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Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Am 4. April 1992 brach ein dunkles Kapitel über die Geschichte Europas herein. Es war ein Angriffskrieg gegen einen modernen europäischen Staat mit dramatischen Folgen für das Land und seine Menschen: mehr als 100 000 Tote, darunter Großeltern, Väter und Mütter, brutale Kriegsverbrechen wie die Vergewaltigung von Frauen und die Ermordung von Kindern, das Massaker in Prijedor, die jahrelange Belagerung von Sarajevo, der Völkermord von Srebrenica. Insgesamt wurden in den vier Jahren Krieg über 2 Millionen Menschen vertrieben. Es war ein Krieg gegen die europäischen Werte, der Einheit in Vielfalt. In der Stunde der Not hofften die Menschen in Bosnien-Herzegowina auf Europa, auf Deutschland.
Zu den Kriegsflüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina – erlauben Sie mir an dieser Stelle, etwas persönlich einzubringen – zählten auch meine Eltern und mein großer Bruder. Vor 30 Jahren sind meine Eltern mit meinem Bruder aus der multiethnischen Stadt Kotor Varos über Zagreb nach Hannover geflohen. In diesem Krieg haben wir auch unseren Großvater verloren – einer der Verschollenen; er wurde erst 2015 in einem Massengrab wiedergefunden. Deutschland ist seitdem unsere neue Heimat.
Ich kam vor 28 Jahren in Hannover zur Welt und habe jetzt das Glück und die Chance, hier vor Ihnen zu sprechen. Ich bin nicht nur dafür dankbar, sondern es ist ein historisch wichtiges Signal, was wir hier aus diesem freiheitlich-demokratischen Haus entsenden, weil wir uns fraktionsübergreifend darauf verständigt haben, diese Debatte zu führen. Von Herzen sage ich dafür Danke, liebe Demokratinnen und Demokraten.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Uns haben in den letzten Tagen die blutigen Bilder aus Butscha fassungslos gemacht; viele sprechen vom neuen Srebrenica. Angesichts des aktuellen brutalen Angriffskriegs auf die Ukraine müssen wir uns auch die Frage stellen: Welche Auswirkungen hat dieser Krieg eigentlich für den Westbalkan und speziell für Bosnien-Herzegowina?
Im vergangenen Monat hat der russische Botschafter in Sarajevo angedroht, dass dem Land Selbiges wie der Ukraine widerfahren wird, wenn es sich zu einem NATO-Beitritt entscheiden sollte. – Dies ist eine völkerrechtswidrige Drohung und ein weiterer Versuch der Destabilisierung des Westbalkans, des Mittelmeerraums und damit auch von ganz Europa. In der Region nutzen genau diese Unruhen die ethnonationalistischen Kräfte aus, um Hoffnung auf Demokratie und eine friedliche Zukunft zu zerstören.
Meine Damen und Herren, wir brauchen einen konkreten Plan für Wohlstand, Frieden und Demokratie.
Erstens. Der westliche Balkan muss fester Bestandteil unserer Außen- und Sicherheitspolitik werden.
Zweitens. Wir dürfen nicht in Hinterzimmern verhandeln, sondern nur mit denen, die an Demokratie und an Europa glauben.
Drittens. Wir müssen für Sicherheit einstehen, indem wir EUFOR-Althea stärken.
Viertens. Wir müssen den Hohen Repräsentanten stärken – Christian Schmidt, der live zuguckt –, dass er diejenigen von der Macht fernhält und sanktioniert, die für Unfrieden sorgen.
Und fünftens. Wir brauchen eine klare EU-Perspektive. Bosnien-Herzegowina und seine Nachbarn müssen in die Europäische Union aufgenommen werden, liebe – – ich hätte fast schon Genossinnen und Genossen gesagt, meine Damen und Herren.
Heiterkeit und Beifall bei der SPD
Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Thomas Erndl [CDU/CSU])
Sie merken: Das Thema geht mir nahe. Ich habe natürlich Persönliches damit verbunden. Es ist, wie gesagt, ein starkes Zeichen, das wir heute hier entsenden. Die Mehrheit der Menschen auf dem Westbalkan sind europäisch, sie fühlen europäisch, und sie denken europäisch. Und das ist das Wichtigste, meine Damen und Herren.
Zum Schluss – Herr Präsident, ich weiß, ich habe noch zehn Sekunden – habe ich einen Wunsch. Wenn in 30 Jahren hier im Deutschen Bundestag wieder auf Bosnien-Herzegowina oder auf die Ukraine zurückgeblickt wird, steht dann hier am Rednerpult eventuell ein Kind ukrainischer Flüchtlinge, das in Deutschland geboren ist. Für dieses Kind wünsche ich mir, dass es auf Europa ohne einen neuen brutalen Krieg blickt. Es liegt in unserer Hand. Lassen Sie uns dafür arbeiten!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich will jetzt niemanden animieren, länger zu reden als gedacht. Aber wenn es blinkt und die Zeit abgelaufen ist, gibt es immer noch 10 bis 15 Sekunden obendrauf, damit Sie zu einem Ende kommen können. Aber das heißt jetzt nicht, dass Sie die Redezeiten überschreiten sollen.
Die Debatte ist damit beendet.