- Bundestagsanalysen
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! April, heute vor 30 Jahren – wir gedenken heute des Kriegsbeginns in Bosnien und Herzegowina. Ich möchte auch noch ein paar Jahrzehnte zurückgehen, nämlich zum April 1941. Im April 1941, also vor 81 Jahren, hat Nazideutschland Bosnien und Herzegowina überfallen. Nazideutschland, die Wehrmacht hat zu diesem Zeitpunkt auch Sarajevo überfallen. Auch das soll heute nicht vergessen werden. Deswegen ist es falsch, wenn wir gerade in diesen Wochen und Tagen immer wieder hören, dass es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges keinen Krieg auf europäischem Boden gegeben hat; denn dieser Krieg, der vor 30 Jahren in Bosnien und Herzegowina begonnen hat, ist noch heute für die Menschen in Bosnien und Herzegowina real. Dieser Krieg war damals mit vielen Gräueltaten verbunden. Es gab den Genozid von Srebrenica, der nicht vergessen ist. Es gab Internierungslager. Es wurden systematisch Massenvergewaltigungen als Bestandteil eines kriegsverbrecherischen Systems eingesetzt. Das alles darf nicht vergessen werden.
Wenn wir uns die heutige Realität der Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina anschauen, so stellen wir fest: Dieses Land durchlebt die größte Krise nach Beendigung des Kriegs von vor 30 Jahren – Frau Staatsministerin Lührmann hat es gerade schon angesprochen –: Es gibt Separationsbestrebungen der Republika Srpska. Präsident Milorad Dodik wird bei diesen Separationsbestrebungen von Moskau, aus dem Kreml, befeuert und unterstützt. Schon in wenigen Wochen, Anfang Mai, treten erste Gesetze in Kraft, die die ersten Schritte zur Herauslösung der Republika Srpska aus dem Gesamtstaatengefüge sein sollen.
Ich will daran erinnern, dass es für die Menschen in Bosnien und Herzegowina heute neben den politischen Bedrohungen, neben der politischen Realität – immer noch 7 000 Menschen werden vermisst; ihr Schicksal, ihr Verbleib ist nicht aufgeklärt – noch eine Gefährdung gibt, die aus der Zeit des Krieges von vor 30 Jahren herrührt: Bosnien und Herzegowina gilt mit immer noch 180 000 Landminen als eines der am meisten verminten Länder dieser Welt. Ein Waldspaziergang ist daher wirklich eine gefährliche Sache.
Wenn wir gerade im Kontext dieses Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine in diesen Wochen und Tagen hören müssen, dass der russische Botschafter in Sarajevo in Bezug auf eine potenziell mögliche NATO-Mitgliedschaft des Landes Bosnien und Herzegowina in den Medien des Landes vernehmen lässt: „Wir mischen uns da nicht ein, wir haben das nicht zu kommentieren, wenn das Land selbst eine interne Entscheidung trifft“, er dann aber direkt im nächsten Satz anschließt, dass die Reaktion Moskaus darauf eine andere Sache sei, dann ist das eine unverhohlene Drohung gegen die Bevölkerung Bosnien und Herzegowinas, meine Damen und Herren.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Im Jahre 2016 – so lange ist es schon her – hat Bosnien und Herzegowina einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt. Seitdem ist was geschehen? Sehr wenig. Immer noch ist Bosnien und Herzegowina nur potenzieller Kandidat. Das ist nicht gut für das Land, für die Menschen. Das ist nicht gut für die Europäische Union, so wie sie heute dasteht. Das ist deswegen nicht gut, weil immer mehr Kräfte in Bosnien und Herzegowina und – ich schließe an – in der gesamten Balkanregion, in den gesamten sechs Staaten des westlichen Balkans, an Einfluss gewinnen, die es nicht gut meinen mit Demokratie, mit Rechtsstaatlichkeit, mit freier Meinungsäußerung; ich will die Länder hier gar nicht namentlich benennen, sie sind bekannt. Wir müssen daraus die entsprechenden Lehren ziehen und Bosnien und Herzegowina und den Staaten des westlichen Balkans eine beschleunigte europäische Perspektive im Schoße der Europäischen Union – nicht nur geografisch, sondern auch als Mitglied – geben. Dieser Prozess muss deutlich schneller erfolgen als bisher.
Es ist gut, zu sehen, dass fünf Kompanien, 500 Mann stark, zur Operation Althea hinzugekommen sind. Es ist gut, dass der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, mit der Außenministerin bei deren Besuch – Staatsministerin Lührmann hat ihn angesprochen – darüber gesprochen hat, dass EUFOR ein eigenes deutsches Mandat bekommt, durch das die Operation verstärkt wird.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Das ist der richtige Weg, der auch die Unterstützung meiner Fraktion erfahren wird. Ich mahne lediglich an: Pläne zur Umsetzung des Mandats haben wir noch nicht gesehen. Ich rege außerdem an, dass es nicht nur punktuell, sondern auf das gesamte Land Bosnien und Herzegowina ausgerichtet ist, um hier operieren zu können. Das tut not; denn wir brauchen Stabilität im Herzen Europas. Bosnien und Herzegowina gehört in die Europäische Union.
Herzlichen Dank.
Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die Bundesregierung hat das Wort Bundesministerin Svenja Schulze.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)