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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Dritte Gleichstellungsbericht verbindet zwei Querschnittsthemen: auf der einen Seite Digitalisierungspolitik, auf der anderen Seite Gleichstellungspolitik. Wenn man auf die Handlungsempfehlungen des Berichts schaut, sieht man sofort, dass nicht nur sämtliche Bundesministerien betroffen sind, sondern auch alle politischen Ebenen angesprochen sind. Wenn man sich vor Augen führt, dass jedes Thema für sich genommen schon eine wahnsinnige Mammutaufgabe ist, sind es natürlich beide zusammen erst recht; und beide Themen sind absolute Herzensthemen von mir. Ich weiß, dass wir in beiden Bereichen schneller vorankommen müssen, weil wir das ganz besonders unseren Töchtern schuldig sind.
Ich habe deswegen nicht ganz verstanden, Herr Ehrhorn und Frau Harder-Kühnel, wie Sie hier solche Reden halten können. Im Kürschner habe ich gelesen, dass Sie auch Kinder haben; ich weiß jetzt nicht, ob Töchter dabei sind. Es ist aber schon etwas befremdlich. Ich frage mich, ob Sie sich nach einer solchen Rede morgen überhaupt wieder in Ihre eigene Familie zurücktrauen.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Thomas Lutze [DIE LINKE]
Ganz ehrlich, Sie können froh sein, dass das, was Sie hier die ganze Zeit so reden, Unterhaltungen untereinander sind. Wir sind dank der FDP so nah an Ihnen dran, dass wir auch die Privatunterhaltungen mitbekommen; da tut einem wirklich alles weh. Da stehen einem alle Haare zu Berge.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Das ist unterirdisch, was Sie hier alles von sich geben, nicht nur hier am Rednerpult. Das ist ganz, ganz schlimm.
Für mich steht im Mittelpunkt die Frage – und dafür ist dieser Bericht auch da –: Wie kann auch Digitalisierung geschlechtergerecht ausgestaltet werden? Denn unter den Bedingungen des digitalen Wandels zeigen sich Ungleichheiten noch einmal ganz neu; das haben sehr viele Vorrednerinnen heute schon von sich gegeben. Und sie zeigen sich auch alle anders. Wir haben schon den Gender Pay Gap besprochen, und wir haben den Gender Care Gap besprochen,
wozu von Ihnen auch nur unflätige Dinge reingerufen wurden: „Motorölwechsel“ – liebe Leute, das glauben Sie doch nicht selber, was Sie hier von sich geben, Herr Ehrhorn! Aber ich möchte mich gar nicht lange mit Ihnen beschäftigen,
Tun Sie aber schon die ganze Zeit!)
weil das vergebliche Liebesmüh ist.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich möchte einen weiteren Begriff einführen, nämlich den Gender Data Gap. Das bedeutet, dass anteilsmäßig – –
– Ich weiß, dass Fremdwörter für Sie Glückssache sind, aber Sie können ja mal zuhören.
Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Anteilsmäßig werden mehr Daten über Männer gesammelt als über Frauen. Es ist auch so, dass Daten nicht nach Geschlechtern unterschieden werden. Das führt eben nicht, wie man vielleicht auf den ersten Blick glauben könnte, zu einer Gleichbehandlung, sondern zum Gegenteil. Denn geschlechterspezifische Verschiedenheiten, die Sie auf der einen Seite immer rausholen, werden mit zum Teil fatalen Konsequenzen ignoriert.
Das berühmteste Beispiel ist sicherlich – das ist jetzt nicht originär digital, aber alle kennen es –, dass die Crashtest-Dummys immer überwiegend männlich waren.
– Oh mein Gott, Sie sind ja noch blöder, als ich dachte! Jetzt mal ganz ehrlich!
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es ist doch völlig klar, dass, wenn es nur männliche Crashtest-Dummys gibt, bei Unfällen Frauen leichter verletzt werden und sterben. Da fragen Sie mal das Verkehrsministerium, wenn Sie nicht glauben, was ich Ihnen hier erzähle. Das BMDV hat eine Datenlage dazu. Frauen haben eine andere Statur; da ist das doch logisch. Sie stehen hier und sagen, Männer und Frauen seien unterschiedlich, und dann glauben Sie es an der Stelle nicht. Das passt doch alles nicht zusammen. Meine Güte!
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das Gleiche gilt doch, wenn es ein Diskriminierungspotenzial beim Einsatz von automatisierten Prozessen in der Plattformökonomie gibt. Es ist nämlich nicht so, dass Plattformarbeit immer auch eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit bedeutet. Bei Jobportalen – das ist auch schon angedeutet worden – erleben wir zunehmend automatisierte Prozesse, die auch auf der Auswertung von vielen Daten beruhen. Das heißt, künstliche Intelligenz arbeitet hier, um Sonderfälle zu minimieren. Wenn dann in solchen Datensätzen nur wenige Frauen vorkommen, werden diese vom Algorithmus als irrelevante Abweichungen ignoriert; und deswegen ist das ein ganz, ganz wichtiges Thema, weil Frauen natürlich keine irrelevante Abweichung sind.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE]
So sieht es also der Algorithmus, wenn wir nicht gegensteuern. Deswegen brauchen wir, um diese Ungerechtigkeiten zu beheben, Veränderungen auf mehreren Ebenen, beispielsweise bei der Gleichbehandlung der Bewerberprofile.
Es ist schon viel drüber gesprochen worden, wo wir ansetzen müssen: in den Kindergärten, in den Schulen. Aber wir können das Ganze nicht nur den Kindergärten und den Schulen überlassen. Wir brauchen auch an den Nachmittagen Angebote. Ich möchte an dieser Stelle mal einen großen Werbeblock machen. Es geht um ein wirklich ganz tolles Instrument, das wir in der letzten Legislaturperiode – leider nur singulär – in Deutschland haben einführen können. Ich gebe ganz offen zu: Ich hatte mir das in der Hoffnung, dass wir regieren, anders vorgestellt, nämlich dass wir es flächendeckend in Deutschland ausrollen. Ich möchte aber den Fraktionen der Ampel die Bitte mitgeben, sich das mal anzuschauen und vielleicht umzusetzen.
Wir haben nämlich auf Bestreben der Bundeskanzlerin ein sogenanntes digitales Lernzentrum mit Namen TUMO hier in Berlin eingeführt. TUMO ist ein Zentrum außerhalb der Schule, auf freiwilliger Basis, für Kinder von 12 bis 18 Jahren. Es ist dauerhaft, es ist kostenlos, es ist regelmäßig. Gerade für Mädchen ist es ganz großartig; denn es geht dort nicht nur um Digitales, sondern es nennt sich „Center for Creative Technologies“. Auch Sprache macht ja wahnsinnig viel. Wenn es um Kreativität geht, fühlen sich Mädchen eher angesprochen. Es ist leider immer noch so, dass es heißt: Die Jungs machen mal Mathe, und die Mädchen sollen lieber Sprachen lernen. Darauf sagen wir: Ja, Programmiersprachen beispielsweise.
Ich kann alle Kolleginnen und Kollegen nur ermuntern, sich das hier in Berlin einmal anzuschauen. Mein Wunsch wäre es, dass wir so etwas analog den Mehrgenerationenhäusern in jedem Landkreis in Deutschland, in jeder kreisfreien Stadt einrichten. Ein solches Zentrum vor Ort könnte jeder auch in seinem Wahlkreis gut brauchen, nicht nur in Berlin, wo es hervorragend funktioniert. Da würde ich Sie bitten, uns an dieser Stelle zu unterstützen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben uns als Union an Ihrer Seite, wenn wir die Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission ernst nehmen, wenn wir sie in konkreten Schritten umsetzen. Holen wir also die weiblichen Crashtest-Dummys weg vom Beifahrersitz, holen wir sie hinter das Steuer, bauen wir diese Ungleichheiten ab!
Liebe Mädchen, die ihr heute zugeschaut habt, liebe Frauen, ihr werdet an diesen Debatten sehen: Ihr solltet nie die AfD wählen; das ist nicht zu eurem Besten.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE]
Zuruf von der AfD: Das war jetzt gemein!)
Bitte noch einmal die Masken korrigieren; es sind ja Mund- und Nasenschutzmasken.
Als letzte Rednerin in dieser Debatte erhält das Wort Ariane Fäscher für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)