- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!
Da meinen Sie sich wohl nicht mit!
Weiterer Zuruf von der AfD: Jawohl!)
Liebe Linke, grundsätzlich finde ich Anträge, die darauf abzielen, die Steuerlast bei kleinen und mittleren Einkommen zu senken, ja sehr charmant, und damit läuft man bei mir eigentlich offene Türen ein. Was wir aber in der SPD-Fraktion so gar nicht mögen, ist Ungerechtigkeit,
Lachen bei Abgeordneten der AfD)
und diese Ungerechtigkeit würden wir weiter ausbauen, wenn wir diesem Antrag folgen würden.
Wie der Kollege eben schon richtig erklärt hat: Es gibt einen Grundfreibetrag; der liegt bei knapp 10 000 Euro. Bis zu dem wird gar keine Einkommensteuer bezahlt. Mit steigendem Einkommen steigt dann auch der persönliche Steuersatz, und zwar von einem Eingangssteuersatz in Höhe von 14 Prozent bis zu einem Spitzensteuersatz von maximal 45 Prozent für die besonders Reichen; das gilt ab rund 255 000 Euro zu versteuerndem Einkommen pro Person. Wer mehr verdient, muss also auch mehr Steuern zahlen, und das ist vollkommen richtig so.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Anstatt des Arbeitslohns oder auch zusätzlich zum Arbeitslohn kann man aber auch sogenannte Lohnersatzleistungen beziehen. Das sind zum Beispiel Elterngeld, Mutterschaftsgeld, Krankengeld oder eben auch das im Antrag erwähnte Kurzarbeitergeld. Diese Lohnersatzleistungen sind steuerfrei, stehen aber unter dem völlig korrekten Progressionsvorbehalt. Das heißt: Für diese Lohnersatzleistungen zahlt man zwar keine Einkommensteuer; aber diese steuerfreien Bezüge fließen in die Berechnung des persönlichen Einkommensteuersatzes mit ein. Also zahlt man für den Arbeitslohn einen höheren Steuersatz, als man ohne Kurzarbeitergeld gezahlt hätte.
Ich hatte ursprünglich auch ein Beispiel; das versuche ich jetzt schnell an Ihr Beispiel anzupassen mit einer Köchin A und einer Köchin B. Die Köchin A hat 40 000 Euro an Einkünften bei einer Vollzeittätigkeit im Kalenderjahr erzielt und darauf ihre Einkommensteuer gezahlt. Die Köchin B hat neun Monate im Jahr Vollzeit gearbeitet und war drei Monate in Kurzarbeit mit 40 000 Euro Einkommen und 5 000 Euro Kurzarbeitergeld: Warum soll sie jetzt die gleiche Steuerlast tragen wie die Köchin, die nur 40 000 Euro an Einkünften hat? Es müsste doch eigentlich gelten: Köchin A – 40 000 Euro und weniger Steuern; Köchin B – 45 000 Euro und mehr Steuern.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Was soll denn dagegensprechen, dass eine höhere Leistungsfähigkeit eben auch höhere Steuern verursacht? Laut Bundesverfassungsgericht: nichts. In der Begründung einer übrigens unanfechtbaren Entscheidung führt das Bundesverfassungsgericht nämlich aus – und mit Erlaubnis der Präsidentin möchte ich zitieren –:
Der Progressionsvorbehalt berücksichtigt das Leistungsvermögen des Steuerpflichtigen in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise. Es liegt auf der Hand, daß Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr neben eigenen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben, wirtschaftlich leistungsfähiger sind als Steuerpflichtige, die gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistungen erzielt haben. Die Einbeziehung der Lohnersatzleistungen zur Berechnung des Steuersatzes begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Warum Die Linke den Progressionsvorbehalt nur aus dem Kurzarbeitergeld nehmen will, nicht aber aus den anderen Lohnersatzleistungen, wird im Antrag nicht erläutert. Dieser Antrag ist nicht neu und auch nicht besser als all Ihre diesbezüglichen Anträge zuvor. Wir empfinden das immer noch als ungerecht und werden ihn auch wieder ablehnen. In der Fortschrittskoalition der Ampel setzen wir nämlich darauf, mit vielen gerechten und vor allen Dingen geeigneten Maßnahmen insbesondere kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Das werden meine Kolleginnen und Kollegen in dieser Debatte sicherlich noch ausführlich darlegen. Dafür lasse ich denen jetzt auch 35 Sekunden mehr Zeit.
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir schauen mal, ob sie die 35 Sekunden bekommen. – Dann erhält jetzt für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Olav Gutting das Wort.
Beifall bei der CDU/CSU)