Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Regierungsentwurf liegt vor. Sicherheit ist das zentrale Versprechen eines modernen Staates. Darüber werden wir in den nächsten Wochen ringen und debattieren, wenn es darum geht, den guten Haushaltsentwurf – wie das unser Haushälter Martin Gerster auf den Punkt gebracht hat – noch besser zu machen. Wir haben ja schon einiges an Vorschlägen vernommen. Das Wichtigste an den Anfang, liebe Kolleginnen und Kollegen: Diese Sicherheit steht im Wandel. Wir sind mit anderen Herausforderungen konfrontiert; das sehen wir, wenn wir die Cyberlage betrachten oder wenn wir die digitale Bedrohungslage unseres Staates, unserer Gesellschaft betrachten. Aber seit mehr als vier Wochen sind wir mit einer Situation konfrontiert, die nichts Geringeres ist als die größte humanitäre Katastrophe auf dem europäischen Kontinent seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Wenn ich jetzt in Richtung der CDU/CSU schaue, dann vernehme ich einiges an Vorwürfen, die in den Raum gestellt worden sind, die aber – und das will ich in aller Deutlichkeit sagen – nicht den Hauch einer Chance des Beweises dafür haben, dass sie der Realität entsprechen. Sie sollten sich fragen, ob Sie angesichts dieser Situation Ihrer Rolle als konstruktive Opposition überhaupt gerecht werden, wenn Sie hier mit Falschbehauptungen arbeiten. Ich kann Ihnen versichern: Das, was Sie hier machen, ist eine Traumaaufarbeitung Ihrer missglückten Amtszeiten von Thomas de Maizière und Horst Seehofer. Da wurde auf der einen Seite von Angela Merkel gesagt: „Wir schaffen das“, und auf der anderen Seite rief der bayerische Ministerpräsident wenige Wochen danach: Es ist die Herrschaft des Unrechts. – Frau Kollegin, ich sehe Sie. Liebe Frau Kollegin, da wir in der Vergangenheit gemeinsam an allen Sitzungen des Innenausschusses teilgenommen haben, zumindest was diese Wahlperiode angeht, ist die Antwort auf den letzten Teil Ihrer Frage, ob wir gemeinsam anwesend waren: Ja. Ich frage Sie aber umgekehrt, ob Ihnen bewusst ist, dass es einen erheblichen Unterschied dazu gibt, wie die Vorgänger von Frau Nancy Faeser als Innenministerin mit der Frage von Flucht und Migration umgegangen sind. Ich benenne namentlich Thomas de Maizière, und ich benenne auch Horst Seehofer, der in den letzten zwei Jahren der Pandemie im Übrigen als zuständiger Minister für den Bevölkerungsschutz vollkommen auf Tauchstation war, Frau Kollegin. Wir haben ein, zwei Lehren aus der Situation von 2015/2016 gezogen. Ich sage es Ihnen ganz konkret: Erstens haben wir als Ampelkoalition auf eines geachtet, nämlich dass wir die Obleute und Sprecher aller Fraktionen des Innenausschusses in regelmäßige Lage-Briefings einbezogen haben. Das gab es bei CDU/CSU nicht. Das war der erste Punkt. Der zweite Punkt ist: Im Rahmen dieser Gespräche ist regelmäßig – – – Fragen Sie Ihren Sprecher, es sind mindestens drei Besprechungen gemeinsam durchgeführt worden. Im Rahmen dieser Besprechungen ist dynamisch über die Lage informiert worden, und zwar dass sich in den ersten Wochen das Geschehen der Migration unterschiedlich verhalten hat im Vergleich zu dem zweiten Teil der Migration. Wir redeten zu Anfang über mehrere Tausend Flüchtende. Da gab es eine große Welle der Freiwilligkeit, wo die Länder Plätze nach dem Pledging-Verfahren angeboten haben. Sie haben gesagt: Wir bieten Plätze an, wir wollen aber keine Verteilung. Als wir dann feststellten, dass bestimmte Hotspots entstanden sind wie Berlin oder Hamburg, und die Länder auch deutlich auf den Bund zugegangen sind, haben wir gesagt: Wir müssen zu einer festen Verteilung übergehen. Das ist im Rahmen dieser Besprechungen auch angesprochen und thematisiert worden. O-Ton, Zitat: Wir sind noch nicht an dem Punkt der festen Zuweisung. Wir werden an diesen Punkt kommen. Dritter und letzter Punkt, Frau Kollegin. – Ach, Herr Kollege Oster, jetzt hören Sie zu! und ein gemeinsames „Wir schaffen das“ daraus machen, und wenn wir wirklich an die Seite der Länder rücken wollen, dann werden wir diese Krise auch gemeinsam bewältigen. Ich frage Sie: Ist Ihnen bewusst, dass der nun in Rede stehende § 24 des Aufenthaltsgesetzes, der novelliert worden und entsprechend in das deutsche Recht eingefügt worden ist, zu Zeiten der Union in das Aufenthaltsrecht übernommen worden ist, die Regelungen dort seit Regierungswechsel nicht verändert worden sind und die Kapazitäten der deutschen Behörden auch nicht verändert worden sind? Das heißt, Sie tragen im Kern die Verantwortung dafür, dass das Recht existiert und dass sie dieses anwenden lassen müssen. Und es gibt einen Unterschied zu Horst Seehofer und Thomas de Maizière, den wir hier noch erwähnen müssen. Nancy Faeser ist die erste Innenministerin in Deutschland, der es gelungen ist, dass alle europäischen Staaten an einem Strang ziehen, und ist nicht wie der ehemalige Innenminister auf Tauchstation gegangen, während sich Angela Merkel gegen den Rest der europäischen Staaten gestellt und gesagt hat: Wir schaffen das. – Das ist Ihre Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das geht mir in dieser Migrationsdebatte dermaßen auf die Nerven. Sie schauen sich nicht das Kollektiv der Geflüchteten an. Es sind andere Menschen gekommen – Frauen, Kinder und Gebrechliche –, und Sie diskutieren über Registrierung. Sie versuchen, das auseinanderzutreiben, anstatt dafür zu sorgen, dass wir alle zusammenstehen in dieser Situation, die unser Land und diesen Kontinent fordert. Sie werden Ihrer Rolle nicht gerecht. Meine Redezeit läuft nun weiter. – Wir machen ein Angebot an die Union, weil sie die demokratische Opposition ist. Wir können das in jeder Innenausschusssitzung durchexerzieren. Sie haben 16 Jahre lang die Verantwortung getragen. Sie haben es doch nicht auf die Kette bekommen. Sie waren doch auf Tauchstation, und Sie versuchen jetzt, das auseinanderzutreiben; aber wir werden stärker sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist eine europäische Herausforderung, und es muss uns bewusst sein – dabei gucke ich in die ganz rechte Ecke dieses Hauses –: Wer mit zwei Reden jedes Mal Geflüchtete und angebliche Trittbrettfahrer in den Mittelpunkt stellt, es aber nicht ein einziges Mal schafft, Putin, der diesen Angriffskrieg führt und die Ursache ist, zu verurteilen, der verpasst etwas. Uns muss bewusst sein, liebe Kolleginnen und Kollegen: Jetzt ist die Stunde Europas gekommen. Jetzt kommt es darauf an, dass wir gemeinsam diese humanitäre Katastrophe bewältigen. Da wir in den Haushaltsberatungen sind und wissen, dass der Regierungsentwurf einen Tag vor dem Angriff eingebracht worden ist, müssen wir auch in aller Offenheit sagen – Frau Lindholz, ich habe es gehört; aber ich kann es Ihnen auch noch mal erklären –: Wir müssen anerkennen, dass der Regierungsentwurf zunächst von Ihnen eingebracht und von uns verbessert worden ist. Und er wird noch einmal besser werden; denn es wird einen weiteren Schritt geben müssen. Sicherheit im Wandel braucht auch mehr Investitionen, und die sind Sie schuldig geblieben. Es waren Ihre Innenminister, es waren Ihre Finanzminister, die Personal abgebaut haben, die Mittel gekürzt haben und die immer über die schwarze Null geredet haben, aber zu selten über Sicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie sind verantwortlich dafür, dass der Bevölkerungsschutz in Deutschland nicht leistungsfähig war. Der Warntag war Ihr Horst-Seehofer-Flop und nicht unserer, und das wird nicht noch mal passieren, weil wir jetzt regieren und weil Sie in der Opposition sind, und das haben die Wählerinnen und Wähler entschieden. Wir werden mehr in den Zivilschutz investieren müssen; das sage ich Ihnen zu. Da die Friedensdividende verbraucht worden ist, was die Streitkräfte angeht, müssen wir mehr in den Bevölkerungsschutz, mehr in den Zivilschutz und mehr in den Cyberschutz investieren. Ich bin mir sehr sicher, dass die Ampelkoalition genau diesen Weg in den Haushaltsberatungen gehen wird; das sage ich Ihnen zu. Und wenn Sie dann doch einen konstruktiven Beitrag leisten möchten, indem Sie zum Beispiel auf die Länder einwirken Ich möchte mich an die Mitbürgerinnen und Mitbürger in diesem Land wenden. Ich glaube, wenn der Tag kommt, an dem wir sagen: „Heute ist Waffenstillstand in der Ukraine“ – wir hoffen auf diesen Tag, damit dieser Krieg endet; aber schon jetzt sind, Stand heute, 3,5 Millionen Menschen nach Europa geflohen, und dazu kommen noch Millionen Binnenvertriebene in der Ukraine, wer in diesem Hohen Haus glaubt denn wirklich, dass dann Millionen Geflüchtete sofort zurückgehen? Die Ukraine wird einen Marshallplan zum Wiederaufbau brauchen. Wir werden in Gebäude, in Schulen, in Krankenhäuser – alles zerstört, zerbombt – investieren müssen. Die drei Jahre, die der temporäre Schutz jetzt umfasst, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind erst der Anfang. Es wird uns fordern. Und das, was jetzt binnen vier Wochen quasi im Zeitraffer passiert, entspricht dem, was 2015 und 2016 passiert ist. Lassen Sie uns als demokratische Kräfte in diesem Haus zusammenarbeiten. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass diese gemeinsame Aufgabe Europas und Deutschlands bewältigt wird; es ist eine Bund- und Länderaufgabe. Aber die Kosten dürfen nicht erneut – dieser Fehler wurde 2015/2016 gemacht – an den Kommunen hängen bleiben. Sie tragen sowieso die Hauptlast. Danke an die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler. Wir stehen an Ihrer Seite!