Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und bei Youtube! Regierungskunst gründet sich auf Vorausschau, und genau an dieser Fähigkeit, der Fähigkeit zur Vorausschau, fehlt es in der deutschen Verteidigungspolitik seit mindestens drei Jahrzehnten. Nun sind auf einmal alle aufgewacht, die Regierung rudert wild mit den Armen, kopflose Hektik macht sich breit. Selbst die Grünen wollen Panzer kaufen. Wo stehen wir also? Russland hat die Ukraine angegriffen, und auf europäischem Boden tobt ein Krieg. Da fällt auf einmal auf: Ups, die Bundeswehr ist gar nicht verteidigungsfähig. – Meine Damen und Herren, Sie hätten in den letzten viereinhalb Jahren mal auf unsere Kollegen hören sollen. Unsere Verteidigungspolitiker haben Ihnen das immer wieder gesagt und eine bessere Ausstattung der Bundeswehr angemahnt. Jetzt sind wir in der Situation, dass wir die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands mit einer Regierung erneuern müssen, die die Verteidigungsausgaben noch kurz vor Beginn des Ukrainekriegs sogar senken wollte. Die populistische Ankündigung des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr durch Kanzler Scholz war offenkundig auch als Drohkulisse gedacht, um die Russen an den Verhandlungstisch mit den Ukrainern zu zwingen. Wirklich gut läuft das leider gerade nicht, und für die deutsche Verteidigungspolitik ergibt sich aus diesem Politaktionismus jetzt der Zwang, dass man nach der 100-Milliarden-Euro-Rhetorikgranate auf die Schnelle ein schlüssiges Konzept vorlegen muss. Leichter gesagt als getan. Unsere Fraktion begrüßt die Etaterhöhung für den Einzelplan 14, und wir wären auch bereit, weitere Etaterhöhungen mitzutragen, mit denen wir uns dem 2‑Prozent-Ziel der NATO annähern. Hierzu müssen aber auch zwei Dinge gesagt werden. Punkt eins: Die NATO muss wieder ein reines Verteidigungsbündnis werden. Zum anderen – Punkt zwei – wird uns eine alleinige Etaterhöhung ohne eine grundlegende Strukturreform und eine Reform des Beschaffungswesens nicht weiterbringen; denn wir befürchten, dass jetzt im Schnelldurchlauf Gerät angeschafft wird, das eben nicht dem neuesten Stand der Technik und den Anforderungen der Truppe entspricht. Diese Befürchtung teilt auch Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, der im „Handelsblatt“ die Erwartung äußerte, das für teils überholtes Material unnötig viel Geld ausgegeben werden wird. Dazu passt leider auch ein Statement von Verteidigungsministerin Lambrecht aus dem „Handelsblatt“. Sie sagte – Zitat –: „Wir warten nicht ab, bis alles bis ins letzte Detail ausgeplant ist.“ Ja, das bezog sich auf das Sofortprogramm für die Grundausstattung der Truppe. Dass Sie sich daran halten, das finden wir auch sehr löblich, aber trotzdem: Das Verteidigungsministerium muss sicherstellen, dass Mittel effizient eingesetzt werden und nicht der Verschwendung Tür und Tor geöffnet wird. Die Truppe braucht nämlich noch mehr als Funkgeräte und Unterwäsche, zum Beispiel auch Kampfjets, was uns direkt zu der von Ihnen geplanten Anschaffung der F‑35 führt. Für die Uneingeweihten: Die F‑35 ist ein Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug der fünften Generation, gebaut von der amerikanischen Firma Lockheed Martin. Das Spannende an dieser Beschaffung ist, dass die neue Bundesregierung jetzt 35 Stück dieser Flugzeuge bereitstellen will, obwohl die alte Regierung das eigentlich schon 2019 verworfen hatte. Und siehe da, schon fliegt uns ein Artikel in der „Welt“ um die Ohren mit dem schönen Titel „Schrottflieger F‑35? Pentagon-Papier enthüllt 845 Fehler bei neuem Bundeswehr-Jet“. Wichtigster Kritikpunkt in dem Papier ist die mangelnde Zuverlässigkeit der F‑35. So war die für die Bundeswehr geplante F‑35A im Jahresdurchschnitt 2020 gerade einmal zu 54 Prozent einsatzfähig. Im Vergleich: Andere moderne Kampfjets haben eine Einsatzfähigkeit von mindestens 80 Prozent. Die F‑35 ist offenbar eine Hangar-Königin. Aber es kommt noch besser. Gekauft werden soll diese F‑35 für die sogenannte nukleare Teilhabe, zu der wir vertraglich verpflichtet sind. Das bedeutet, dass das Flugzeug im Ernstfall mit den Freifall-Atomwaffen vom Typ B61 bestückt werden soll. Nun ist es aber so, dass die F 35 aktuell die B61 gar nicht tragen kann. Der Grund: ein Softwarefehler, der wohl schon länger besteht und dessen Behebung auch noch Jahre dauern wird. Selbst die USA haben ihre Bestellung wegen dieser Mängel mittlerweile gekürzt. Da ergeben sich jetzt ein paar sehr interessante Fragen an die Frau Ministerin und an Herrn Scholz. Sie wollen also ein Flugzeug für die nukleare Teilhabe beschaffen, aber die von Ihnen ausgewählte F‑35 kann diese nukleare Teilhabe aktuell gar nicht leisten. Ich frage Sie: Haben Sie das gewusst? Und wenn Sie es gewusst haben, warum bestellen Sie es dann überhaupt? Oder haben Sie es nicht gewusst? Dann frage ich mich: Warum haben Sie es nicht gewusst? Und natürlich ist auch die Frage interessant: Hat die alte Regierung das gewusst, das Projekt deswegen eingestellt, aber Ihnen hat es keiner gesagt, und jetzt stehen wir da und haben die Niete im internationalen Waffenschrottwichteln gezogen? Ganz ehrlich, wir befürchten, dass diese Bundesregierung sich mit den 100 Milliarden Euro Sondervermögen nicht nur auf eine ordnungspolitische Irrfahrt begibt – dass gerade die FDP das mitmacht, ist auch ein Skandal –, sondern auch einer nachhaltigen Ertüchtigung unserer Streitkräfte mehr schaden als nutzen wird. Gern als Kurzintervention gleich. – Bei der von Ihnen geplanten Verankerung dieses Sondervermögens im Grundgesetz befürchten wir zudem, dass Sie dauerhaft die Schuldenbremse damit aushebeln werden; ich meine, wir wissen ja, wie es unter dem Strich läuft. Ich könnte an dieser Stelle jetzt noch einiges mehr sagen, aber dazu werden wir in den Beratungen ja noch ausführlich Gelegenheit haben. Ich hoffe, dass bis dahin noch mehr Vernunft in die Reihen der Regierung eingekehrt ist, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.