurzarbeitergeld gibt es dauerhaft, nur die Sonderregelungen zu Zugang und Dauer sind befristet. – Deshalb müssten Sie eigentlich, wenn Sie so einen Antrag stellen – das wäre denklogisch –, den Antrag unbefristet stellen. Das tun Sie ausdrücklich nicht. Deshalb ist das, wie man sieht, ziemlicher Unsinn.
Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zum Zweiten: Sie stellen hier steuerpolitische Grundsätze infrage. Das kann man tun. Man kann über die Frage, ob etwas steuerpflichtig ist oder nicht, diskutieren. Worüber man nach meiner Meinung nicht diskutieren sollte, ist das Prinzip der Leistungsfähigkeit. Das Prinzip der Leistungsfähigkeit ist ein geltender Grundsatz. Sie stellen dieses Prinzip jetzt mit Ihrem Antrag infrage. Das könnte man, wie gesagt, durchaus in die Diskussion bringen. Dann müssten Sie aber bitte schön nicht nur das geltende Prinzip infrage stellen, sondern Sie müssten einen neuen Satz von Prinzipien auf den Tisch legen;
über den wir diskutieren, damit wir eine neue Grundlage für die Steuerpolitik in diesem Land haben.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das tun Sie aber nicht, sondern Sie greifen ein Prinzip heraus, stellen es infrage, heben es auf und setzen nichts Neues an diese Stelle. Das nenne ich „Willkür“, und ich möchte in diesem Land keine willkürliche Steuerpolitik.
Beifall bei der CDU/CSU)
Ich fand das eben sehr charmant, Herr Herbrand, wie Sie für die FDP argumentiert haben. Es gibt Zeiten, da kann man Prinzipien außer Kraft setzen und stattdessen mit Willkür arbeiten. Und es gibt andere Zeiten, in denen man nicht mit Willkür arbeitet. Ich sage: Wenn man Prinzipien hat, dann gelten die dauerhaft, und dann muss man dauerhaft für diese Prinzipien eintreten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der CDU/CSU
Sie sollten sich in der FDP für die nächste Phase der Opposition gut überlegen, ob Sie, wenn Sie wieder Anträge formulieren, dann nicht ein paar Prinzipien aufrechterhalten.
Meine Damen und Herren, das Kurzarbeitergeld selbst ist nicht steuerpflichtig, und es werden auf das Kurzarbeitergeld auch keine Steuern gezahlt; es ist eine steuerfreie Leistung als Einkommensersatzleistung. Worauf Steuern gezahlt werden muss, ist das sonstige Einkommen jenseits des Kurzarbeitergeldes. Es ist aber, glaube ich, unstreitig, dass durch den Bezug des Kurzarbeitergeldes die Leistungsfähigkeit gesteigert wird. Und wenn die Leistungsfähigkeit steigt, dann ist es angemessen – die Kollegen haben das ausgeführt –, dass ein höherer Steuersatz auf dieses Einkommen fällig wird. Dann wird diese Steuer aus dem sonstigen Einkommen gezahlt. Deshalb bleibt das Kurzarbeitergeld vollkommen steuerfrei, meine Damen und Herren.
Ich bin schon überrascht, dass dieser Antrag jetzt gerade von den Linken kommt. Sie tragen uns hier in vielen Debatten vor: Je höher das Einkommen von jemandem und je höher seine Leistungsfähigkeit ist, umso höher müsste besteuert werden. Und Sie mahnen uns permanent, die Steuern in Deutschland für Menschen mit höheren Einkommen seien zu niedrig. Jetzt argumentieren Sie bei diesem Antrag denklogisch genau umgekehrt. Sie sagen: Es gibt Gründe, dass jemand eine höhere Leistungsfähigkeit hat, aber den wollen wir nicht besteuern. – Das hat auch nichts mit Ihrer Logik zu tun, die Sie von morgens bis abends vortragen: Wer mehr hat, soll bitte mehr zahlen.
Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren, ich habe vorhin gesagt: Das Kurzarbeitergeld wird von den Beitragszahlern finanziert. An dieser Stelle will ich deutlich sagen: Das ist eine Solidarleistung der Menschen, die jeden Tag arbeiten, an diejenigen, die aktuell ein Problem haben. Dann muss ich aber bitte schön verlangen, dass diejenigen, die Solidarität empfangen, nämlich das Kurzarbeitergeld, auch selbst einen Solidarbeitrag leisten, indem sie vernünftig ihre Steuern entrichten. Dieser Meinung bin ich, und deshalb werden wir diesem Antrag nicht zustimmen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das Bundesverfassungsgericht – das ist richtigerweise vorhin gesagt worden – hat sich 1995 mit der Frage befasst und in zweierlei Hinsicht sehr deutlich gesagt, dass der Progressionsvorbehalt verfassungsgemäß ist, zum einen bezogen auf Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz, den allgemeinen Gleichheitssatz – das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt: er wird nicht verletzt –, und zum Zweiten bezogen auf das Sozialstaatsprinzip; es hat festgestellt, dass die Einbeziehung der Lohnersatzleistungen in den Anwendungsbereich des Progressionsvorbehalts keinen Verfassungsbruch darstellt.
Deshalb, glaube ich, ist es gut, wenn wir Ihren Antrag diskutieren. Es ist aber genauso gut und wichtig, dass wir ihn dann ablehnen.
Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Andres [SPD] und Maximilian Mordhorst [FDP])
Für Bündnis 90/Die Grünen ergreift das Wort der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)