Impfungen dienen dem Selbstschutz und nicht dem Fremdschutz. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich schwer, nach einem solchen Debattenbeitrag darauf nicht einzugehen, aber die Zeit erlaubt es mir leider nicht; denn ich bin auf drei Minuten begrenzt. Wir können das an anderer Stelle machen. Ich kann gut nachvollziehen, Herr Kollege Sorge, dass Emotionen bei diesem Thema hochgehen. Gleichzeitig müssen wir aber aufpassen, dass im Eifer des Gefechts nicht Argumente benutzt werden, die weniger auf Evidenz zurückzuführen sind als auf den unbedingten Willen, die eigene Position durchzusetzen. Abseits von politischen Bewertungsfragen müssen wir im parlamentarischen Prozess dafür sorgen, falsche Begründungen als solche zu identifizieren und als Argumente aus der Debatte herauszunehmen. Deshalb sollten wir mit Blick auf die Anhörung im Gesundheitsausschuss folgende Punkte festhalten: Eine Herdenimmunität wird durch die Impfung nicht erreicht. Eine deutlich gefährlichere Virusvariante im kommenden Herbst ist nicht das wahrscheinlichste Szenario. Ungeimpfte sind nicht schuld daran, dass sich andere Menschen infizieren. Wir hatten keine Überlastung des Gesundheitssystems und werden voraussichtlich auch keine bekommen. Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht mit einem nur bedingt zugelassenen Impfstoff ist verfassungsrechtlich ohnehin ein Problem. Wenn wir uns auf diese Punkte verständigen können, darf es aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Impfpflicht geben. Es ist nämlich nicht die Aufgabe des Staates, erwachsene Menschen gegen ihren Willen zum Selbstschutz zu zwingen. Dieses Haus hat eine Vorbildfunktion für die Debattenkultur in unserem Land. Deshalb darf es nicht darum gehen, am Ende einer Abstimmung als vermeintliche Sieger oder Verlierer dazustehen. Es muss uns darum gehen, am Ende die rechtlich und gesundheitspolitisch beste sowie die gesellschaftlich verträglichste Lösung gefunden zu haben. Hier können die Menschen erwarten, dass neue Erkenntnisse auch zu einer Revision der alten Positionen führen. Wenn die Delta-Variante viele in diesem Hause zum Umdenken in Sachen Impfpflicht gebracht hat, dann muss das Auftreten der milderen Omikron-Variante konsequenterweise ebenfalls zu einem Umdenken führen. Die Menschen können nachvollziehen, dass bei einer Verschärfung der Situation auch schärfere politische Maßnahmen gefordert werden. Wenn diese schärferen Maßnahmen aber auch gefordert werden, obwohl die Situation sich entspannt hat, dann stellt sich die Frage, ob es wirklich noch um eine sachgerechte politische Lösung oder eher darum geht, die politische Deutungshoheit zu behalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ethikrat, auf den sich ja so viele immer wieder berufen – ich empfehle, die 161 Seiten der Veröffentlichung des Ethikrats mal zu lesen –, hat in dieser Woche eine bemerkenswerte Stellungnahme zur vergangenen und künftigen Auseinandersetzung mit der Coronapandemie abgegeben. Er formulierte unter anderem – ich zitiere –: Frau Präsidentin, mein letzter Satz: Deshalb ist eine allgemeine Impfpflicht, ob ab 18 oder 60, weder rechtlich noch gesellschaftspolitisch zu rechtfertigen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.