Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Lauterbach! Corona ist nicht vorbei; das stimmt. Dieser Satz wird ja jetzt gerade immer mantraartig wiederholt, weil bestimmte Kolleginnen und Kollegen das nicht verstehen wollen. Aber er verdeckt schon ein Stück weit, dass sich die Pandemie deutlich verändert hat in den letzten gut zwei Jahren. – Tino Sorge, ich komme auch gerne zu Ihnen persönlich. Deswegen würde ich Sie gern noch mal kurz mitnehmen in das erste Jahr der Coronapandemie. Da war ich nicht hier; da war ich selber in der Klinik. Und da war es tatsächlich so, dass wir sehr viel damit zu tun hatten, dass uns in der Klinik alle Masken geklaut wurden und dass nie Desinfektionsmittel da war, bis überall Sicherheitsdienste standen. Dann gab es irgendwann das Problem, dass man nicht mehr wusste, welche Patienten man jetzt noch behandeln durfte und welche nicht. Permanent fehlten Kollegen in den Dienstplänen. Ich gebe zu: Da hat man die Debatten hier im Bundestag wirklich nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen. Aber das, was man mitbekommen hat, war: Da wurde geklotzt und nicht gekleckert. Da war für alles Geld da. Und es war auch unglaublich spannend, zu sehen – obwohl wir alle immer wieder darauf hingewiesen haben, dass Klinikbetten alleine noch keine Patienten versorgen können, dass Beatmungsgeräte allein noch keine Patienten versorgen können –, dass das der ganz große Schwerpunkt bei den Coronabeschaffungsmaßnahmen und Zusatzausgaben der ersten Monate war. Ich sage das deswegen, weil das was mit den Beschäftigten im Gesundheitswesen gemacht hat. Wenn du unglaublich viele Lücken im Dienstplan hast und du kommst abends zum Nachtdienst und du läufst durch einen Flur, der voller Betten in Originalverpackung steht, die mit Boni der Bundesregierung beschafft wurden, ohne dass sie jemals in Benutzung gehen werden, wenn du siehst, das Geld ist da, aber es ist kein Kollege da, der mit dir zusammen im Nachtdienst ist, dann macht das etwas mit dir, weil es dir zeigt: Da werden die falschen Prioritäten gesetzt. Und wenn du morgens vom Nachtdienst aus der Klinik rauskommst und du fährst nach Hause und da ist die Coronateststation und du weißt ganz genau, dass sich da gerade jemand eine goldene Nase verdient, sich aber an den Tarifverträgen in den Kliniken nichts geändert hat, dann macht das was mit den Leuten, die im Gesundheitswesen arbeiten. Deswegen reicht es nicht, denen heute Danke zu sagen, sondern wir müssen jetzt in die Phase kommen, wo wir auch die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen dramatisch verbessern, und dafür brauchen wir auch jeden Euro. Denn wir haben die letzten Monate kontinuierlich Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitswesen verloren. Da ist einfach unglaublich viel schiefgelaufen; das wissen wir alle. Deswegen müssen wir heute auch kritischer draufschauen. Es wurde viel Geld mit vollen Händen ausgegeben: Maskenbeschaffung, Coronateststationen, diese Bettenzuschüsse à 50 000 Euro, FFP-Masken-Ausgabe über die Apotheken. Da ist unglaublich viel schiefgelaufen, und das muss jetzt vorbei sein. Ja, wir wollen Corona beenden, und wir wollen alles, was notwendig ist in dieser Krise, ausfinanzieren. Aber wenn wir kritisch auf alles draufschauen, was jetzt im Einzelplan drinsteht, dann geschieht das nicht, weil wir Corona nicht beenden wollten, sondern weil wir wissen, dass die Mittel in diesem Etat – jeder Euro, den man dafür finden kann, dass sich die Gesundheitsbedingungen und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessern und ebenso die Patientenversorgung – dort noch besser aufgehoben sind. Das ist der einzige Grund, warum wir so kritisch draufschauen. Und ich glaube, im dritten Jahr der Coronapandemie muss man das auch erreichen können. Und damit kommen wir zum Grundproblem. Eigentlich sollten wir in der Haushaltsdebatte bei dem Einzelplan 15 gar nicht so viel Ausgabenkritik an der GKV machen. Aber warum müssen wir das machen? Weil wir jetzt quasi eine teilweise steuerfinanzierte gesetzliche Krankenversicherung haben. Wir sind als Grüne Fans der Bürgerversicherung, ja. Aber so ein teilweise steuerfinanziertes Versicherungskonzept ist nicht unsere Idee. Das ist absurderweise eines der Vermächtnisse von Jens Spahn im Gesundheitsministerium, und davon müssen wir ganz schnell wieder wegkommen. Aber wenn es jetzt schon so ist – und es sieht ja eher so aus, als ob das immer weitergeht –, dann ist es nur folgerichtig, dass auch das Bundesfinanzministerium mit in den Schätzerkreis reingenommen werden muss, und dann ist es auch nur folgerichtig, dass auch der Haushaltsausschuss in die Ausgabenkritik der GKV einsteigen muss. Ich halte das aber nicht für ideal, schon allein, weil dann Kollegen wie Herr Mattfeldt im schlimmsten Fall mit darüber entscheiden, was im GKV-System noch finanziert wird und was nicht. Nichts gegen den Kollegen Mattfeldt, aber das ist keine ideale Lösung. – Na ja, das bezweifle ich halt. Ich habe jetzt ungefähr dreimal betont, wie wichtig bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen sind. Natürlich gibt es in diesem Etatentwurf den Coronabonus; da steht 1 Milliarde Euro drin, man kann das machen. Aber es sollte sich niemand der Illusion hingeben – wir hatten ja schon Coronaboni in der Vergangenheit –, dass wegen so einem Coronabonus jemand, der nach fünf Nachtdiensten in Folge völlig ausgebrannt ist und sich fragt, ob er in dieser Art und Weise diesen Beruf in Vollzeit bis zur Rente durchsteht, nicht in Teilzeit geht oder irgendjemand zusätzlich im Beruf bleibt. Und auch deswegen sage ich wieder: Ja, man kann das machen, aber die Frage ist: Was hätten wir mit dieser Milliarde gegebenenfalls auch an Verbesserungen für die Arbeitsbedingungen erreichen können? Ja, die Pandemie ist nicht vorbei. Aber die Zeit der wenig zielgerichteten Coronamaßnahmen und der Verschwendung bei den Coronamaßnahmen muss vorbei sein. Wir brauchen jetzt eine sehr gute Kommunikation zwischen Haushaltsausschuss und dem Bundesgesundheitsministerium, damit wir eine sehr gute gemeinsame Grundlage dafür schaffen, was wir in diesem dritten Jahr der Coronapandemie zielgerichtet finanzieren können und was nicht. Wir brauchen jeden Euro, den wir zusätzlich finden können, für eine solide, zukunftsfeste Aufstellung unseres Gesundheitswesens, das gerade echt auf dem Zahnfleisch geht. Wir brauchen mehr Mittel für eine echte Prävention. Da reiße ich jetzt noch mal die Punkte an, die im Koalitionsvertrag stehen und die sich alle noch nicht im Haushalt des Ministeriums abbilden. Ich gehe nachher auf die Kollegin zu und würde jetzt einfach schnell zum Ende kommen. Wir brauchen jeden Euro für eine echte, neue Präventionsstrategie, und da reiße ich die Punkte an, die alle noch nicht im Einzelplan ausfinanziert sind, die aber im Koalitionsvertrag stehen. Wir brauchen jeden Euro für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die dringend notwendig ist in dieser Situation. Und wir brauchen auch jeden Euro – da spreche ich jetzt auch als eine Vertreterin aus Sachsen – für die Sicherung der medizinischen Versorgung und pflegerischen Versorgung im überalterten ländlichen Raum. Darüber hat hier heute noch niemand gesprochen. Auch das wird eine Herkulesaufgabe, auch das ist noch nicht ausreichend abgebildet. Und auch das werden wir in den nächsten vier Jahren ausfinanzieren müssen. Vielen Dank.