Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Irgendjemand aus der Grünenfraktion hat gerade reingerufen, so andächtig habe man die Unionsfraktion noch nie erlebt. Das lag vielleicht an der Rede des Herrn Ministers, in der wenig Konkretes drin war, wenig zu dem, was gemacht werden muss, wenig zu den Vorhaben dieser Bundesregierung in der Landwirtschaftspolitik. Ich will eingangs auch durchaus anerkennend sagen – Sie haben es angesprochen –: Was Ihr Ministerium zusammen mit der deutschen Ernährungswirtschaft mit Lebensmittellieferungen an Hilfe für die Ukraine leistet, verdient wirklich Anerkennung. Wir sind schon wieder mit einer Situation, mit einer großen Krise für unser Land konfrontiert, die der Koalitionsvertrag der Regierung nicht vorhergesehen hat, auch gar nicht vorhersehen konnte, nämlich mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Dadurch ist vieles anders. Das gilt eben auch für die Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik. Vor nicht einmal einem Vierteljahr haben wir erstmals in dieser Legislaturperiode in diesem Haus grundsätzlich über die Ausrichtung der deutschen Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik diskutiert. Ich habe damals in meiner Rede deutlich gemacht, dass auch unter einem Bundesminister Özdemir die Ernährungssicherung für alle mit möglichst fairen Preisen und die Einkommenssicherung unserer Landwirte im Zentrum der Agrarpolitik stehen sollte. Im Protokoll Ihrer damaligen Rede, lieber Cem Özdemir, sucht man den Begriff „Ernährungssicherung“ vergeblich. In den ersten 100 Tagen Ihrer Amtszeit – das ist gerade auch so ein bisschen angeklungen – haben Sie viel auf die Vorgängerregierung geschimpft. Es verging wirklich kaum ein Tag, an dem Sie nicht bei Twitter oder in Interviews auf die Vorgängerregierungen verwiesen haben und der Vorgängerregierung Versäumnisse vorgeworfen haben. Das waren viele Jahre mit der SPD, auch vier Jahre mit der FDP in den 16 Jahren, in denen wir Verantwortung tragen durften. Aber Sie haben immer wieder versäumt, darauf hinzuweisen, was sich alles getan hat in diesen vergangenen Jahren. Sie haben gerade kurz die Zukunftskommission Landwirtschaft angesprochen. Das gehört doch absolut zu den Erfolgen der gemeinsamen Politik, die wir mit der SPD gemacht haben. Allein der Prozess – das sagt Ihnen jeder der Beteiligten, egal ob Naturschutzverband, Landwirtschaftsverband, wer auch immer – war schon sehr hilfreich. Es sind konkrete Ergebnisse erarbeitet worden. Jetzt geht es natürlich um die Umsetzung. Da sind Sie in der Verantwortung. Für die Koalition, für den Minister muss das ein Erwachen in der Realität der Regierungsverantwortung sein, das sicherlich besonders schmerzhaft ist. Denn nun wird aufgrund der Dramatik der Situation in der Ukraine ganz offensichtlich, dass eine hinreichende Versorgung und gesunde Lebensmittel nicht durch Sonntagsreden entstehen, sondern etwas mit Produktion zu tun haben, mit finanziellen Rahmenbedingungen und mit dem Markt. Das muss wieder in das Zentrum, in den Mittelpunkt Ihrer Landwirtschaftspolitik gerückt werden. Wenn wir wollen, meine Damen und Herren, dass unsere Landwirte in der Lage bleiben, die Ernährung für Menschen zu sichern, dann brauchen sie Planungssicherheit, dann brauchen sie ökonomische Luft zum Atmen, und sie brauchen vor allem Wertschätzung. Das sollte in der aktuellen Situation doch allen klar sein. Bevor jetzt aber – das ist gerade auch schon angeklungen – der übliche Rollback-Vorwurf kommt: Nein, wir wollen keinen Rollback in der Landwirtschaftspolitik. Wir stehen zu unseren Zielen beim Klima- und Umweltschutz, bei der Förderung der Biodiversität, beim Tierwohl und beim nachhaltigen Anbau. Zur Regierungsverantwortung gehört aber, sich auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen und das Beste daraus zu machen. Das heißt auch, dass Ziele beibehalten werden, aber, wenn es nötig ist, auch mal in einem anderen Tempo oder in einer anderen Reihenfolge. Dazu rufe ich Sie auf, Herr Minister. Haben Sie den Mut, nicht einfach so weiterzumachen, sondern die Politik klug an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Ich will an dieser Stelle gar nichts sagen zu Ihrem Vorstoß, weniger Fleisch zu essen, wäre ein Beitrag gegen Putin. Wichtiger als solche Pressegeschichten ist doch: Wir alle wissen um die große Bedeutung der landwirtschaftlichen Produktion in der Ukraine und in Russland für die Menschen vor Ort, bei uns und auf der gesamten Erde. Deshalb gilt es jetzt, in einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland und Europa und die Nahrungsmittelversorgung nachhaltig krisenfest zu machen. Oder anders gesagt: Wir müssen auch bei uns in Europa, bei uns in Deutschland wieder mehr Nahrungsmittel produzieren. Auf keinen Fall aber sollten wir weniger produzieren. Und die im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU geplante Flächenstilllegung von 4 Prozent der wertvollen Ackerfläche verbietet sich zum jetzigen Zeitpunkt, meine Damen und Herren. Herr Minister, die Landwirte brauchen Unterstützung beim Umbau der Tierhaltung. Sie müssen in Ihrem Haushalt dafür sorgen, dass dieser Umbau dauerhaft finanziell abgesichert wird. Sie haben gerade selbst angedeutet, dass die bisher vorgesehenen Mittel dafür nicht ausreichend sind. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie mit Ihrem Koalitionspartner FDP beim Thema Steuerfinanzierung nicht weiterkommen. Ich glaube auch nicht, dass eine Abgabe die Lösung sein wird. Also muss das Geld für den Umbau aus dem Haushalt kommen. Sie müssen sicherstellen, dass die nötigen Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden, Herr Minister. Was aktuell gar nicht geht, sind noch mehr Belastungen vonseiten des Staates. Die hohen Energiepreise sind dramatisch genug. Deswegen, meine Damen und Herren, brauchen wir ein Belastungsmoratorium, ein Belastungsmoratorium für die bäuerlichen Familienbetriebe, für die Viehhalter, für die Winzer oder auch für unsere Fischer. Um nur ein konkretes Beispiel zu nennen: 80 Prozent des Umsatzes sind Energiekosten bei manchen dieser Fischereibetriebe. Ohne konkrete Hilfe wird es für diese Betriebe nicht möglich sein, die nächsten Wochen zu überleben. Dieses Beispiel zeigt: Mehr denn je braucht die Land- und Ernährungswirtschaft einen Minister, der für ihre Interessen kämpft. Haben Sie Mut. Ihr Koalitionsvertrag ist angesichts der aktuellen Herausforderung ohnehin weitestgehend nur noch Makulatur. Tun Sie das Notwendige in der Bundesregierung und in Brüssel! Drei Punkte will ich Ihnen noch mit auf den Weg geben. Erstens. Die EU-Agrarpolitik muss die Ernährungssicherheit grundlegend stärker in den Blick nehmen. Zweitens. Der EU-Green-Deal und die Farm-to-Fork-Strategie müssen grundlegend neu bewertet und einer Folgenabschätzung unterzogen werden. Drittens. Es gilt, nachhaltige und ökologische Intensivierung mit modernen Technologien und Innovationen zu fokussieren. Das ist meine Meinung, – – das steht aber auch in einem aktuellen Papier Ihres Koalitionspartners FDP. Das sind kluge Worte, denen Sie folgen sollten, Herr Minister. Vielen Dank.