Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, dass große Teile unseres Kulturgutes nicht in unseren Museen liegen, sondern auf einem anderen Kontinent. Stellen Sie sich weiter vor, Sie hätten – zum Beispiel – noch nie von Karl dem Großen gehört, weil dieser Teil Ihrer Geschichte wie ausradiert ist. Auch Werke von Schiller, Goethe, Kant lägen nicht in unseren Bibliotheken. Um sie zu erforschen, müssten Sie in ein anderes Land reisen, wofür Sie ein Visum brauchen, was Ihnen in der Regel nicht gewährt wird. Was würde das mit Ihnen machen? Was würde das mit uns als Gesellschaft machen? Was wir hier heute lediglich als Gedankenspiel betreiben, ist für viele Menschen in Afrika, Asien, Südamerika Realität. Große Teile ihrer Geschichte liegen in Europa, in unseren Museen und Archiven. Es ist unsere Verantwortung, zurückzugeben, was nicht uns gehört. Denn Kultur ist nicht nur „nice to have“. Kultur speichert Wissen. Kultur ist wichtig für die Identitätsbildung. Kultur ist der Diskussions- und Resonanzraum einer Gesellschaft. Kultur kann noch mehr: Kultur kann helfen, andere Perspektiven einzunehmen, Schritte in den Schuhen eines anderen zu gehen. So ist Kultur eine wichtige Chance für Pluralismus und den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Kultur kann Brücken bauen, und so kann Deutschland Goethe und Anton Wilhelm Amo sein, Fassbinder und Fatih Akin, Ostern und Pessach und Bayram. Diese Vielfalt ist unsere Stärke. Ich danke der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, dass sie diese wichtige Diskussion aufgreift und Gelder bereitstellt für die Aufarbeitung des Kolonialismus, für die Provenienzforschung, für die Digitalisierung der Sammlungsbestände aus Unrechtskontexten. Denn die Vergangenheit ist nicht vorbei. Die Auswirkungen von Versklavung, Kolonialismus, Rassismus sind noch immer präsent. Wir können den Herkunftsgesellschaften heute und in Zukunft nur auf Augenhöhe begegnen, wenn wir den Paternalismus ablegen. Unsere postkoloniale Erinnerungskultur fängt genau damit an. Schaffen wir eine Erinnerungskultur, die einer modernen Migrationsgesellschaft gerecht wird und sich nicht von Eurozentrismus leiten lässt. Der vorgelegte Haushaltsplan setzt hier wichtige Signale. Er macht Hoffnung, aber er gibt uns Aufgaben mit, und die packen wir an.