Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit sechs Wochen herrscht Krieg auf europäischem Boden, und die Bilder werden von Tag zu Tag schrecklicher, unerträglicher und brutaler. Das hat zur Folge, dass ein Viertel des ukrainischen Volkes sich auf der Flucht befindet; 4 Millionen Menschen haben ihr Land verlassen. Es ist unsere Pflicht, diesen europäischen Binnenflüchtlingen in Europa und in Deutschland Obhut und Schutz zu gewähren. Wir fühlen mit den Menschen; sie sind uns nicht nur geografisch, sondern auch emotional nahe. Deswegen gibt es in Deutschland eine große Hilfsbereitschaft. Darum möchte ich an dieser Stelle allen danken, die Menschen bei sich zu Hause aufnehmen, den Ehrenamtlichen, aber auch den Hauptamtlichen in unseren Behörden, die mit dieser Aufgabe betraut sind. Ein herzliches Dankeschön! Jetzt wäre es Aufgabe der Bundesregierung, diese Hilfsbereitschaft aufzunehmen, zu fördern, zu unterstützen, damit es weitergeht, und Hilfe bestmöglich zu organisieren. Doch diese Bundesregierung hinkt seit sechs Wochen der Entwicklung hinterher. Wir haben keine durchgehende Personenfeststellung. Wir haben kein gleichmäßiges System der Registrierung, keine gut organisierte Verteilung der Menschen innerhalb von Deutschland. Vor allem, Frau Ministerin Spiegel, haben wir keinen ausreichenden Schutz von Frauen und Kindern, wenn sie bei uns in Deutschland ankommen. Die Bundesregierung weiß bis heute nicht, wie viele Menschen sich hier aufhalten und wer und wo sie sind – ganz anders als in Polen, das viel stärker durch die Flüchtlingszahlen belastet ist. Gleichzeitig erklärt Frau Ministerin Faeser, die heute wieder mal mit Abwesenheit glänzt, in ihren vielen Interviews Folgendes: Die Polizei kontrolliert sehr intensiv in Bussen und Zügen. Besonders die Drittstaatler ohne ukrainischen Pass werden kontrolliert und registriert. – Dazu zwei Anmerkungen: Erstens. Sie erkennt mit diesen Aussagen an, dass eine Kontrolle notwendig ist; sonst würde sie das nicht immer wieder behaupten. Zweitens stimmt diese Behauptung von Frau Faeser, zuletzt in der „Leipziger Volkszeitung“ vom vergangenen Samstag, mit der Wahrheit und der Realität nicht überein. Es wird in Deutschland keine vollständige Personenfeststellung durchgeführt, insbesondere nicht bei Drittstaatlern, meine Kolleginnen und Kollegen. Deswegen wird die Innenministerin ihrer Aufgabe nicht gerecht, zu wissen, wer in Deutschland ist und wie viele es sind; das ist ihre Verantwortung. Sie schadet damit nicht nur den Sicherheitsinteressen unseres Landes, sondern auch den vielen Menschen, den Frauen und Kindern, die deshalb keinen Schutz erfahren können. Die beiden Ministerinnen haben nichts gemacht, weder Frau Faeser noch Frau Spiegel. Wir haben im Innenausschuss darauf hingewiesen. Einzige Antwort: Wir werden die Bundespolizei sensibilisieren. – Bis heute gibt es keine Schutzzonen, kein Schutzkonzept. Frau Ministerin Spiegel, Sie haben gerade gesagt, Sie handelten unaufgeregt. Meinetwegen können Sie auch aufgeregt handeln – Hauptsache, Sie handeln. Die Ministerin Faeser ist auch auf europäischer Ebene gescheitert. Ja, die Massenzustrom-Richtlinie wurde aktiviert; das haben wir von Anfang an begrüßt. Das ist ein gutes Mittel, um den Menschen aus der Ukraine hier schnell und unbürokratisch eine Aufnahme zu gewähren. Aber es wurde entgegen den Vorschriften der Richtlinie selbst beim Beschluss nicht festgestellt, wie die Aufnahmekapazitäten in den einzelnen europäischen Ländern sind. Jetzt ist die Frau Ministerin Faeser mit der Forderung nach einer verbindlichen Quote letzte Woche nach Brüssel gereist. Sie ist gescheitert. Sie ist ohne Ergebnis nach Deutschland, nach Berlin zurückgekommen. Es gibt keine Solidarität in diesem Bereich auf europäischer Ebene. Die Ministerin ist gescheitert, und sie möge hier eine Lernkurve hinlegen für zukünftige Verhandlungen auch in anderen Bereichen der Migration, damit sie so nicht nochmals scheitert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das sehen offensichtlich auch die Koalitionspartner der Frau Ministerin so, insbesondere die Grünen. Ihr Vorsitzender hat einen Krisenstab im Bundeskanzleramt gefordert, ebenso die Vizepräsidentin Frau Göring-Eckardt. Und bei der FDP nicht viel anders: Der Herr Migrationsminister Stamp aus Nordrhein-Westfalen fordert ebenso einen solchen Krisenstab im Kanzleramt. Auch außerhalb der Politik gibt es Beispiele: Der Flüchtlingsbeauftragte der EKD fordert ebenfalls einen Krisenstab – nicht mehr im Innenministerium, sondern als Chefsache im Bundeskanzleramt. Ich hoffe, der Bundeskanzler hört diese Rufe aus seiner Koalition und beispielsweise aus der evangelischen Kirche. Herzlichen Dank.