Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Wir müssen mehr tun, um die Ukraine zu stützen. Die Ukrainer sind kampfbereit, sie sind widerstandserprobt. Ein Satz auch noch dazu, weil es oft in Vergessenheit gerät: Die Ukraine hat schon im letzten Jahrhundert unter Russland gelitten. Der Holodomor, der hier in Deutschland nur wenigen etwas sagt, sagt in der Ukraine jedem Kind etwas. Stalin hat systematisch Städte ausgehungert. Nach den untersten Schätzungen gab es 3 Millionen Tote, nach den oberen das Doppelte. Die Ukrainer möchten sich widersetzen und Widerstand leisten. Wir sollten sie nicht alleine lassen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es verwundert nicht, dass die heutigen Haushaltsberatungen ganz im Lichte des bestialischen Angriffskriegs von Russland gegen die Ukraine stehen. Herr Gauland redete vorhin von den Fehlern des Westens, weil man die Einflusssphären von Russland nicht respektiert habe. Das ist schon deshalb falsch, weil souveräne Länder grundsätzlich selbst darüber entscheiden, welchen multistaatlichen Bündnissen sie sich anschließen; sie haben ihr Schicksal selbst in der Hand. Selbst das ist aber irrelevant in dem Moment, in dem Bomben auf unschuldige Menschen geworfen werden, Geburtskliniken, Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten zerschossen werden. Dann gibt es keine Neutralität mehr. Es ist doch schon längst kein Krieg „Armee gegen Armee, Militär gegen Militär“ mehr. Es ist ein Krieg der russischen Armee, des sie befehligenden Präsidenten gegen die Zivilbevölkerung; es ist ein Krieg gegen die Menschen. Mariupol und andere Städte werden eingekesselt. Es ist das Schlagwort der humanitären Katastrophe darauf angewandt worden. Ich glaube, es gilt, das ein Stück weit zu übersetzen: Es gibt keinen Strom mehr. Es gibt keine Wärme mehr; die Temperaturen nachts fallen unter den Gefrierpunkt. Es gibt keine Nahrungsmittel. Es gibt kein Trinkwasser; Menschen dehydrieren. Noch vor wenigen Tagen haben die Menschen den Schnee geschmolzen, den es jetzt aber aufgrund der Temperaturen gar nicht mehr gibt. Sie trinken das Wasser aus verbliebenen Pfützen, sie trinken das Wasser aus den Heizungsrohren. Von den sanitären Umständen ganz zu schweigen! – Wir machen uns in Deutschland kein Bild davon! Grüne Korridore, die es erlauben würden, dass die Flüchtlinge die Stadt verlassen können, werden von Russland verweigert. Es ist nicht nur eine Entvölkerungsstrategie, es ist ein Vernichtungskrieg, der hier geführt wird. Deshalb müssen die Sanktionen deutlich und spürbar verschärft werden. Solange Gas fließt, fließt auch Geld. Geld, das in die Kriegsmaschinerie von Putin geht. Deshalb: Setzen Sie die Forderungen der Union um, und sanktionieren Sie! Schließen Sie Nord Stream 1! Setzen Sie die größte russische Bank, die Sberbank, auf die Sanktionsliste! Begleichen Sie die Rechnungen, wie es Christoph Heusgen, der neue Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, eingefordert hat, mit Überweisungen auf ein Treuhandkonto! Doch was macht die deutsche Bundesregierung? Sie zaudert, und sie zögert. Frau Baerbock, die Bundesregierung sitzt im Bremserhäuschen. Das war bei Waffenlieferungen so, das war bei SWIFT so und zuletzt auch hier, als der Deutsche Bundestag peinlicherweise eine Aussprache nach dem flammenden Appell von Selenskyj verweigerte. Es war ein kollektives Versagen, das wir hier erlebten. Es mangelt an allem, es mangelt aber auch an Waffen. Ich darf mit der Erlaubnis der Präsidentin aus einem Statement der Präsidialadministration der Ukraine zitieren: So weit der O‑Ton aus der Ukraine selbst. Nehmen wir es ernst! Die Enttäuschung der Ukraine über die deutsche Bundesregierung – es muss so offen ausgesprochen werden – sitzt knochentief. Knochentief! Überdies: Die Bundesregierung ist auch nicht in Europa wahrnehmbar. Macron ist der Taktgeber. Herr Scholz, Sie brauchen ja nicht unbedingt Angela Merkel zum Vorbild nehmen; aber Helmut Schmidt wäre schon zupackender gewesen. An dieser Entschlossenheit fehlt es. Ich höre immer wieder: Die ukrainische Armee kann diesen Krieg nicht gewinnen. Es wird nur in eine Richtung spekuliert, nämlich: Wie viele Tage wird es wohl dauern, bis die Ukraine tatsächlich zusammenbricht? – Meine Gegenfrage ist: Warum sollte die Ukraine diesen Krieg eigentlich nicht gewinnen können? Ja, bitte. Ich bedanke mich ausdrücklich für diese Zwischenfrage, weil sie mir Gelegenheit gibt, das etwas ausführlicher zu sagen und darzustellen. Es war die deutsche Bundesregierung, die sich beharrlich geweigert hat, andere europäische Länder, die lieferbereit waren, liefern zu lassen. Deswegen diese Verzögerungen. – Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt: Die Industrie kann liefern. Hier auf dieser Bank sitzt die Bundesregierung; sie muss nur Ja dazu sagen. Ich möchte eines hier durchaus differenzieren. Es war Wirtschaftsminister Habeck, der schon vor Monaten gesagt hat: Wir müssen bereit sein, auch diesen „Schwarzen Schwan“ neu zu denken, dass wir also auch Waffen in eine Krisenregion liefern. – Wir können hier nicht zuschauen, wie eine ganze Region, ein ganzes Land vor die Hunde geht! – Bitte bleiben Sie noch stehen. – Dieser Realitätssinn hat seitens der Bundesregierung gefehlt, und dieses Fehlen kostet Menschenleben – jeden Tag, jede Stunde! Deswegen liegt es an uns, zu handeln, an dieser Bundesregierung, zu handeln! Dass sie das nicht tut, ist nicht länger hinnehmbar. Deshalb bitte ich auch Sie alle, die Sie diese Bundesregierung tragen: Setzen Sie sich dafür ein, dass endlich entschlossener gehandelt wird, damit die Menschen dort nicht zugrunde gehen! Ganz herzlichen Dank. Die Frage ist beantwortet. Ein Letztes: Es wird sich auch die Frage stellen, wer für die angerichteten Schäden einzustehen hat. Natürlich könnte man sagen: ein internationaler Fonds. Das ist die eine Möglichkeit; dann zahlen auch die Steuerzahler. Oder man wendet das Verursacherprinzip an; das heißt: Russland selbst muss herangezogen werden, seine Devisenreserven. Wir sollten jetzt auch völkerrechtlich alle Möglichkeiten überprüfen, die es erlauben, Russland in Haftung zu nehmen für die entstandenen Schäden. Herzlichen Dank.