Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ziel unseres Gesetzentwurfes ist ganz klar: Wir wollen Vorsorge treffen. Wir wollen keinen dritten Coronawinter erleben, wie wir ihn letztes und vorletztes Jahr erlebt haben. Wir wollen endlich frei sein, wobei wir auch unser Gesundheitssystem schützen. Lieber Wolfgang, es geht hier nicht um Selbstschutz, sondern um Fremdschutz. Wir wollen unser Gesundheitssystem vor Überlastungen schützen. Das funktioniert nur mit einer guten Immunisierung. Meine Damen und Herren, wir stehen vor einem Entscheidungsdilemma. Eine Vorhersage, wie die Welle im Winter aussehen wird, können wir seriös nicht treffen. Wir wissen: Die Welle kommt. Aber die Qualität dieser Welle kennen wir nicht. Das ist ähnlich wie bei einer Wettervorhersage. Aber dass sie kommen wird, ist klar. Wir brauchen auch bessere Datengrundlagen, keine Frage. Diese werden wir auch bekommen. Wir werden uns darüber entsprechend berichten lassen. Aber was sollen wir jetzt machen, um den nächsten Winter nicht in einer Katastrophe enden zu lassen? Sollen wir nichts machen? Stand der Dinge heute ist das sicherlich eine Möglichkeit. Das wäre aber ein Pokerspiel. Wir haben es letztes Jahr bereits erlebt. Nichts zu machen, hat dazu geführt, dass wir wieder einen Coronawinter hatten, und den wollen wir nicht. Wir wollen auch nicht aus dem Bauch heraus irgendeine Entscheidung treffen, weil es sich gut anfühlt. Nein, wir wollen ein wissenschaftlich fundiertes Gegenmittel einbringen, und dieses Gegenmittel soll ganz klar bewirken, die Impflücke zu schließen; denn nur so kommen wir durch den nächsten Winter. Es stellt sich dann aber die Frage: Wie? Gut reden brachte bislang wenig. Impfpflicht, ja; dann müssen wir aber natürlich prüfen, inwieweit auch mildere Mittel möglich sind. Das ist eine professionelle ärztliche Aufklärung der Ungeimpften. Die Bürgerinnen und Bürger sind aufklärungswillig und auch vernünftig. So können wir unsere Impfquoten erhöhen. Der ursprüngliche Gesetzentwurf aus unserer Gruppe hatte dies zum Inhalt. Aber wir waren die kleinste Gruppe. Wir hatten keine Mehrheit, und wir haben sie auch nicht. Wir haben wiederholt versucht, Kontakte herzustellen. Das hat leider nicht funktioniert. Aber die Mehrheit der Antragstellerinnen und Antragsteller unserer Gruppe wollte heute nicht mit leeren Händen dastehen. Wir waren kompromissbereit. Wir haben einen Kompromiss gesucht und sind auf die Gruppe der Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht zugegangen. Wir als Gruppe der Befürworter der Aufklärungspflicht haben einen Kompromiss gefunden. In Teilen ist er natürlich schmerzhaft, weil wir unsere Idee immer noch für die bessere halten. Aber wir können heute Nachmittag nicht ohne irgendetwas dastehen. Deswegen möchte ich der Verhandlungsgruppe und auch den Kolleginnen und Kollegen unserer ursprünglichen Gruppe Danke sagen. Das ist durchaus therapeutisch; dann kühlen sie sich runter. Ich lasse das mal zu. Sie dürfen sich auch hinsetzen; denn Sie waren jetzt sehr erregt. Da ist das vielleicht besser. Ich finde, Sie haben einige wichtige Punkte eingebracht. Ich will mal konstruktiv an die Sache herangehen. Sie haben Ihre eigene Beobachtung mit Ihrem Körper gemacht. So läuft klinische Wissenschaft leider nicht. Ich freue mich für Sie, dass Sie in Ihrem Alter, mit 72, eine Covid-Infektion so gut überstanden haben. Wir wissen – das gibt auch die Wissenschaft her –: 80 Prozent der Menschen haben einen sehr milden Verlauf. Und das ist auch gut so. Man spielt durchaus Roulette oder Poker, wenn es darum geht, sich impfen zu lassen oder nicht. Aber eine Sache muss man klar sagen: Wir haben jetzt keine allgemeine Impfpflicht in unserem Kompromiss stehen, sondern eine Impfpflicht ab 60 mit Scharfstellung ab Oktober. – Darf ich mal zu Ende sprechen? Ich habe ihn ja auch ausreden lassen. Somit haben Sie und auch wir die Möglichkeit, zu sagen: Wenn die Coronakrise so weiterläuft wie bisher – auch die WHO sagt ja, es könnte milder werden, wir könnten einen endemischen Verlauf haben –, dann setzen wir die Impfpflicht wieder aus. – Wir sind doch hier im Bundestag da, um darüber zu entscheiden. Das ist doch kein Problem. Wir können das jederzeit entscheiden. Aber wir müssen uns vorbereiten, damit dieser Winter nicht zur Katastrophe wird. Einen Moment, ich bin noch nicht fertig. – Sie haben auch gesagt: Die Leute haben Angst vor der Impfung. – Das ist genau der Punkt. Die Leute, die Angst und Sorge vor der Impfung haben, nehme ich als Arzt sehr ernst. Sie müssen aufgeklärt werden, aber nicht durch irgendwelche Threema-Gruppen oder Facebook-Gruppen oder SMS, die man bekommt, oder durch Telegram-Gruppennachrichten von der AfD, sondern durch eine professionelle ärztliche Aufklärung. So funktioniert Medizin, und so kommen wir hier auch weiter. Aber einfach zu behaupten, dass die Impfung unsere Freiheit zerstört, ist wirklich zu kurz gesprungen und ein bisschen blind. In der Menschheitsgeschichte war es bisher immer so: Eine Pandemie endet dann, wenn eine Bevölkerung immunisiert ist. Die Immunisierung war in der Menschheitsgeschichte immer mit Tod und Krankheit verbunden. Wir haben jetzt erstmalig in der Menschheitsgeschichte die Möglichkeit, mit einer Impfung diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Aber Sie setzen auf Ihre Freiheit und sagen: Das ist meine Freiheit; ich halte nichts von gesellschaftlicher Verantwortung. – Wenn Sie von Freiheit sprechen, müssen Sie auch von qualitativer Freiheit sprechen, nicht von einer Sammlung irgendwelcher Freiheiten. In unserem Gesetzentwurf – und den biete ich jetzt an – steht tatsächlich die Aufklärungspflicht an erster Stelle. Ich bin sehr dankbar, dass die Gruppe uns da entgegengekommen ist. Die Impfpflicht sehen wir für die besonders vulnerablen Personen ab 60 Jahren vor, mit Scharfstellung im Oktober. Der Bundestag erhält regelmäßig wissenschaftliche Berichte über den Stand der Pandemie, global wie national, und hat somit auch die Möglichkeit der Aussetzung oder Erweiterung der Impfpflicht. Das ist Weitsicht. Mit Weitsicht kommen wir vor die Welle. Liebe Unionskolleginnen und ‑kollegen, es gibt keine Blaupause in der Pandemiebekämpfung. Nur gemeinsam können wir diese Pandemie bekämpfen. Reißen Sie die Mauer des Parteistolzes ein, und lassen Sie Ihr Gewissen sprechen! Unser Gesetzentwurf ist ein Angebot an Sie alle. Danke schön.