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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Haushaltsreden zum Einzelplan des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft haben wir ein Augenmerk auf die Belastungen der Landwirtschaft in der Coronazeit gelegt. Bei ganz vielen Maßnahmen darüber hinaus zu Fragen wie „Wem steht ein Kitaplatz zu?“ und „Wer hat vorrangig Zugang zu irgendwelchen Leistungen?“ haben wir die Landwirte ein bisschen aus den Augen verloren und deren Systemrelevanz noch nicht festgestellt. Ich denke aber, wir sind uns einig, dass auch diejenigen, die unsere Lebensmittel produzieren, nämlich unsere Landwirte mit ihren Familien, systemrelevant sind.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Sie arbeiten nicht etwa im Homeoffice, sondern täglich – 24/7 – bei Wind und Wetter, Sommer wie Winter, auf den Feldern, in den Ställen, aber auch im Büro, weil in vielen Bereichen ausgedehnte Dokumentationspflichten bestehen.
Diesen Arbeitseinsatz können wir gar nicht genug wertschätzen.
Viele Kinder kennen den Beruf des Landwirts oder der Landwirtin nur noch aus dem Bilderbuch. Bei ihnen reift dann manchmal der Berufswunsch: Ich werde Treckerfahrer.
Söhne und Töchter von Landwirten sind heute jedoch keineswegs mehr selbstverständlich bereit, die elterlichen Betriebe zu übernehmen. Sie wissen nämlich, mit welchen Sorgen und Nöten bzw. Herausforderungen ihre Eltern zu kämpfen haben: Afrikanische Schweinepest, Coronapandemie, Vogelgrippe, zu viel oder zu wenig Sonne, zu viel oder zu wenig Regen, Ausfall von Erntehelfern, Umsetzung von politischen Entscheidungen. – Oft genug müssen alle Familienmitglieder selbst mit anfassen, weil viel Arbeit zu leisten ist, aber die Betriebe nicht genug abwerfen, um Mitarbeitende anzustellen.
Die Landwirte in meinem Wahlkreis sind bereit, in Veränderungen zu investieren. Aber, so sagen sie mir – insbesondere wenn ich mit den Kreislandwirten rede –, sie wünschen sich dann auch die Sicherheit, dass ihre Darlehen noch abbezahlt werden können, bevor sie wieder weitere Maßnahmen auferlegt bekommen, bevor wir weitere Maßnahmen von ihnen fordern und sie dann vor der schwierigen Entscheidung stehen: Sollen wir jetzt nachfinanzieren, oder sollen wir gleich die Notbremse ziehen und den Betrieb aufgeben?
Unsere politischen Entscheidungen sollen unsere Landwirtschaft zukunftsfähig machen, und das bedeutet Veränderung. Aber wenn wir etwas einfordern, dann muss das auch entsprechend gefördert werden. Diese Gewissheit brauchen unsere Landwirte.
Beifall bei der SPD und der AfD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Diese Familien lieben ihre Arbeit und wollen sie auch gerne fortsetzen. Wir haben es eben gehört: Das sind oft Generationenbetriebe. Dafür brauchen sie unsere Unterstützung, und dafür werden wir uns in der Fortschrittsampel auch einsetzen.
Der zweite Regierungsentwurf für den Haushaltsplan 2022 des Ministeriums sieht einen Gesamtetat in Höhe von 7,1 Milliarden Euro vor. Das sind rund 570 Millionen Euro weniger als 2021, aber das ist noch dem Auslaufen des zeitlich befristeten Konjunkturprogramms „Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“ geschuldet. Fast 4 Milliarden Euro davon – das heißt, über die Hälfte des Gesamtetats – sind Ausgaben für die landwirtschaftliche Sozialpolitik, also für die Alterssicherung der Landwirte, die landwirtschaftliche Krankenversicherung und Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Wobei hier auch nicht unerwähnt bleiben soll, dass letztere Zuschüsse von 177 Millionen Euro auf 100 Millionen Euro gekürzt wurden, mit der Begründung, das sei eine Anpassung an die Finanzplanung – und das aufgrund einer Entscheidung in der letzten Legislatur unter einer Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner.
Lachen des Abg. Albert Stegemann [CDU/CSU])
Das wird in den Haushaltsberatungen sicherlich noch zu Diskussionen führen.
– Ich finde das auch unfassbar; das war noch in der alten Legislatur. Das werden wir sicherlich noch diskutieren müssen.
Zu den Aufgaben des Ressorts gehören auch der gesundheitliche Verbraucherschutz und Ernährung. Dafür sind Ausgaben in Höhe von 168 Millionen Euro vorgesehen, zum Beispiel für Zuschüsse an die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. Der größte Anteil aus diesem Kapitel in Höhe von 138 Millionen Euro steht für die Erstattung der Verwaltungskosten des Bundesinstituts für Risikobewertung zur Verfügung. Und was macht dieses Institut? Dieses Institut bewertet gesundheitliche Risiken für unsere Gesellschaft, ermittelt neue gesundheitliche Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher und transportiert dies entsprechend in die Öffentlichkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als ob wir nicht schon genug Herausforderungen im Hinblick auf die Sicherstellung von gesunder Ernährung gehabt hätten, kommt jetzt noch der Krieg in der Ukraine dazu. Putins Einmarsch in die Ukraine bedroht die Nahrungsmittelversorgung nicht nur hier im Land, sondern von Millionen Menschen weltweit. Die Ukraine gilt als Kornkammer Europas. Dank unserer Landwirte werden wir in Deutschland von Lieferengpässen beim Weizen in der Europäischen Union aber nicht betroffen sein. So äußerte sich bisher der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied.
Wir alle haben beim Einkaufen bestimmt schon selbst festgestellt, dass Sonnenblumenöl im Lebensmitteleinzelhandel knapp geworden ist. Deutschland deckt diesen Bedarf zu über 90 Prozent aus Importen. Die Ukraine ist dagegen bei Sonnenblumenöl Exportland Nummer 1 mit 51 Prozent, und Russland hat einen Anteil von 27 Prozent. Nicht nur in diesem Bereich müssen wir also mit Rohstoffverknappung rechnen. Wer hätte das vor dem 24. Februar 2022 gedacht!
Ich möchte unbedingt appellieren, dass wir jetzt nicht, wie zu Beginn der Coronapandemie, wieder völlig unsinnige Hamsterkäufe starten und statt Toilettenpapier jetzt Sonnenblumenöl horten. Das ist eine ganz eindringliche Bitte – auch nach draußen an alle, die das hören.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die ländlichen Räume, die Forstwirtschaft und die Fischerei schauen mit großem Interesse auf die Entwicklung des Haushalts des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Für diese stehen unter anderem die in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ veranschlagten Mittel – die sogenannten GAK-Mittel – zur Verfügung. Sie sind überwiegend zweckgebunden in Form von Sonderrahmenplänen. Der Bund stellt den Ländern hierfür Mittel bereit. Die Durchführung der Fördermaßnahmen obliegt dann den Ländern.
Einige Sonderrahmenpläne will ich nennen: Sonderrahmenplan für Maßnahmen des Insektenschutzes – dafür stehen 150 Millionen Euro im Haushalt –, Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“ mit 190 Millionen Euro und Sonderrahmenplan „Maßnahmen des Küstenschutzes in Folge des Klimawandels“ mit 25 Millionen Euro. Darüber hinaus stehen Mittel für Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls – 15 Millionen Euro – und für Maßnahmen zur Bewältigung der durch Extremwetterereignisse verursachten Folgen im Wald – 120 Millionen Euro – zur Verfügung. Denn auch in diesen Bereichen stehen wir vor großen Herausforderungen. Der Haushalt heißt zwar „Ernährung und Landwirtschaft“, aber wir dürfen unsere Forstwirte hier nicht vergessen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin sehr gespannt, wie wir hier in der Ampel zukünftig mit dem Wald umgehen. Es gibt einige, die meinen, man solle den Wald in Ruhe lassen, damit er sich erholt. Seit Jahrhunderten werden aber auch unsere Wälder, genau wie Ackerland, bewirtschaftet. Daran darf sich meiner Auffassung nach und auch nach Auffassung meiner Fraktion nichts ändern.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP
Nur eine sinnvolle Bewirtschaftung wird uns die Möglichkeit geben, unseren Wald fit für die Zukunft zu machen und ihn zu nutzen, um einen wichtigen Beitrag für mehr Klima- und Umweltschutz, zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zur Instandhaltung natürlicher Ökosysteme zu leisten, aber zum Beispiel auch für die Produktion von Bauholz.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Auch dafür lohnt es sich, dass in diesem Haushaltsentwurf 200 Millionen Euro zusätzlich für die Honorierung der Ökosystemleistungen des Waldes eingestellt sind.
Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen und sicherlich sehr, sehr spannende Diskussionen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Kollegin Esther Dilcher. – Es folgt nun für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Peter Felser.
Beifall bei der AfD)